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Weltlehrertag am 5. Oktober:

Warum wir VHS-Dozent_innen Protestieren

Wir VHS-Dozent_innen werden dramatisch unterbezahlt, erhalten immer nur kurzfristige Honorarverträge und bekommen 600 Euro Rente nach einem Vollzeitarbeitsleben. Wir fordern einen Tarifvertrag!

Europa: Kontinent der Mehrsprachigkeit, der Integration durch Sprachen, des Rechts auf Bildung. Doch Lehrkräfte, die Tag für Tag an Volkshochschulen für diese Ziele der EU arbeiten, werden dramatisch unterbezahlt.

In Berlin sind etwa 600 von insgesamt 3.000 Dozent_innen hauptberuflich an den Volkshochschulen tätig. Sie geben 70 Prozent des VHS-Unterrichts und sind als arbeitnehmerähnlich anerkannt. Sie lehren z. B. Deutsch, Fremdsprachen oder IT und nehmen Prüfungen ab. Sie haben einen akademischen Abschluss, pädagogische und didaktische Qualifikationen und bilden sich regelmäßig weiter. Als Deutschlehrkräfte sind sie für Migrant_innen aus allen Herkunftsländern die ersten Ansprechpartner_innen für das neue Leben in Deutschland. Als Fremdsprachendozent_innen fungieren sie als Brücke zwischen den Kulturen und tragen wesentlich dazu bei, die europäische Integration zu fördern. Als Kursleiter_innen im Bereich IT, Kommunikation, Sport- oder Kunst sichern sie das Recht auf Weiterbildung und eröffnen den Teilnehmer_innen neue berufliche Perspektiven.

Angesichts der Qualifikation und wesentlichen Rolle in der Berliner Bildungslandschaft sollte man meinen,dass die Arbeit der VHS-Dozent_innen entsprechend gewürdigt wird. WEIT GEFEHLT!

VHS-Dozent_innen verdienen miserabel, nicht einmal halb so viel wie angestellte Schullehrer_innen mit vergleichbarer Qualifikation. Selbst bei jahrzehntelanger Vollzeitarbeit werden VHS-Lehrkräfte freiberuflich auf Honorarbasis nur mit kurzfristigen Verträgen eingesetzt und haben keine Personalvertretungsrechte. Bei Krankheit erhalten die arbeitnehmerähnlichen Dozent_innen erst ab dem 4. Tag Geld, aber nur 80% Ausfallzahlung für maximal 6 Wochen im Jahr. Wer in den Ferien krank wird, erhält gar nichts.

Unterbezahlung, Scheinselbständigkeit, Altersarmut – all das im öffentlichen Auftrag!

Der Weltlehrertag am 5. Oktober erinnert an die „Charta zum Status der Lehrerinnen und Lehrer“, die 1964 von der UNESCO und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) angenommen wurde. Die UN-Charta fordert, dass Lehrer_innen aller Schularten zu gleichen Bedingungen beschäftigt werden. Sie sollen bei Krankheit, Invalidität und Arbeitslosigkeit sozial abgesichert sein. Zudem sollen sie Mutterschutz, den Wiedereinstieg nach Erziehungszeiten sowie eine Altersvorsorge erhalten.

Für VHS-Dozent-innen gelten die Standards der UNESCO-Charta offensichtlich nicht!

Derzeit erhalten VHS-Lehrkräfte 26,11 Euro und die hauptberuflichen arbeitnehmerähnlichen VHS-Dozent_innen 32,95 Euro pro Unterrichtseinheit. Das entspricht mit Vor- und Nachbereitung 1,5 Zeitstunden. Was aus dem ersten Blick viel aussieht, ist nach Abzug von Sozialversicherung und Einkommensteuer wenig. Als rentenversicherungspflichtige Selbständige zahlen wir sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. So beträgt die Belastung für das Bruttohonorar ca. 47 %. Nach Abzügen verdienen VHS-Dozent_innen bei Vollzeit ca. 1.300 Euro pro Monat. Rente nach 35 Vollzeitarbeitsjahren: zwischen 400 und 700 Euro pro Monat.

Die Volkshochschulen stellen eine Bereicherung für die Bildungslandschaft der Hauptstadt dar. Ihre Lehrkräfte ermöglichen ein breites und hochwertiges Programm. Ohne uns Dozent_innen wäre das nicht möglich.

Wir rufen den Berliner Senat und alle Berliner Politiker_innen dazu auf, unsere Arbeit endlich finanziell wertzuschätzen. Wir fordern Festanstellung – oder bei Freiberuflichkeit ein Honorar von 60 Euro pro Unterrichtseinheit. Und einen Tarifvertrag.


Infoblatt der VHS-Dozent_innen vom 5. Oktober 2015


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Freiberufler/Selbstständige, Volkshochschule, Integrationskurse
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 04.11.2015

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024