Grundsätzliches zur Weiterbildung

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Neue Studie der Bertelsmann-Stiftung

Weiterbildung: Finanzielles Stiefkind der Bildungspolitik

Gelernt bedeutet nicht ausgelernt: Für Erwerbstätige wird es immer wichtiger, sich beruflich weiterzubilden. Doch bei der öffentlichen Weiterbildungsfinanzierung klaffen Anspruch und Wirklichkeit nach wie vor weit auseinander - das zeigt eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung der Jahre 1995-2015.

In Deutschland werden pro Jahr rund 26,9 Milliarden Euro für die Weiterbildung ausgegeben. Der Großteil – knapp 20,6 Milliarden Euro – werden privat finanziert, durch Betriebe oder die Teilnehmenden selbst. Nur 6,3 Milliarden Euro bringt die öffentliche Hand für Weiterbildungen auf. 1995 leistete der Staat sich noch Weiterbildungen in Höhe von 11,1 Milliarden Euro – ein Rückgang um 43,3 Prozent. Demnach ist hier, anders als in allen anderen Bildungsbereichen, die öffentliche Finanzierung stark gesunken. Dies müssen bislang die Betriebe und die Lernenden selbst kompensieren.

Seit dem Tiefpunkt 2012 gab es zuletzt wieder einen Anstieg der öffentlichen Mittel für Weiterbildung von damals noch 4,9 Milliarden Euro auf nun 6,3 Milliarden Euro. Dieser kommt vor allem den Beziehern des Arbeitslosengelds I zu Gute, adressiert aber nur selten Geringqualifizierte oder Hartz-IV-Empfänger. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Untersuchung der Wissenschaftler Rolf Dobischat, Dieter Münk und Anna Rosendahl von der Universität Duisburg-Essen in unserem Auftrag. Unser Vorstand, Jörg Dräger findet klare Worte: "Weiterbildung war zu lange das Stiefkind der öffentlichen Bildungsfinanzierung und erreicht noch immer nicht diejenigen, die besonders auf Unterstützung angewiesen sind. Gerade im Zeitalter der voranschreitenden Digitalisierung müssen die Menschen mehr Chancen haben sich weiter zu qualifizieren."


Unternehmen investieren seit 2012 mehr, Privatpersonen weniger in Weiterbildungen

Auch Unternehmen engagieren sich seit 2012 etwas stärker bei der Weiterbildung und verzeichnen einen Anstieg von 4,7 Prozent ihrer Ausgaben auf insgesamt 11,1 Milliarden Euro pro Jahr. Hingegen gingen die Ausgaben für Weiterbildung von Privatpersonen im gleichen Zeitraum um fast 14 Prozent auf 9,5 Milliarden Euro pro Jahr zurück.

Dieser jüngste Rückgang der individuellen Ausgaben hat verschiedene Hintergründe. Zum einen gaben die Betriebe mehr für die Qualifizierung ihrer Belegschaften aus – Arbeitnehmer mussten sich zuletzt in geringerem Umfang an den Kosten einer betrieblichen Weiterbildung beteiligen als noch im Jahr 2012. Zum anderen gibt es durch die Digitalisierung vermehrt preiswerte, teilweise auch kostenlose Weiterbildungsangebote. Lagen etwa 2012 die durchschnittlichen Weiterbildungskosten noch bei 298 Euro pro Teilnehmendem, waren es 2016 nur noch 254 Euro.

Dass bei der Weiterbildungsteilnahme noch Ausbaubedarf besteht, zeigte unlängst der Deutsche Weiterbildungsatlas, demzufolge nur 12,2 Prozent der Bevölkerung in den letzten 12 Monaten eine Weiterbildung besucht hatten. Bei von Armut gefährdeten Menschen waren es sogar nur 7,7 Prozent und bei Menschen ohne formalen Berufsabschluss nur noch 5,6 Prozent.


Weiterbildung ist Vor- nicht Nachsorge

Dräger schlussfolgert aus den Ergebnissen der Untersuchung: "Die Belegschaften, Unternehmen und der Staat konzentrieren sich in Zeiten der wirtschaftlichen Prosperität nicht ausreichend auf Weiterbildungen." Er fordert gerade jetzt, die Arbeitnehmerschaft auf die Digitalisierungen vorzubereiten. Vor dem Hintergrund der derzeit entstehenden Weiterbildungsbildungsstrategie der Bundesregierung setzt er sich zudem dafür ein, die staatlichen Mittel auch jenen Menschen zur Verfügung zu stellen, die ALG-II beziehen, also Hartz-IV-Empfängern. Das jüngst beschlossene Qualifizierungschancengesetz ermöglicht ihnen nur Zugang zu Weiterbildungsberatung, nicht jedoch zu einer dort ggf. empfohlenen Weiterbildung. Den Erfolg des Gesetzes werde man jedoch daran messen müssen, inwiefern eine nachhaltige Qualifizierung der 4,6 Millionen geringqualifizierten Erwerbspersonen in Deutschland gelinge. Hierfür sollten besonders Teilqualifizierungen gefördert werden, die auch während der Erwerbstätigkeit einen schrittweisen Weg zum Vollabschluss ermöglichen.

Dräger fordert zudem, dass berufliche Weiterbildungen für klassische Berufsabschlüsse angerechnet werden: "Für viele Menschen werden Weiterbildungen attraktiver, wenn sie zu einem vollwertigen beruflichen Abschluss führen können." Auch Kompetenzen, die während der Berufstätigkeit erworben wurden, sollten besser anerkannt werden. Gerade dieses informelle Lernen ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die wichtigste Quelle für berufliche Handlungsfähigkeit. Und so arbeiten heute bereits mehr als die Hälfte aller formal geringqualifizierten Beschäftigten als Fachkraft. Allerdings ohne formale Anerkennung und damit ohne belastbaren Nachweis ihrer Kompetenzen falls Sie den Arbeitgeber wechseln wollen oder müssen.


Quelle: Pressemeldung der Bertelsmann-Stiftung vom 11. März 2019


Die Studie können sie hier als pdf-Datei herunterladen.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Weiterbildung, Lebenslanges Lernen
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 12.03.2019

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024