Aktuelle Nachrichten

Zurück zur Übersicht

Weiterbildung und Digitalisierung

Gewerkschaftliche Gestaltungsempfehlungen

Weiterbildung im Kontext von Digitalisierung

Die Digitalisierung sorgt für Umbrüche in der Arbeitswelt und in den Tätigkeiten. Die Situation ist geprägt durch eine Gleichzeitigkeit von drohenden Jobverlusten auf der einen und hohem Fachkräftebedarf auf der anderen Seite.

Mit der Digitalisierung ändern sich die Qualifikationsanforderungen. Die in der Erstausbildung erworbenen Qualifikationen reichen nicht mehr für ein Arbeitsleben aus. Daher ist „Lebenslanges Lernen“ für jeden Beschäftigten, jede Beschäftigte und jedes Unternehmen notwendig. Dieses Lernen erfolgt in den meisten Fällen im Rahmen von Weiterbildung. Diese ist in unterschiedliche Segmente aufgeteilt, von denen die betriebliche Weiterbildung die quantitativ dominierende Form der beruflichen Weiterbildung ist. Daneben existieren noch die außerbetriebliche berufliche Weiterbildung; die berufliche Weiterbildung für Arbeitslose, die von der Bundesagentur für Arbeit organisiert und bestimmt ist; und die allgemeine, kulturelle, politische Weiterbildung, die in jedem Bundesland anderen Regeln folgt. Die betriebliche Weiterbildung ist allerdings die am geringsten regulierte Form der beruflichen Weiterbildung. Bildungsziele und Methoden sind den Betrieben überlassen. Daher kommt in diesem Bereich Dienst-/Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen eine besondere Bedeutung zu.

In der Wissenschaft werden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Qualifikationsanforderungen der Beschäftigten vor allem von zwei Positionen aus diskutiert: Einerseits wird von einem Trend zur Aufwertung der beruflichen Qualifikationsanforderungen ausgegangen. Auf der anderen Seite besagt die Polarisierungsthese, dass es verstärkt zur Erosion mittlerer Qualifikationsebenen und gleichzeitig zu einem wachsenden Anteil einfacher, routinisierter wie auch anspruchsvoller, hochqualifizierter Tätigkeiten kommen wird.

Durch die Digitalisierung werden vor allem routinemäßige Aufgaben bestimmter Tätigkeiten automatisiert. Dies kann zu größeren Spielräumen für neue Aufgaben sowie zu Aufgabenanreicherung und -erweiterung führen. Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass die Digitalisierung durch steigende Arbeitsanforderungen, beispielsweise in Form zusätzlicher Prozessdokumentation, Arbeitsplanung und Qualitätssicherung mit einer kontinuierlichen Qualifikationserweiterung einhergeht. Arbeitsprozesse werden durch die Digitalisierung insgesamt anspruchsvoller, vernetzter und komplexer. Branchenübergreifend wird sozialen Kompetenzen wie Kommunikation, Interaktion und Kooperation, ebenso wie Überblickswissen zu Arbeitsprozessen und -systemen, Prozessverantwortung bei standardisierten und automatisierten Prozessen und digitaler Kompetenz eine wichtige Bedeutung zugeschrieben. Sowohl soziale, kreative als auch fachliche Kompetenzen wie Erfahrungswissen zählen zu den Kompetenzen, die häufiger benötigt werden. Transfer von Wissensbeständen in Datenbanken und IT-Systeme sowie kontextsensitive Zurverfügungstellung von Wissen durch Assistenzsysteme im Arbeitsprozess nehmen zudem im Wissensmanagement der Unternehmen eine zentrale Rolle ein.

Am Anfang aller Digitalisierungsüberlegungen sollte auch der Bedarf an neuen Qualifikationen mitbedacht werden, um die Beschäftigten frühzeitig auf die Veränderungen vorzubereiten. Der Takt, innerhalb dessen Qualifikationen aktualisiert werden müssen, wird immer schneller. Studien zeigen, dass Unsicherheit im Umgang mit digitaler Technik einer der häufigsten Gründe für „digitalen Stress“ ist.


Weiterbildung für alle – ver.di-Positionen

Weiterbildung wird in dieser zunehmend digitalisierten Arbeitswelt eine zentrale Bedingung dafür, dass der Wandel im Sinne aller bewältigt werden kann. ver.di fordert deshalb eine Weiterbildungsoffensive in Gesellschaft und Unternehmen.

Grundlage in den Unternehmen sollte eine strategische Personalplanung sein, mittels derer die künftigen Bedarfe ermittelt und die Kompetenzentwicklung geplant wird. Eine transparente, vorausschauende Unternehmensstrategie erleichtert es den Beschäftigten, sich entlang künftig benötigter Qualifikationen weiterzuentwickeln und damit die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten bzw. zu verbessern.

In erster Linie geht es darum, diejenigen, deren Tätigkeiten durch den digitalen Wandel gefährdet sind, auf Basis ihrer Erfahrungen und Fähigkeiten für die Zukunft zu qualifizieren. Fehlende oder unzureichende Qualifikation stellt auch im Sinne des Arbeitsschutzes einen Gefährdungsfaktor für Überforderung dar. Für die Qualifikation müssen deshalb entsprechende zeitliche Ressourcen eingeplant werden. Während formelle Qualifizierung zwar weiterhin die berufliche Basis darstellt, müssen viele weitere Lernchancen durch die Arbeitsorganisation und durch entsprechende Formate jenseits von Lehrgängen entstehen. Hier sind die Unternehmen in der Pflicht. Um gute Rahmenbedingungen für eine nachhaltige betriebliche Weiterbildung sicher zu stellen, muss die Arbeitsmenge entsprechend angepasst werden. Qualifizierung muss innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit ermöglicht werden.

Bislang zeigt sich, dass es beim Thema Weiterbildung eine Ungleichverteilung zwischen Beschäftigtengruppen gibt. Höherqualifizierte und Beschäftigte in „anspruchsvollen“ Tätigkeiten nehmen immer noch häufiger an Qualifizierungsmaßnahmen teil. Daher sind insbesondere Beschäftigte, die Einfacharbeiten verrichten, und solche mit geringerem formalen Bildungsniveau intensiver und gezielter in Qualifizierungsmaßnahmen einzubeziehen. Insbesondere diese Gruppe, aber auch ältere Beschäftigte brauchen spezielle Ansprache und didaktisch auf sie abgestimmte Lernkonzepte. Auch wenn hier endlich Verbesserungen umgesetzt werden, kann es am Ende Beschäftigte geben, die nicht oder nicht mehr umqualifiziert werden können. Für diese müssen andere Maßnahmen ergriffen werden, damit sie am Arbeitsleben unter guten Bedingungen teilnehmen können. Dies ist durch weitreichende Schutzmaßnahmen im Rahmen von betrieblichen und tarifvertraglichen Regelungen zu flankieren.

Insgesamt erfordert die stärkere Verankerung von Weiterbildung in den Erwerbsbiografien von Beschäftigten sowohl den Ausbau des gesetzlichen Rahmens als auch tarifvertragliche und betriebliche Regelungen. Dabei ist besonderes Augenmerk auf die unterschiedlichen persönlichen Voraussetzungen von Beschäftigten und unterschiedliche Ziele von Qualifizierung zu richten. Alter, Herkunft, Geschlecht, Bildung und körperliche Fähigkeiten haben Auswirkungen auf die Art und Weise und die Möglichkeiten des Lernens. Die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes, des Anstellungsverhältnisses und der Branche setzt zudem unterschiedliche Rahmenbedingungen. Diese Faktoren gilt es sowohl politisch als auch betrieblich im Blick zu behalten und möglichst zielgruppengerechte Zugänge zu Qualifizierung und Weiterbildung zu schaffen.


Quelle: Weiterbildung und Digitalisierung, Gewerkschaftliche Gestaltungsempfehlungen, Factsheet 7 aus dem ver.di Bereich Innovation und gute Arbeit, Juli 2020

Den vollständigen Text können sie hier als pdf-Datei herunterladen


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Weiterbildung, Digitalisierung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 16.08.2020