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Verschiebebahnhof Eingliederungstitel

Jobcenter verschieben 2014 über 550 Millionen Euro in die Verwaltung

„Auch unter Arbeitsministerin Nahles bleibt der Verwaltungs- und Personaletat der Jobcenter dramatisch unterfinanziert. Eine 2014 erfolgte leichte Etaterhöhung hat nicht verhindert, dass immer mehr Mittel für Verwaltungskosten umgeschichtet werden müssen.

Verantwortlich für die kontinuierlich steigende Summe ist nicht mehr Personal für die bessere Betreuung von Arbeitslosen, wie häufig behauptet wird. Ursächlich dafür sind steigende Kosten im Bestand, z.B. für das vorhandene Personal, IT- und andere Dienstleistungen oder Energiekosten.“

Das schreibt Brigitte Pothmer, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Sie wollte von der Bundesregierung wissen, in welchem Umfang die Jobcenter in den letzten Jahren die Möglichkeit genutzt haben, Mittel aus dem Eingliederungstitel in den Verwaltungshaushalt zu verschieben.

2014 sind 552,5 Milliarden Euro, die für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen vorgesehen waren, bei den Jobcentern zur Deckung der Verwaltungskosten genutzt worden. Damit hat die Umschichtung bei den Jobcentern „2014 einen neuen Negativrekord erreicht“, so Pothmer. Sie spricht von einem strukturellen Problem.

Seit Jahren erhöhen sowohl die Gemeinsamen Einrichtungen wie auch die Optionskommunen die zu niedrigen Haushaltsmittel für die Verwaltung aus Mitteln der Arbeitsförderung. Bei den Gemeinsamen Einrichtungen stiegen die Mittel für die Verwaltung (2011 bis 2014) von gut 6 Prozent auf fast 14 Prozent des Planansatzes. Bei den Optionskommunen von 5 Prozent auf jetzt 10,8 Prozent. In 4 Jahren hat sich das Finanzloch im Verwaltungsetat verdoppelt.





Und was sagt die Bundesregierung zu dieser Entwicklung?

„ln der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet jedes Jobcenter eigenverantwortlich über die Organisation, Personalwirtschaft, die Art und Weise der Aufgabendurchführung sowie die Mittelverwendung. Es legt dabei auch fest, ob es eine maßnahmenorientierte oder eine eher personal- und betreuungsintensive Eingliederungsstrategie verfolgt. Nach Auffassung der Bundesregierung, die durch mehrere Modelprojekte begründet ist, kann eine erhöhte Betreuungsintensität zu mehr lntegrationen in Arbeit führen. Damit verbunden sind höhere Verwaltungsausgaben, die durch Minderausgaben in entsprechender Höhe bei den Eingliederungsleistungen auszugleichen sind.“ (Antwort der Bundesregierung auf die Frage 8)

Im Einzelfall mag diese Begründung zutreffen. Aber nur, wenn wirklich mehr Personal in die Vermittlungsarbeit investiert wird. Würde die Behauptung der Bundesregierung zutreffen, dann hätten die Jobcenter in den letzten Jahren fast 500 Millionen Euro in mehr Personal für die Vermittlung gesteckt. Haben sie aber nicht.

„Von 2011 auf 2012 ist die Zahl der Beschäftigten in den gemeinsamen Einrichtungen, die sich um die Betreuung von Arbeitslosen und um die Gewährung von Leistungen kümmern, um 10 Prozent gesunken. Seitdem rangiert die Mitarbeiterzahl auf einem annährend gleichen Niveau“, so Pothmer. Die Zahl der Mitarbeiter in den Jobcentern ist nicht gestiegen. Die Zahl der Mitarbeiter für die Integration in den Arbeitsmarkt stieg von 23.491 in 2012 auf gerade einmal 23.535 in 2014. Diese Zahl gilt nur für die Gemeinsamen Einrichtungen. Die Optionskommunen geben keine Zahlen an die Bundesregierung weiter. Die Daten sind wahrscheinlich zu sensibel, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Bereich des SGB II hat sich inzwischen komplett von der Beschäftigungsentwicklung abgekoppelt. Wer das ändern will, muss mehr und auskömmliche Mittel in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen stecken. Der Verwaltungsetat muss die tatsächlich anfallenden Kosten ausgleichen. „Gleichzeitig muss die Arbeitsförderung grundlegend umgebaut werden. Insbesondere für Geringqualifizierte muss das Prinzip ‚Vermittlung vor Weiterbildung‘ dringend ausgesetzt werden, damit sich ihre Chancen auf nachhaltige Arbeit verbessern. Zusätzlich müssen die Beschäftigten in den Jobcentern entlastet werden.“ Da kann man Brigitte Pothmer nur zustimmen.


Hier können sie die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage und die Auswertung von Brigitte Pothmer als pdf-Datei herunterladen.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Erwerbslose, Öffentliche Beschäftigungspolitik
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 04.04.2015