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Ohne Weiterbildung droht die Kündigung

Arbeitnehmer müssen sich im Zweifelsfall selbst darum kümmern, dass sie mit der zunehmenden Technisierung im Job mithalten können. In den Tarifbereichen der IG Metall gibt es zwar vielfach Tarifverträge, die das Thema Weiterbildung regeln und den Zugang erleichtern. Dennoch gilt auch im Organisationsbereich der IG Metall: Das Thema Weiterbildung ist noch nicht bei allen Arbeitnehmern in seiner Bedeutsamkeit angekommen. Eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in Schleswig-Holstein zeigt, wie Weiterbildung auch gegen Entlassungen wirkt.

Selbst die dienstältesten Mitarbeiter eines Unternehmens sind in der Wirtschaftskrise nicht gefeit vor einer Kündigung. Das gilt insbesondere dann, wenn sie den Anforderungen im Betrieb nicht so gut gewachsen sind wie andere Kollegen. Das geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein hervor, das jetzt bekannt wurde (Aktenzeichen: 3 Sa 153/09).

In dem Fall war dem 54-jährigen Mitarbeiter einer Kfz-Werkstatt nach 40 Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigt worden. Der Anlass für die Kündigung war ein Umsatzeinbruch um 70 Prozent. Von den insgesamt drei Angestellten der Werkstatt hatte der Kläger die längste Betriebszugehörigkeit und das höchste Lebensalter. Er war verheiratet und hat eine 21-jährige Tochter. Der Arbeitgeber entschied sich bei der Kündigung für ihn und nicht für einen der beiden anderen Mitarbeiter, weil der Kläger als Einziger der drei keinen Ausbildungsberuf erlernt hatte, unter einer Lese- und Rechtschreibschwäche litt und infolgedessen auch keinen Computer bedienen konnte. Darüber hinaus besaß er keinen Führerschein.

Der Kläger hielt die Kündigung für unzulässig. Doch schon vor dem Arbeitsgericht in der ersten Instanz hatte er keinen Erfolg. Jetzt scheiterte er auch vor dem Landesarbeitsgericht. Die Richter stellten fest, dass die Kündigung nicht gegen Treu und Glauben verstoße.

"Eine lange Betriebszugehörigkeit, ein hohes Lebensalter sowie sonstige Tatsachen, die eine Person als sozial schwachen Arbeitnehmer ansehen lassen, sind nicht bereits an sich geeignet, eine Kündigung als unwirksam einzuordnen", heißt es in der schriftlichen Urteilsbegründung. Andernfalls würde "allein durch Zeitablauf" ein Arbeitnehmer in die Unkündbarkeit hineinwachsen.

Im konkreten Fall war das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar, weil es erst bei Betrieben ab fünf Mitarbeitern gilt (ab zehn Mitarbeitern bei Arbeitsverhältnissen, die nach 2003 begonnen haben). Doch selbst wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar gewesen wäre, würde nichts anderes gelten, stellten die Richter klar: "Eine gesetzliche Regelung, die ab einem bestimmten Lebensalter und einem bestimmten Zeitablauf gesetzliche Unkündbarkeit herbeiführt, existiert nicht."

Der gekündigte Arbeitnehmer könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber ihn hätte schulen müssen. Er sei "für sich selbst verantwortlich", schreiben die Richter. Daher sei es nicht Aufgabe des Arbeitgebers gewesen, "ihn im Laufe der 40-jährigen Betriebszugehörigkeit auf die zunehmende Technisierung vorzubereiten und entsprechend aus- und fortzubilden".


"Persönliche Einschränkungen"

Der Mitarbeiter hätte in den vergangenen Jahren erkennen können, "dass der Einsatz komplizierter technischer Geräte zunehmend auch bei seinem Arbeitgeber erforderlich wurde und von den beiden anderen Arbeitskollegen erfolgte", heißt es weiter. "Er konnte sich daher nicht darauf verlassen, dass er von entsprechenden Anforderungen an seine Arbeitsleistung stets ausgenommen würde."

Abgesehen davon war für die Richter "nicht ansatzweise ersichtlich, wie eine Vorbereitung durch den Beklagten hätte aussehen sollen". Der Arbeitnehmer habe schließlich unstreitig "persönliche Einschränkungen". Das Gericht betont, dass für die fehlende Weiterqualifikation nicht der Arbeitgeber verantwortlich gemacht werden könne. "Das wäre die ureigene Aufgabe des Klägers selbst gewesen."


Fortbildung nicht immer Sache des Arbeitnehmers

Nach Ansicht von Martina Perreng, Arbeitsrechtsexpertin beim Deutschen Gewerkschaftsbund, kann man aus dem Urteil allerdings nicht schließen, dass Fortbildung generell Sache des Arbeitnehmers ist. "Wenn es neue Anforderungen sind, die der Arbeitgeber stellt, muss er seine Mitarbeiter schulen", sagt sie. Das sieht auch Hans-Peter Löw, Partner der Kanzlei Lovells, so. "Das Gericht stellt lediglich klar, dass sich der Arbeitnehmer, dessen Stelle wegfällt, nicht darauf berufen kann, dass er auch einen anderen Arbeitsplatz hätte einnehmen können, wenn nur der Arbeitgeber ihn hinreichend weitergebildet hätte."


Quelle: WAP, Homepage der IG Metall


Hier können Sie das vollständidge Urteil einsehen.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Weiterbildung, Berufliche Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 16.08.2010