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Bildungsurlaub auch für Auszubildende in NRW

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auszubildenden den Zugang zur Arbeitnehmerweiterbildung ermöglichen

I.


Im §1 Absatz 4 des „Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz“ (AWbG) heißt es zu den wesentlichen Grundsätzen: „Politische Arbeitnehmerweiterbildung verbessert das Verhältnis der Beschäftigten für gesellschaftliche und politische Zusammenhänge und fördert damit die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf.“
Das Land NRW gehört bislang zu den Bundesländern, in dem Auszubildende noch keinen Anspruch auf Bildungsurlaub gemäß dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz haben.

Derzeit ist es lediglich Auszubildenden in betrieblichen Funktionen als Jugend- und Auszubildendenvertreterinnen und –vertretern möglich, eine bezahlte Freistellung für Weiterbildungszwecke zu erhalten. Alle anderen Jugendlichen in Ausbildung sind von dieser Form der politischen Weiterbildung ausgenommen.

Wenn immer wieder die politische Unkenntnis bzw. Uninteressiertheit und/oder Politikverdrossenheit der Jugendlichen thematisiert wird, dann sollten alle Maßnahmen ergriffen werden, die die (gesellschafts-)politische Information und Bildung aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen fördern.

Jugendliche und junge Erwachsenen, die an schulischem oder beruflichem Vollzeitunterricht teilnehmen, erhalten in der Schule das Angebot zu politischer Bildung. Wenn wir allen jungen Menschen gleiche Chancen eröffnen wollen, ist es geboten, für Jugendliche in Ausbildung eine entsprechende Möglichkeit sicher zu stellen.

Demokratie muss immer wieder neu gelernt werden.
Politische Weiterbildung als Identitätsfindungs- und -entwicklungsprozess von Werten ist gerade für junge Menschen sehr wichtig. Daher wollen wir, dass junge Menschen, insbesondere Auszubildende, an Prozess der politischen Willensbildung teilhaben können. Zur Unterstützung, um eine aktive gesellschaftliche Rolle zu übernehmen und an demokratischen Entscheidungsprozessen zu partizipieren, ist die Einbeziehung von Azubis in NRW in das AWbG mehr als überfällig.

Unter Berücksichtigung der im dualen System an der Berufsschule angesetzten Zeit ist für die Auszubildenden eine verkürzte Anspruchszeit anzusetzen. Es soll ermöglicht werden, dass Auszubildende im Rahmen ihrer gesamten Ausbildung auch zusammenhängend eine Woche Bildungsurlaub nehmen können, um z.B. an einer Auschwitzfahrt teilnehmen zu können.

II.

Die Zusammenarbeit der verantwortlichen Akteure im AWbG ist von großem Einvernehmen geprägt.

Der Landtag bittet die Landesregierung daher, mit den Beteiligten im AWbG den Diskurs aufzunehmen, um einen Gesetzentwurf vorzulegen, der vorsieht, dass auch Auszubildende mit eingetragenem betrieblichem Ausbildungsverhältnis in Nordrhein-Westfalen anspruchsberechtigt im Sinne des AWbG sind.“


Stellungnahme von ver.di NRW zum vorliegenden Antrag

Auszubildenden den Zugang zur Arbeitnehmerweiterbildung ermöglichen


  1. ver.di begrüßt die unten dokumentierte Initiative, Auszubildende in den Geltungsbereich des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes (AWbG) aufzunehmen.

  2. Die im Antrag angeführte Begründung, durch politische Bildungsmaßnahmen zur Förderung des demokratischen Gemeinwesens beizutragen, wird von ver.di geteilt.

  3. Aber auch die im AWbG enthaltene Förderung der beruflichen Weiterbildung zur Steigerung der beruflichen Handlungskompetenz, ist für viele Auszubildende relevant. Leider findet sich dieser Aspekt nicht im Antragstext.

  4. ver.di spricht sich dafür aus, den Auszubildenden identische Bildungsansprüche wie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Beamtenanwärter/-innen zuzubilligen, also 5 Ausbildungstage im Kalenderjahr.

  5. Damit die anerkannten Einrichtungen der Arbeitnehmerweiterbildung und die Jugendverbände entsprechende kostengünstige Bildungsangebote für die Auszubildenden machen können, sind die Landesmittel für das AWbG und den Kinder- und Jugendförderplan des Landes Nordrhein-Westfalen zu erhöhen.

Begründungen:


Zu 1:

ver.di setzt sich für die Interessen aller Auszubildenden in ihrem Zuständigkeitsbereich ein.

Die ver.di-Landesbezirkskonferenz hat auf Antrag der Landesbezirksjugendkonferenz 2011 wie folgt beschlossen:

„ver.di macht ihren wirtschaftlichen und politischen Einfluss geltend, um den Arbeitnehmerweiterbildungsurlaubsanspruch (AWbG) auch für Auszubildende zu ermöglichen.“

Entsprechende Beschlusslagen gibt es auch langjährig von vielen gewerkschaftlichen Gremien.

Zu 2:

Wer Verantwortung in unserer Gesellschaft übernehmen will, braucht Wissen und Fähigkeiten, die die politische Arbeit und die Zusammenarbeit mit anderen ermöglichen. In diesem Sinne ist Arbeitnehmerweiterbildung Persönlichkeitsentwicklung und ein Ausgangspunkt für gesellschaftlichen Fortschritt.

Der ver.di-Landesbezirk NRW stellt ein großes Interesse der Auszubildenden an der von ihr angebotenen Seminarreihe „Gesellschaftspolitische Seminare“ fest. In drei Wochenseminaren werden eigene Lebensvorstellungen entwickelt und Basiswissen über die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge erarbeitet.

Auch die gewerkschaftlichen Seminarangebote zur Alltagsdiskriminierung und gegen Rechtsextremismus zeigen, dass es bei Auszubildenden eine Bereitschaft zur politischen Auseinandersetzung gibt.

Häufig ist die Teilnahme an gewerkschaftlichen Bildungsangeboten während der Ausbildung der Grundstein für eine das gesamte Berufsleben durchziehende Weiterbildungsbeteiligung.

Zu 3:

In vielen Ausbildungsverhältnissen kommen Schlüsselkompetenzen zu kurz. Die gewerkschaftlichen Seminarangebote zur Rhetorik, Kommunikation und Präsentation erfreuen sich aus diesem Grund auch bei Auszubildenden großer Beliebtheit. Gleiches gilt für die gewerkschaftlichen Angebote zur Prüfungsvorbereitung. Immer wieder wird auch der Bedarf nach gezielten Fremdsprachenangeboten formuliert, z.B. in globalen Unternehmen, aber auch mit speziellem Branchenvokabular.

In vielen Unternehmen werden gewerkschaftliche Angebote von den gesamten ersten Ausbildungsjahren genutzt, in denen Teamentwicklung und Zusammenarbeit mit den betrieblichen Interessenvertretungen im Vordergrund stehen.

Zu 4:

Bildungsarbeit und die Schulung Ehrenamtlicher brauchen Zeit. Viele Maßnahmen und Angebote können nicht realisiert werden, wenn sie auf die Freizeit an den Wochenenden und Abendenden begrenzt bleiben. Bildungsfreistellung

erleichtert es Auszubildenden, Angebote auch an Werktagen wahrzunehmen und mit ihren vielfältigen Interessen und Anforderungen in Einklang zu bringen.

In folgenden Bundesländern haben Auszubildende einen Anspruch auf 5 Tage Bildungsurlaub, z.T. nach Ablauf der Probezeit von 6 Monaten:

  • Brandenburg,
  • Bremen,
  • Hamburg,
  • Hessen,
  • Mecklenburg-Vorpommern,
  • Niedersachsen,
  • Saarland,
  • Sachsen-Anhalt und
  • Schleswig-Holstein.

In Berlin können unter 25jährige Auszubildende sogar 10 Tage im Jahr beanspruchen.

In Rheinland-Pfalz entsteht ein Anspruch von 3 Tagen in der gesamten Ausbildungszeit nach Ablauf des ersten Ausbildungsjahres. Sollte der Antrag so zu verstehen sein, dass sich NRW an Rheinland-Pfalz orientieren will, würde der schlechteste Standard bei den gesetzlichen Bedingungen zur Bildungsfreistellung in Bezug genommen! Schlechter sind nur noch die Bundesländer ganz ohne Bildungsurlaubsgesetze, aktuell Baden-Württemberg (rot-grün will Arbeitnehmerweiterbildung einführen), Bayern, Sachsen und Thüringen.

Zahlreiche tarifliche und betriebliche Regelungen – vor allem in Großbetrieben –stellen die Weiterbildung der Auszubildenden sicher. Tarifliche Regelungen existieren im Organisationsbereich von ver.di z.B. für die Auszubildenden der Post AG und der Telekom AG, jeweils bis zu sechs Arbeitstage im Kalenderjahr. Bekannt ist ebenfalls der tarifliche Anspruch von fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr bei der DB AG.

Gewerkschaftliche Angebote werden heute schon während der berufsschulfreien Zeiten angeboten und garantieren die Kompatibilität zur eigentlichen Ausbildung.

Ein einheitliches Freistellungsvolumen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Auszubildende eröffnet den Auszubildenden die gesamte Breite des vorhandenen fünftägigen Bildungsangebotes, ergänzt um ausbildungsspezifische Angebote. Damit wird auch gemeinsames Lernen der Generationen unterstützt.

In einem einheitlichen Freistellungsvolumen für Auszubildende dokumentiert sich auch die Gleichbehandlung zu den anderen Beschäftigungsgruppen. So können Beamtenanwärterinnen und –anwärter bereits langjährig einen fünftägigen Sonderurlaub jährlich in Anspruch nehmen.

Zu 5:

Die finanziellen Möglichkeiten von Jugendverbänden und anerkannten Einrichtungen der Arbeitnehmerweiterbildung sind ebenso begrenzt, wie die Ausbildungsvergütungen der Auszubildenden. Deshalb bedarf es des Einsatzes von Landesmitteln, um entsprechende Angebote und Kapazitäten bereit zu stellen.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Weiterbildung, Ausbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 20.08.2013