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Mehr als Fachlichkeit darf’s schon sein: Leeres Geschwätz oder ökonomische Notwendigkeit?

Was soll betriebliche Aus- und Weiterbildung leisten? Fachlichkeit muss sein, darüber waren und sind sich alle einig. Doch reicht ein wenig Fachlichkeit alleine aus, um die steigenden Anforderungen im Beruf zu bewältigen? Der berühmte „Fachidiot“ war immer in der Lage, ein bestimmtes Problem zu lösen. Eines, das er bereits in der Ausbildung gelernt hatte. Aber ein unbekanntes, neues Problem, da wurde es schwierig. Welche Bildung benötigt die berufliche Ausbildung in der Zukunft? Dieser Frage geht die neue Ausgabe von Denk-doch-MAL nach.

Der enge Begriff der Qualifizierung reicht nicht aus, um die nötigen Bildungsprozesse ausreichend zu beschrieben. Dieser Meinung ist Professor Rudolf Tippelt. Er fordert mehr Zeit für Allgemeinbildung. „Bildung ist ein lebenslanger Prozess und Bildung verändert sich in über die Lebensspanne. Eine wichtige Aussage ist, dass wir uns in keiner Bildungsinstitution nur auf die fachlichen Leistungen beschränken dürfen, sondern immer auch die soziale, emotionale, kulturelle Kompetenz von Heranwachsenden mit sehen müssen und entsprechende Lern- und Unterrichtsanteile höher bewerten müssen,“ so Prof. Tippelt.

Wieviel politische Bildung benötigt die Digitalisierung? Danach fragt Doris Aschenbrenner, die netzpolitische Sprecherin der Bayrischen SPD. Sie ist fest davon überzeugt, dass die Digitalisierung die alten Fragen über die Verteilung des Reichtums oder die Gerechtigkeit im Allgemeinen neu aufwirft. Wir wissen, dass die AFD Methoden im Internet einsetzt, die suggerieren, dahinter ständen unglaublich viele Menschen. Dabei wird die immer gleiche Suppe hochgekocht. In Wirklichkeit „liken“ sich ein paar tausend Menschen und Facebook-Seiten gegenseitig hoch. Das sind keine „echten besorgten Bürgern“, sondern aus Algorithmen und bezahlten digitalen Marktschreiern aufbauschte Internetaktivitäten. „Unser politisches System verändert sich total. Weil sich die vierte Säule unserer Demokratie wandelt. Die Medien. Das ist nicht mehr nur die Süddeutsche Zeitung oder BILD, sondern das sind jetzt auch Facebook und eine bezahlte Hype-Maschinerie,“ sagt Aschenbrenner.

„Wir müssen die Prozesse der Digitalisierung verstehen. Wir müssen Computer und das Internet verstehen. Und wir müssen die politischen Konsequenzen daraus ableiten – diese sind nicht notwendigerweise so neu wie die Technologien, aber auch unsere Standardantworten brauchen eine Überprüfung unter den Rahmenbedingungen der Digitalisierung.“ Das ist eine große Bildungsaufgabe.

Viele sehen die gesetzlichen Sozialversicherungen und Tarifverträge als Selbstverständlichkeit an, die ihnen zustehen und damit von Staats wegen gewährt werden. Sie vergessen, dass Regelungen wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mit einem wochenlangen Arbeitskampf erstritten werden musste. . „Dieses System finanziert sich durch Abgaben, die alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigen zu leisten haben. Nur was ist, wenn diese Regelform der Arbeit abnimmt? Roboter die Aufgaben von Menschen übernehmen und das in einem bislang nicht gekannten Umfang. Brauchen wir eine Roboter-Abgabe?“ Das fragt Prof. Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel.

Kommt jetzt die große Zeit der allgemeinen Bildung? Wie viel Sozialstaat will und wird sich die schöne neue Arbeitswelt leisten und wer bezahlt sie. Kommt die große Zeit des bedingungslosen Grundeinkommens erst noch? Finnland immerhin will es in einem Feldversuch ausprobieren. „Der Mensch soll finanzielle staatliche Fürsorge erhalten, aber ansonsten keine Rechte und Ansprüche an den Staat stellen. Ist das der Weg der Zukunft?“ Das deutsche System der Sozialversicherung hat sich immer an veränderte Bedingungen angepasst. Seine Finanzierungsbasis allerdings beruhte immer auf individueller Erwerbsarbeit. „Bislang wurden Richtungsveränderungen vorgenommen, aber kein Paradigmenwechsel vollzogen, so Schroeder. Die Suche nach neuen Lösungen für die Zukunft des Sozialstaats hat begonnen.


Diese und weitere Artikel finden sich in der Ausgabe 1-2017 von Denk-doch-MAL.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Ausbildung, Langzeit-Qualifizierung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 24.01.2017