Nachrichten-Archiv

Zurück zur Übersicht

„Wie wollen wir zusammen leben? Armut und Reichtum in der Demokratie“

Die seit den 80er Jahren zu beobachtende zunehmende Einkommensungleichheit in Deutschland gibt Anlass zur Sorge. Die Schere zwischen hohen und niedrigen Einkommen geht immer weiter auseinander. Wohlhabende sind reicher und vermögender geworden, während Einkommen in der Mitte und am unteren Ende der Einkommensskala (wenn überhaupt) nur gering gestiegen sind. Und obwohl die Arbeitslosigkeit seit 2005 stark zurückgegangen ist, kann dies nicht für die Armut festgestellt werden. Sie stagniert.

Armut schließt aus. Nicht nur von materiellen Gütern, sondern auch vom sozialen, kulturellen, politischen Leben und von Bildung. Demokratie enthält aber das Versprechen der gleichen Chancen für alle, der Repräsentativität und der politischen Gleichheit. Dies schließt auch neu zuwandernde Menschen mit ein, die in die demokratische Wertegemeinschaft einbezogen und für demokratische Teilhabe gewonnen werden müssen.

Umfragen belegen aber, dass eine Mehrheit der hier lebenden Menschen der Meinung ist, in Deutschland ginge es nicht gerecht zu. Es mehren sich die Anzeichen, dass sich diese Situation auch auf die Funktionsfähigkeit der Demokratie und des demokratischen Systems in Deutschland auswirkt. Wenn sich rund ein Viertel der Menschen mit Armutsgefährdung auf Nachfrage als politisch uninteressiert bezeichnen, hingegen aber nur 12 Prozent derjenigen ohne Armutsrisiko, weist das bereits auf eine Gefährdung der Demokratie hin.

So manifestiert sich in der „Politikverdrossenheit“ sozial Benachteiligter, die unter anderem am Wahlverhalten zu beobachten ist, letztlich eine Repräsentationskrise des demokratischen Systems, deren Ursachen nicht zuletzt in einer als ungerecht erlebten Verteilung von Ressourcen, Finanzmitteln und Gütern zu suchen sind. Politische Entscheidungen dürfen aber nicht nur zugunsten Wohlhabender und gut Ausgebildeter getroffen werden, denn damit schwindet das Vertrauen in die Institutionen des parlamentarisch-demokratischen Repräsentativsystems. Die daraus resultierende Neigung, sich weder an Wahlen zu beteiligen noch andere Formen politischer Partizipation zu nutzen, stärkt wiederum jene politischen Kräfte, die um eine Sicherung der Privilegien einzelner Interessengruppen bemüht sind. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden. Demokratie ist mehr als ein formales Regelwerk. Sie bedeutet, dass alle Menschen eines Landes über dessen Entwicklung mitbestimmen (können), indem sie an den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen teilnehmen.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Faktor Bildung. Bei bildungsbenachteiligten Jugendlichen und Erwachsenen greifen häufig Mechanismen des Selbstausschlusses vom politischen, sozialen und kulturellen Leben, während gut ausgebildete Bürgerinnen und Bürger über Netzwerke und Verbindungen sowie über Kompetenzen verfügen, ihre Ressourcen zu mobilisieren und ihre Interessen zu artikulieren.

Ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung, insbesondere zu politischer Bildung, ist daher entscheidend, um das solidarische Zusammenleben und eine starke Teilhabe in der Demokratie zu fördern. Bildungsangebote müssen für alle erreichbar sein, unabhängig von materiellen oder sozialen Voraussetzungen. Dazu gehört es auch, die Träger und Einrichtungen politischer Bildung so auszustatten, dass ein adäquates Angebot, das unterschiedliche Formate, Zugangswege und Arbeitsformen berücksichtigt, für alle Bürgerinnen und Bürger bereitsteht und niemand aus finanziellen Gründen ausgeschlossen werden muss.

Der AdB fordert seine Mitgliedseinrichtungen auf, weiterhin die gesellschaftlichen Ungleichheiten in Bildungsveranstaltungen sowie gegenüber Politik und Verwaltung zu benennen. Er regt an, verstärkt Menschen mit Armutsrisiko für die Bildungsarbeit zu gewinnen, sie für demokratische Beteiligungsverfahren zu mobilisieren und zu befähigen. Politische Bildung hat auch die Aufgabe, die Ursachen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft und alternative Formen zu einem ausschließlich auf Wirtschaftswachstum basierenden Gesellschaftsmodell aufzuzeigen.
Die Politik und die politischen Akteure werden aufgefordert, Armutsrisiken durch eine gerechte Verteilungspolitik abzubauen und die Beteiligungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger an einer transparenten und dem Gemeinwohl dienenden Politik zu stärken und so eine wirkungsvolle Partizipation aller gesellschaftlichen Gruppen zu garantieren.
Die Fragen nach Armut und Reichtum und nach der Gestaltung eines guten Zusammenlebens in der Gesellschaft ist immer auch eine Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Demokratie, auf nationaler wie auf europäischer Ebene. Der AdB und seine Mitgliedseinrichtungen sind dieser Zukunftsfähigkeit verpflichtet und tragen mit ihren Angeboten politischer Bildung dazu bei, Demokratie als Grundlage einer solidarischen und gerechten Gesellschaft für alle erlebbar zu machen.


Quelle: Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V.
Verabschiedet auf der Mitgliederversammlung des AdB am 25.11.2015 in Tutzing



Schlagworte zu diesem Beitrag: Weiterbildung, Volkshochschule
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 02.12.2015

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024