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Marktpreise bei Arbeitsmarktdienstleistungen gibt es nicht

Ulrich Rauter bezeichnet das Wettbewerbsverfahren der Bundesagentur für Arbeit (BA), bei dem zunächst Ablaufbeschreibungen einer Maßnahme betrachtet werden und dann der Preis das entscheidende Vergabekriterium darstellt, als Fetisch. Am Ende wird nicht die Qualität der erbrachten Dienstleistung bewertet. Ausschlaggebend sind Konzepte, die nach mehreren Ausschreibungsrunden zum Teil wortgleich ausfallen. Daher taugen sie nicht zur Differenzierung der angebotenen Leistung. Die tatsächlich in der Vergangenheit erbrachte Leistung, die sich in beruflichen Abschlüssen Vermittlungszahlen usw. messen lässt, spielt bei der Vergabe eine Rolle.

„Es gibt Prüfungsergebnisse, es gibt Vermittlungszahlen, aber mit Blick darauf, dass allen, auch Fremden, neue Marktzugänge eröffnet werden müssen und noch nicht für alle Träger Kennziffern über ihre Erfolge in der Vergangenheit vorlagen, ist nach meinem Kenntnisstand der gesamte historische Hintergrund in dem Bewertungsverfahren förmlich nicht berücksichtigt worden“, so Rauter.

Am Ende des Verfahrens zählt nur noch der Preis. Und das geht so:

„Eine Qualitätsprüfung, die sich ausschließlich am Wortlaut der Konzepte orientiert, ist keine Qualitätsbewertung. Die Offizialstimme der Einkaufspolitik besagt, dass Qualität im Vergabeverfahren an erster Stelle steht und mit 55 Prozent bewertet wird. Aber wenn es die Unterscheidungsmerkmale gar nicht mehr gibt, weil es sich quasi um das Lesen von ‚Seminararbeiten‘ handelt, von Leuten, die in einem Raum nebeneinander sitzen und voneinander abschreiben, ist es einfach nur ein seriöser fachlicher Hinweis, wenn ich sage: Man sollte bei dem Verfahren nicht mehr von Qualitätsvergleichen sprechen.

Wenn wir die Qualitätsdifferenzierung praktisch nivellieren, bleibt nur der Punkt Preis übrig. Alle Ablehnungen, die wir bekommen haben, enthielten als Begründung die Formulierung ‚überdies liegt der zugeschlagene Preis unter dem von Ihnen angebotenen Preis‘. Das heißt alle Angebote, die jetzt den Zuschlag bekommen haben, haben uns preislich unterboten, obwohl wir eine fünfprozentige Preissenkung angeboten haben. Wir lagen sogar außerhalb des so¬genannten ‚Preis-Korridors‘.“

Das Verfahren bevorzugt Bildungsträger, die sich entweder durch Subventionen aus anderen Teilen eines großen Unternehmens finanzieren oder Anbieter, dir für jeden Preis in den Markt wollen, Lohndumping eingeschlossen.

„Im wörtlichen Sinne ‚Marktpreise‘ hat es hier in diesem Bereich noch nirgendwo gegeben. Und das Vergabeverfahren ist auch gar nicht in der Lage Marktpreise nach einem ökonomischen Modell zu ermitteln. Die einen haben bis jetzt Subventionen verbrannt, die anderen bringen ihren Klingelbeutel mit, andere sind ‚echte Dumper‘, die Geld mitbringen, weil Sie in den Markt wollen, oder tatsächlich darauf setzen, dass sie auch unterhalb des Mindestlohnniveaus immer noch Personal finden, und an keiner langfristigen Perspektive interessiert sind.“

Das gegenwärtige Vergabeverfahren der BA fördert Lohndumping und quersubventionierte Angebote, die sich nur große Unternehmen leisten können. Eine Bewertung der tatsächlich erbrachten Qualität einer Maßnahme wird nicht berücksichtigt. Wenn nicht noch mehr seriöse regionale Träger Opfer dieser Politik werden sollen, dann muss die BA dieses Verfahren schnellstmöglich aufgeben.


Das vollständige Interview finden sie in der Ausgabe 4/2011 des Magazins der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 22.02.2012