Berufliche Weiterbildung

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Jugendberufsagenturen – ein einheitliches Konzept gibt es nicht

Stellungnahme des LAG Jugendsozialarbeit Bayern

Sogenannte Jugendberufsagenturen (JBA) sollen vor allem junge Menschen unterstützen, die sozial benachteiligt und individuell beeinträchtigt sind und daher meist auch Schwierigkeiten haben, ihren schulischen oder beruflichen Werdegang erfolgreich zu absolvieren. Hierzu benötigt es Leistungen, die zur individuellen Stabilisierung, sozialen Integration sowie zur schulischen und beruflichen Zielerreichung beitragen.

Dies wird durch die in verschiedene Rechtskreise gesplittete Zuständigkeitsverteilung derzeit eher erschwert, weil nicht nur verschiedene Institutionen auf Seiten der Bedarfsfeststellung und Hilfegewährung beteiligt sind. Auch bei der Leistungserbringung und als Kostenträger sind verschiedene Stellen und Einrichtungen beteiligt. Bei den meist vorhandenen multiplen individuellen Problemlagen liegt jedoch ein besonderer Förderbedarf vor, der in der Regel nicht allein aus einem Rechtskreis heraus bearbeitet und somit nicht nur aus einem Rechtskreis heraus finanziert werden kann.

Die Erreichung der Ziele von Jugendhilfe, Arbeitsförderung und Grundsicherung würde es daher befördern, wenn die Kooperation und das Zusammenwirken aller Beteiligten an der individuellen und sozialen sowie beruflichen und schulischen Integration erleichtert werden würde. Zu diesem Zweck eignen sich grundsätzlich sog. Jugendberufsagenturen, die es in sehr verschiedenen Ausprägungen an vielen Orten in Deutschland bereits gibt. Dazu haben auch die insgesamt positiven Erfahrungen der sog. „Arbeitsbündnisse Jugend und Beruf“ beigetragen, die in den letzten Jahren bundesweit mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten erprobt und auch in Bayern an vier Standorten ins Leben gerufen wurden.

Um die Entwicklung von geeigneten Arbeitsformen vor Ort zu befördern, muss eine gemeinsame Initiative erfolgen, die es im Rahmen einer „bottom up- Strategie“ ermöglicht, passgenau Lösungen zu erproben und dabei Erfolgskriterien zu identifizieren, die zur weiteren Verbreitung und Implementierung von JBA unter der Regie der öffentlichen Träger der Jugendhilfe, jedoch unter Beteiligung der örtlichen freien Träger der Jugendhilfe verwendet werden können.

Wenig sinnvoll bei der Befassung mit JBA ist eine alleinige Orientierung an dem sog. Hamburger Modell, da im Stadtstaat Hamburg die komplette Umgestaltung des Schul- und Übergangssystems im Mittelpunkt stand und dort ganz andere Kooperationsstrukturen möglich sind als z.B. in einem Flächenstaat wie Bayern. Demgegenüber muss es in Bayern wohl eher darum gehen, Wege zu einer gelingenden Kooperation aufzuzeigen, sie verbindlich vorzusehen, sie durch geeignete Anreize anzuregen und dafür Gelingensfaktoren zu beschreiben. Dabei sollte auf regional verortete und passende Umsetzungsformen Wert gelegt werden, die vor allem eine Beteiligung aller relevanten Akteure unter der Regie der öffentlichen Träger der Jugendhilfe gewährleisten, ihre engere Kooperation auch rechtlich zu verankern und die gemeinsame Finanzierung von Leistungen nach derzeit immer noch unterschiedlichen Logiken der einzelnen Sozialgesetzbücher (besonders SGB II, III, VIII aber auch IX und XII) befördern.

Hintergründe zur Arbeit von Jugendberufsagenturen

Jugendberufsagenturen sind im Koalitionsvertrag auf Bundesebene seit 2013 festgeschrieben. Sie sollen bundesweit und flächendeckend eingeführt werden, wobei es derzeit kein einheitliches Konzept gibt, das zu diesem Zweck etwa rechtliche Vorgaben, Finanzierungsmittel oder konzeptionelle Eckpunkte beschreiben würde. Deshalb gibt es auch bis jetzt für den Überbegriff Jugendberufsagenturen keine feste Definition. Geplant ist auch kein Einheitsmodell, es befinden sich (neben Hamburg) verschiedene Modelle auf dem Markt (wie z.B. Haus der Berufsfindung München IBZ, Jugend-Job-Center Düsseldorf, Regsam Bielefeld, Jugendberufsagentur München, Juwel München)

Dabei geht es meist um gleiche oder ähnliche Ziele:
  • Bündelung der Leistungen nach SGB II, III und VIII für U-25-Jährige
  • Verbesserung der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit – Harmonisierung/ Vernetzung/ Anschlussfähigkeit der Angebote
  • Koordinierte Leistungserbringung
  • gemeinsame Finanzierung von Leistungen
  • Reibungsverluste minimieren
  • One-stop-government (unter einem Dach im städtischen Kontext/ Hand-in-Hand im ländlichen Raum; also unter einem Dach bzw. räumlich koordiniert)
  • Erleichterung des notwendigen Informationsaustausches/ Datenschutzrechtliche Klarstellung

Sehr unterschiedlich ist jedoch die Ausgestaltung vor Ort, vor allem beim Vergleich städtischer Ausprägungsformen und Umsetzungen im ländlichen Bereich. Es fehlen daher auch einheitliche Leitbilder für JBA. Ebenso haben sich auch die Arbeitsbündnisse vor Ort sehr regionalspezifisch oder themengeleitet entwickelt. Sie haben jedoch auch gezeigt, dass die Ausgestaltung der Kooperation in JBA oder auch in Arbeitsbündnissen von den Beteiligten vor Ort aufgrund der regional sehr unterschiedlichen Bedürfnisse, Angebote, Strukturen, Kooperationsformen geleistet werden muss. Überall dort, wo die Anbindung und Kooperation mit der Jugendhilfe nicht oder nur schlecht realisiert worden ist, sind die JBA zum Scheitern verurteilt, weil angesichts der tatsächlich existierenden Problemlagen junger Menschen an der Schwelle zu Arbeit, Ausbildung und Beruf ohne eine Einbeziehung der Jugendhilfe auf Augenhöhe keine umfassende Hilfe geleistet werden kann. Dies gilt für den Teil, den öffentliche Träger zu leisten haben (wie z.B. Jugendhilfeplanung, Bedarfsfeststellung, Hilfeplanung, Hilfegewährung usw.) ebenso wie für Leistungen, die freie Träger der Jugendhilfe erbringen (mit der Konzeption passgenauer Angebote der Jugendsozialarbeit, mit der Gewinnung und Qualifizierung des Personals, mit der Schaffung nötiger Rahmenbedingungen für die Hilfeleistung wie z.B. dem Vorhalten von Jugendwerkstätten oder von Angeboten assistierter Ausbildung).

Problemanzeigen aus bisherigen Erfahrungen

Eine Fokussierung auf Vermittlung in Ausbildung und Arbeit verstellt häufig den Blick auf andere, für den einzelnen jungen Menschen aber zentrale oder gar vorrangige Problemlagen in der Lebenssituation (Krankheit, Wohnungsnot, Sucht, Schulden, mangelnde Handlungskompetenzen im lebenspraktischen Bereich, fehlende Vorbilder, Konflikte mit Eltern, Partner(in) usw.).

Dazu verfügt die Jugendhilfe aufgrund ihres speziellen Selbstverständnisses und Auftrags über ein ausgefeiltes Instrumentarium, das dort, wo es gebraucht wird, auch zum Einsatz kommen muss. Den Vorgehensweisen in der Jugendhilfe liegt auch eine andere professionelle Haltung zugrunde. Im Verbund mit den anderen zuständigen Stellen kann sie ihre Wirkung erst voll entfalten, wenn ein eng an den Bedürfnissen des Einzelnen ausgerichtetes und gemeinsam mit ihm abgestimmtes Handlungskonzept professionell umgesetzt wird. Dieses Mehr an Lebensweltorientierung durch die engere Kooperation und die Regie der Jugendhilfe befördert dann auch die Arbeitsmarktorientierung.

Eine Herausforderung für die Kooperation innerhalb von Jugendberufsagenturen bleibt das gemeinsame Austarieren, welche Leistung, in welchem Umfang, durch wen erbracht und von wem finanziert wird. Hierzu fehlen aus Sicht der LAG JSA seit langem die nötigen klaren und leicht handhabbaren Kooperations- und Finanzierungsnormen. Sie müssen derart gestaltet sein, den zuständigen Behörden die Zusammenarbeit und die gemeinsame Leistungsgewährung zu ermöglichen. Sie müssen es aber auch den Leistungserbringern ermöglichen, sinnvolle Konzeptionen zu entwickeln, diese professionell zu realisieren, dazu die nötigen Ressourcen vorhalten zu können und ihre Arbeit auskömmlich zu finanzieren.

Ansonsten optimieren JBA, konzipiert und eingerichtet als gemeinsame Verwaltungsstellen womöglich unter einem Dach, im besten Sinne nur Verwaltungsabläufe und -strukturen.

Zentralistisch organisiert und eingebunden in die Strukturen und Abläufe der BA machen sie wenig Sinn. Vielmehr müssen sie an lokalen Gegebenheiten vor Ort ausgerichtet und im Verbund organisiert werden. Dabei ist eine jugendhilfeorientierte und damit individuelle Orientierung am einzelnen jungen Menschen und seinen Bedarfen eine ebenso wichtige Prämisse wie abgestimmte Vorgehensweisen in einer verlässlichen Kooperationsstruktur mit gemeinsamen Zieldefinitionen.

Eine flächendeckende Einführung von JBA macht allerdings nur Sinn, wenn die Bedarfe vor Ort dies erfordern und auch die nötigen Angebote und Einrichtungen dann zur Verfügung stehen bzw. für junge Menschen auch erreichbar sind.

Eingehalten werden müssen auch die Regeln des Datenschutzes. Noch herrscht die Sorge bei Jugendhilfe und Jugendsozialarbeit vor, dass es zu einer Zweckentfremdung einzelfallbezogener, vertraulicher Daten der Jugendhilfe kommen könnte, um die derzeit leider immer noch übliche Sanktionspraxis der Arbeitsverwaltung zu hinterlegen. Im Interesse der Klientinnen und Klienten braucht es jedoch zur Ermöglichung einer reibungslosen Zusammenarbeit zwischen den Stellen, die mit einem Jugendlichen arbeiten, eine Möglichkeit zur Weitergabe solcher personenbezogener Daten, die zur effektiven Aufgabenwahrnehmung unerlässlich sind.

Als wichtige Erfolgskriterien haben sich bei der Einrichtung und dem Vergleich verschiedener Praxen von JBA folgende Aspekte erwiesen:
  • Eine regieführende Stelle, die die Abläufe und den Einsatz der Maßnahmen i.S. des jungen Menschen im Blick hat
  • gute Zusammenarbeit mit konkreten Kooperationsvereinbarungen,
  • geklärte Abläufe und Schnittstellen,
  • ein gemeinsames Bewusstsein bei der Aufgabenwahrnehmung,
  • gegenseitige Gremienteilnahme
  • Schule als weiterer Kooperationspartner sinnvoll – Einbindung notwendig
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit
  • Wahrnehmung und passgenauer Einsatz der Fähigkeiten und Angebote der Kooperationspartner


Quelle:
„Jugendberufsagenturen flächendeckend einrichten“
Stellungnahme der LAG Jugendsozialarbeit Bayern
zur flächendeckenden Einführung von Jugendberufsagenturen (JBA) sowie zur Einschätzung konkreter Umsetzungsmöglichkeiten, insbesondere zur Beteiligung der Jugendämter

Die vollständige Stellungnahme können Sie hier als pdf-Datei herunterladen.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Ausbildung, Öffentliche Beschäftigungspolitik
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 03.01.2015