Nachrichten-Archiv

Zurück zur Übersicht

Bundestag beschließt Einsetzung einer Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“

I. Ausgangslage

Bildung und Qualifizierung sind ein wesentlicher Schlüssel für eine erfolgreiche Gestaltung des digitalen Wandels, zur Ausschöpfung wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Innovationspotentiale und der Beschäftigungs- und Teilhabechancen jedes Einzelnen. Mit der Digitalisierung erlebt Deutschland eine der dynamischsten Innovationsphasen seiner Geschichte, die uns große Chancen für mehr Wohlstand und Arbeit bietet, aber auch die berufliche Aus- und Weiterbildung vor neue Herausforderungen stellt. Diese Chancen gilt es zu nutzen, indem alle Menschen durch Aus- und Weiterbildung fit für den Arbeitsmarkt 4.0 werden.

Der dualen Ausbildung kommt in Deutschland eine grundlegende Bedeutung für die guten Beschäftigungschancen, die Teilhabe und Integration junger Menschen, die Fachkräftesicherung und die insbesondere im europäischen Vergleich geringe Jugendarbeitslosigkeit zu. Sie ist ein gutes Beispiel für das erfolgreiche Zusammenwirken von Staat, Unternehmen, Arbeitgebern, Kammern und Gewerkschaften. Sie steht für eine bedarfsgerechte Ausbildung und bringt dadurch viele gut qualifizierte Fachkräfte hervor. Die berufliche Bildung ist ein international beachtetes Alleinstellungsmerkmal des deutschen Bildungssystems und ein wesentlicher Pfeiler der beruflichen Qualifizierung, der Fachkräftesicherung und damit unseres Wohlstands.

Angesichts der Chancen und Herausforderungen durch den digitalen Wandel und sich verändernder Qualifikationsanforderungen in der modernen Arbeitswelt müssen die regelmäßige Fortentwicklung von Ausbildungsinhalten, von Lehr-, Lern- und Prüfmethoden sowie eine zeitgemäße Ausbildungsgestaltung sichergestellt werden. Darüber hinaus muss die stete Qualifizierung von betrieblichem Ausbildungspersonal sowie Berufsschullehrerinnen und -lehrern in den Blick genommen werden. Technische Entwicklungen müssen frühzeitig und kontinuierlich in die berufliche Bildung einbezogen und für sie verfügbar gemacht werden. Darüber hinaus muss der durch die Digitalisierung bedingte und benötigte Kulturwandel des Lernens an den Berufs- und Ausbildungsstätten aktiv gestaltet werden.

Mit dem digitalen Wandel von Gesellschaft und Arbeitsmarkt erfährt auch das lebensbegleitende Lernen einen immensen Bedeutungszuwachs.


II. Auftrag

Der Deutsche Bundestag beauftragt die Enquete-Kommission, die Entwicklungsperspektiven der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der künftigen Arbeitswelt zu untersuchen und die ökonomischen und sozialen Potentiale einer Modernisierung zu prüfen.

Die Enquete soll aufzeigen, wo und auf welche Weise die berufliche Aus- und Weiterbildung an die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt angepasst werden muss und inwieweit die Stärken des Systems dabei weiter ausgebaut und mögliche Zugangshürden abgebaut werden können. Aspekte wie die Sicherung des Fachkräftebedarfs, niedrigschwellige und diskriminierungsfreie Zugänge zu Bildungs- und Qualifizierungsangeboten sowie künftige Aufgaben unserer Gesellschaft, z. B. pflegerische, pädagogische und Sorgetätigkeiten, sind dabei besonders zu berücksichtigen. Die Enquete hat die Aufgabe, eine klare Strategie für die Weiterentwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung und die Stärkung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung in einem Zeitalter des digitalen Wandels von Berufsbildern und Erwerbsbiografien zu formulieren.

Die Enquete-Kommission soll insbesondere die folgenden Fragen – unabhängig von und zusätzlich zu aktuellen Gesetzgebungsverfahren – untersuchen:
  • Wie verändern sich wirtschaftliche und betriebliche Strukturen, Berufsbilder, Qualifikationsanforderungen und zukünftige Bedarfe in den Branchen durch die Digitalisierung und welche Anforderungen stellen diese Entwicklungen an die berufliche Bildung (z. B. Lehr- und Lernmittel, Lernplattformen, Lehrpläne, Ausbildungsstrukturen, schnellere Anpassung von Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrplänen, neue Berufsbilder, Qualitätssicherung)?

  • Wie verändern sich die Anforderungen an die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildung infolge der Digitalisierung (z. B. veränderte Lernprozesse, -inhalte und Lernformate, diskontinuierliche Berufsbiografien, Sensibilisierung für neue Berufsfelder und Tätigkeitsfelder) und wie können sie bestmöglich auf die digitale Arbeitswelt vorbereitet werden

  • Welche Potentiale bietet der digitale Wandel der beruflichen Bildung für die Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration lernschwächerer und gesellschaftlich benachteiligter junger Menschen?

  • Wie sind neue, innovative und flexible Aus- und Weiterbildungsgänge unter Berücksichtigung von Kombinationsmodellen der Aus- und Weiterbildung, der höheren beruflichen Bildung, des dualen und trialen Studiums zu bewerten?

  • Wie können innovative Lernmodule die berufliche Bildung modernisieren, um die Anschlussfähigkeit und Durchlässigkeit entlang der gesamten Bildungskette nachhaltig zu erhöhen?

  • Wie können Berufsschulen und überbetriebliche Bildungsstätten für die Anforderungen der Digitalisierung fachlich gut und zeitgemäß ausgestattet und ausreichend gefördert werden?

  • Wie muss die Aus- und Weiterbildung von Berufschullehrern, Ausbildern und Prüfern modernisiert werden, um den veränderten Anforderungen gerecht zu werden?

  • Wie können die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen weiter erhöht und insbesondere mehr kleine und mittlere Unternehmen für die duale Ausbildung gewonnen werden und wie können Unternehmen ohne Ausbildungstradition im Digitalbereich stärker zur Beteiligung an der Ausbildung motiviert werden?

  • Welche Maßnahmen und innovativen Ansätze zur Berufsorientierung und Berufsvorbereitung können ergriffen werden, um die sich verändernden Berufsbilder zu berücksichtigen und mehr junge Menschen für berufliche Bildung zu begeistern?

  • Wie kann die Begleitung der Ausbildung und die Vermittlung von Auszubildenden an Betriebe optimiert und regionalen Passungsproblemen insbesondere in strukturschwachen Regionen besser begegnet werden?

  • Welche Chancen bieten sich für barrierefreie, digitale Lösungen zur Vernetzung der unterschiedlichen Lernorte?

  • Welche Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung zu erhalten und weiter zu verbessern?

  • Wie können die Internationalisierung und der Austausch über die berufliche Bildung unter den EU-Mitgliedstaaten und im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit weiter gestärkt werden?

  • Wie verändert sich das Verhältnis von Erstausbildung und beruflicher Weiterbildung und wie müssen die Gestaltung und Förderung von beruflicher Weiterbildung daran angepasst werden?

  • Wie verändern sich wirtschaftliche und betriebliche Strukturen, Berufsbilder, Qualifikationsanforderungen und zukünftige Bedarfe in den Branchen durch die Digitalisierung und welche Anforderungen stellen diese Entwicklungen an die berufliche Weiterbildung (z. B. öffentliche Finanzierungs-, Förder- und Beratungsstrukturen, Abbau von Zugangshürden, betriebliche Angebote, Lernplattformen und E-Learning-Angebote, Anerkennung und Zertifizierung von Abschlüssen, Qualitätssicherung)?

  • Wie verändern sich die Anforderungen an Erwerbstätige und arbeitsuchende Personen infolge der Digitalisierung (z. B. veränderte Arbeitsprozesse und -inhalte, diskontinuierliche Berufsbiografien, Sensibilisierung für neue Berufsfelder) und wie können sie sich fortwährend in der digitalen Arbeitswelt weiterqualifizieren?


III. Zusammensetzung und Öffentlichkeit

Der Enquete-Kommission gehören 19 Mitglieder des Deutschen Bundestages und 19 Sachverständige an. Die Fraktion der CDU/CSU benennt 7 Mitglieder, die Fraktion der SPD 4 Mitglieder und die Fraktionen AfD, FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN je 2 Mitglieder. Für jedes Mitglied des Deutschen Bundestages kann ein stellvertretendes Mitglied benannt werden. Die Sachverständigen werden im Einvernehmen der Fraktionen benannt. Kann ein Einvernehmen nicht hergestellt werden, so benennen sie die Fraktionen nach dem vorgenannten Schlüssel.

Die Enquete-Kommission kann die Öffentlichkeit ihrer Beratungen herstellen, dies gilt insbesondere für Anhörungen und Fachgespräche.


IV. Zeitplan

Die Enquete-Kommission soll sich unverzüglich konstituieren. Sie soll dem Deutschen Bundestag vor Ablauf der Legislaturperiode über ihre Arbeitsergebnisse berichten und Handlungsempfehlungen vorlegen. Ihr Bericht wird in angemessener Form einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.


Berlin, den 26. Juni 2018

Volker Kauder, Alexander Dobrindt und Fraktion
Andrea Nahles und Fraktion
Christian Lindner und Fraktion
Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Quelle: Bundestagsdrucksache 19/2979

Die Debattenbeiträge gibt es auf der Homepage des Deutschen Bundestags.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Ausbildung, Weiterbildung, Qualifizierung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 24.07.2018

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024