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Umsetzung des ILO-Übereinkommens 140 über den bezahlten Bildungsurlaub

Flächendeckende Daten über die Nutzung von Bildungsurlaub werden von den Ländern nicht erhoben. Auch die Erhebungsmethoden sind unterschiedlich und nicht direkt vergleichbar. Im Allgemeinen liegen nur absolute Teilnehmerzahlen über die genutzten Bildungsurlaubsangebote vor. Da die Bundesländer sehr unterschiedliche Einwohner- und Beschäftigtenzahlen aufweisen, ist ein direkter Vergleich zwischen den Bundesländern nicht möglich.

Erkenntnisse über die volkswirtschaftlichen sowie betriebswirtschaftlichen Kosten und Nutzen von bezahlten Bildungsurlauben liegen auf Bundesebene nicht vor. Wenn überhaupt, werden die Daten von einzelnen Bundesländern nach sehr unterschiedlichen Kriterien erhoben.

Auf die Frage, warum Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen haben bislang keine gesetzliche Regelung zum Bildungsurlaub haben, gaben die betroffenen Länder folgende Stellungnahme ab:

“Baden-Württemberg
Baden-Württemberg hat dieses Übereinkommen nicht ratifiziert und sieht deshalb auch keinen formalen Handlungsbedarf. Die Zuständigkeit für Bildungsfreistellung („Bildungsurlaub“) liegt bei den jeweiligen Bundesländern. Die baden-württembergische Bildungspolitik sieht die Bedeutung des lebenslangen Lernens. Im Rahmen der vom Landtag Baden-Württemberg eingerichteten Enquête-Kommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – Berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ wurden im Jahr 2010 konkrete Handlungsempfehlungen für das Land erarbeitet. Weiterhin richtet die Landesregierung im Jahr 2011 ein Bündnis für lebenslanges Lernen ausAkteuren der Weiterbildung ein, das die Handlungsempfehlungen der Enquête-Kommission im Bereich des lebenslangen Lernens umsetzen soll.

Darüber hinaus begrüßt die Landesregierung ausdrücklich auch Übereinkommen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern im Hinblick auf die (Weiter-) Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie beispielsweise im Qualifizierungstarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg vom 19. Juni 2001. Auch begrüßt und unterstützt sie die vielfältigen formalen, non-formalen und informellen Lernaktivitäten der Bürgerinnen und Bürger. Nach der letzten länderspezifischen Auswertung des Berichtsystems Weiterbildung (BSW) aus dem Jahr 2007 für Baden-Württemberg ist die Weiterbildungsteilnahme in Baden-Württemberg im allgemeinen Weiterbildungsbereich überdurchschnittlich, im beruflichen Bereich liegt sie im Bundesschnitt.

Bayern

In Bayern ist der Anspruch auf bezahlten Bildungsurlaub nicht gesetzlich geregelt. Die Freistellung während der Arbeitszeit für Bildungszwecke kann und sollte zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbart werden. Dieses Verfahren entspricht den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten in Deutschland, die die Regelung wesentlicher Aspekte der Arbeitsverhältnisse durch die Tarifvertragsparteien vorsehen. Darüber hinaus sieht sich Bayern nicht in der Verantwortung, die Umsetzung des vom Bund ratifizierten ILO-Übereinkommens sicherzustellen.

Sachsen

Nach den der Staatsregierung bekannten Untersuchungen (aktuelle Förderzahlen des Bundes zur Inanspruchnahme der Bildungsprämie, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung „Trends der Weiterbildung“ 2008, Marktforschungsunternehmen TNS Infratest Sozialforschung „Weiterbildung in Sachsen“ – Sonderauswertung des Berichtssystems Weiterbildung 2004) führt das Instrument des Bildungsurlaubes nicht zu erhöhter Beteiligung an Weiterbildung. Beschäftigte in Sachsen beteiligen sich im innerdeutschen Vergleich auch ohne Bildungsurlaub überdurchschnittlich an Weiterbildung. International gibt es im Vergleich zu Ländern, die aufgrund zwingender gesetzlicher Regelungen eine höhere Weiterbildungsbeteiligung aufweisen, keinerlei Hinweise für eine bessere wirtschaftliche Entwicklung oder ein höhere Lebenszufriedenheit. Bildungsurlaub greift zudem nicht bei besonders effizienten Formen der Weiterbildung wie Erfahrungsaustausch, Fachworkshops, Fachzeitschriften u. Ä.

Da das Ausmaß des künftigen Bildungsnutzens wie auch dessen Verteilung auf Arbeitgeber, Bildungsteilnehmer und ggf. Dritte zum Zeitpunkt der Bildungsentscheidung häufig für die Beteiligten kaum prognostizierbar ist, hält die Staatsregierung eine geeignete und möglichst unbürokratische Förderung der Weiterbildung für ein wirksames Instrument, um eine hohe Weiterbildungsbeteiligung zu erreichen. Auf die geplante Einführung des so genannten Individuellen Förderverfahrens im Rahmen der ESF-Richtlinie „Berufliche Bildung“ wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Dies soll ergänzend zur bereits etablierten Bildungsprämie des Bundes, Erwerbstätige bei der Weiterbildung individuell unterstützen. Der Programmstart ist für das Jahr 2011 vorgesehen. Zugleich wird durch diese Förderansätze die Eigenverantwortung der Unternehmen und der Beschäftigten gestärkt.

Eine gesetzliche Regelung zum Bildungsurlaub wird von der Staatsregierung als unnötiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit erachtet. Dies würde insbesondere die von der Wirtschaft ohnehin schon als zu hoch angesehene staatliche Reglementierung unnötigerweise erhöhen. Die Staatsregierung arbeitet an der Reduzierung von Vorschriften, Gesetzen und Verordnungen, um Ansiedlung und Fortentwicklung von Unternehmen weiter zu fördern.

Thüringen

Das Bundesland Thüringen hat bisher noch kein eigenes Bildungsurlaubsgesetz erlassen. Eine Begründung hierfür wurde gegenüber der Bundesregierung nicht angegeben.“


Quelle: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 17/4786

Die vollständige Antwort enthält umfangreiches Tabellenmaterial. Sie kann hier als pdf-Datei heruntergeladen werden.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 16.03.2011