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Analysen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik

40 Jahre Arbeitsförderungsgesetz: Forscher empfehlen mehr berufliche Bildung



Bildung ist der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit - unter dieser Maxime trat vor 40 Jahren, am 1. Juli 1969, das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in Kraft. Doch in den vergangenen Jahren haben sich die Schwerpunkte der aktiven Arbeitsmarktpolitik in eine problematische Richtung verschoben. Zu diesem Schluss kommen aktuelle Analysen zum AFG-Jubiläum. Statt, wie ursprünglich beabsichtigt, die Qualifikation von Arbeitslosen zu schützen und zu verbessern, soll "die Annahme jedweder Arbeit das Ziel einer erfolgreichen Vermittlung sein", skizziert Claudia Bogedan, Arbeitsmarktexpertin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung, die Entwicklung seit 2002. Die aktive Arbeitsmarktpolitik in Deutschland bleibe unter ihren Möglichkeiten - auch, weil dafür deutlich weniger Geld aufgewendet werde als in einigen Nachbarländern und der Staat lange Zeit auf flankierende wirtschaftspolitische Programme zu Belebung der Wirtschaftsdynamik verzichtet habe, resümiert Bogedan.

Wie sich Instrumente und Ziele der aktiven Arbeitsmarktpolitik in den vergangenen 40 Jahren entwickelt haben, untersuchen Frank Oschmiansky und Mareike Ebach, Arbeitsmarktforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB): Anfang der 70er Jahre setzte die Bundesanstalt für Arbeit den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf Fortbildung und Umschulung. 1971 gaben die Arbeitsämter dafür doppelt so viel aus wie fürs Arbeitslosengeld. Der Anteil an den Gesamtausgaben für Arbeitsmarktpolitik lag zeitweilig bei mehr als 30 Prozent. Grundlage für die Qualifikationsoffensive war das neue AFG, das eine aktive Arbeitsmarktpolitik etablierte. Das Ziel: Beschäftigte nicht nur im Falle eines Jobverlusts finanziell abzusichern, sondern vorbeugend Beschäftigungschancen zu erhöhen. Entsprechend erreichten die Bildungsangebote anfangs längst nicht nur Arbeitslose, zeigen die WZB-Forscher: 1973 waren nicht einmal sechs Prozent der Teilnehmer ohne Job. Allerdings erhöhte sich der Anteil schnell, als nach der Ölkrise die Arbeitslosigkeit sprunghaft stieg: 1975 waren es bereits 31 Prozent, Mitte der 90er Jahre etwa 95 Prozent.
Mit anhaltender Massenarbeitslosigkeit wurden neue Instrumente populär: Seit Ende der 70er Jahre vor allem Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), die nach 1989 in Ostdeutschland - ebenso wie Kurzarbeit Null - massenhaft eingesetzt wurden. Allerdings, betonen die Forscher, allzu oft nicht mit einem realistischen Anspruch, zurück in reguläre Beschäftigung zu führen, sondern zur "statistischen Verringerung der Arbeitslosenzahl und der sozialpolitischen Abfederung" der Beschäftigungskrise.

In den letzten Jahren floss dann zunehmend mehr Geld in die Förderung von Selbständigkeit, die Dienste externer Arbeitsvermittler, Lohnkostenzuschüsse sowie die so genannten Ein-Euro-Jobs. Parallel dazu sank der Anteil der aktiven Arbeitsmarktpolitik an den Gesamtausgaben für Arbeitslose: Zuletzt wurden nur noch ein Fünftel der Mittel darauf verwendet. "Mit dem Einsetzen der Beschäftigungskrise wurde das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium im Wesentlichen zum Kürzungsposten öffentlicher Ausgaben", schreiben die WZB-Wissenschaftler. Das unterstreicht auch WSI-Expertin Bogedan: Gemessen an der Wirtschaftsleistung, geben Niederländer, Franzosen, Dänen oder Belgier spürbar mehr für aktive Arbeitsmarktpolitik aus.

Die ursprünglich weit gesteckten Ziele des AFG wurden immer mehr verdrängt durch rein "vermittlungsorientierte Maßnahmen", beschreiben Oschmiansky und Ebach den Status Quo. Diese zielen auf eine möglichst schnelle Wiederbeschäftigung ab - zu welchen Bedingungen, ist eher zweitrangig. "Angesichts der enormen Unterbeschäftigung sind die Erfolgsmöglichkeiten dieser Instrumente jedoch begrenzt. Einen arbeitsmarktpolitischen Beitrag zum Strukturwandel leisten sie nicht.", warnen die Berliner.

40 Jahre nach Inkrafttreten empfehlen die WZB-Forscher daher, sich stärker auf die ursprünglichen Instrumente des AFG zu konzentrieren und die berufliche Weiterbildung "sukzessive wieder zum Kern aktiver Arbeitsmarktpolitik" zu machen. Dafür sprächen auch Evaluationsstudien, die zeigen, dass "vermittlungsorientierte" Instrumente "keineswegs erfolgreicher als berufliche Bildungsmaßnahmen sind". Schließlich hätten sich die meisten der durch die Hartz-Gesetze eingeführten Instrumente, nicht nur die Personal-Service-Agenturen (PSA), als Misserfolg erwiesen.

Das gilt auch für die so genannte Job-Rotation, bei der Betriebe Zuschüsse erhielten, die ihre Beschäftigten während einer beruflichen Weiterbildung von Arbeitslosen vertreten lassen: In Dänemark höchst erfolgreich, blieb das Instrument in Deutschland bei minimalen Teilnehmerzahlen wirkungslos. Aus Sicht der WZB-Forscher ein Argument für ihren zweiten zentralen Schluss: Arbeitsmarktpolitik funktioniere am besten, wenn sie nicht auf standardisierte Patentrezepte vertraut, sondern den Fachkräften in den lokalen Arbeitsagenturen und Grundsicherungsstellen ein möglichst flexibles Instrumentarium zur Verfügung stellt. Und sie mit guten, aktuellen Informationen über den Arbeitsmarkt vor Ort versorgt.


Weitere Informationen:

Claudia Bogedan: 40 Jahre aktive Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. Beitrag zu einer Bilanz (pdf). In: Wiso Direkt, Juni 2009.

Frank Oschmiansky, Mareike Ebach: Vom AFG 1969 zur Instrumentenreform 2009: Der Wandel des arbeitsmarktpolitischen Instumentariums. In: Silke Bothfeld, Werner Sesselmeier, Claudia Bogedan (Hg.): Arbeitsmarktpolitik in der sozialen Marktwirtschaft - Vom Arbeitsförderungsgesetz zu Sozialgesetzbuch II und III, erscheint im August.


Quelle: Pressemitteilung der Hans Böckler Stiftung, 30. Juni 2009

Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Berufliche Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 01.07.2009