Lebenslanges Lernen

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Ohne Bildung? Keine Chance!

Aufbruch für ein gerechtes und kreatives Bildungssystem

Bildung entscheidet heutzutage über Teilhabe oder Ausschluss, über sozialen Zusammenhalt, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit. Unsere Zukunft hängt entscheidend von mehr Bildungsgerechtigkeit ab. Die Entwicklung der Wissensgesellschaft, die Globalisierung und der demografische Wandel machen Bildung zu einem Handlungsfeld völlig neuer Qualität und Bedeutung. Bildung ist die Voraussetzung für individuellen Aufstieg und gerechte Startchancen, aber auch zentrale Grundlage eines leistungsfähigen Wirtschaftssystems. Bildung ist der Schlüssel zu einem aktiven und selbstbestimmten Leben, zu Beschäftigung und Innovation. Gute Bildungspolitik ist immer auch präventive Sozialpolitik und trägt entscheidend dazu bei, Auswege aus der Armut zu schaffen. Bildung ist ein Schlüssel für die Entfaltung der Persönlichkeit und eine wichtige Voraussetzung dafür, das eigene Leben gestalten zu können. Deshalb muss das Bildungssystem selbst offen und wandlungsfähig sein – ein lernendes System, das alle Menschen dazu befähigt, ihre Potenziale zu entfalten. Doch in Deutschland sind wir von einer solchen zukunftsfähigen Organisation von Bildung weit entfernt. Das deutsche Bildungssystem ist orientiert an Auslese und Abgrenzung statt an individueller Förderung und Durchlässigkeit. Es stellt nicht den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt, sondern hält an der überkommenen Struktur „begabungsgerechter“ Bildungsgänge fest. Dadurch ist es an vielen Stellen demotivierend statt reich an Erfolgen.

Unser Bildungssystem ist also extrem ungerecht. Insbesondere Kinder aus bildungsfernen und einkommensarmen Haushalten bekommen weniger Chancen, sich zu entfalten, Kreativität zu entwickeln und die eigenen Potenziale zu entdecken. Menschen mit Migrationshintergrund, Ältere, Behinderte, Menschen mit veralteten oder geringen Qualifikationen sowie Mütter mit kleinen Kindern oder auch hochqualifizierte Frauen mit Karrierepotenzial scheitern an strukturellen Hemmnissen. Ihre Potenziale und Fähigkeiten liegen brach– mit negativen Folgen für individuelle Entwicklungschancen, aber auch für die allgemeine Beschäftigungs- und Wohlstandsentwicklung. Gerade in einer Gesellschaft, die immer stärker auf Wissen und auf kreative Ideen angewiesen ist, ist es fatal, wenn so viel Potenzial verschleudert wird. Bereits heute fehlen in einigen Bereichen tausende Fachkräfte, der demografische Wandel wird dies noch verstärken.

Niemand bestreitet mehr die gewachsene Bedeutung von Bildung. Doch die Dimension und der akute Handlungsdruck für politische Veränderungen werden immer noch unterschätzt. Dies macht auch der internationale Vergleich deutlich: Die Leistungsfähigkeit des deutschen Bildungssystem rangiert allenfalls im Mittelfeld. Den Erfordernissen eines modernen Bildungswesens wird es in vielerlei Hinsicht nicht gerecht. Viele Länder geben schon seit Jahren einen weitaus höheren Anteil als 5,2% ihres BIP für Bildung aus und steigern ihn noch weiter.

Bildung ist ein Megathema geworden, die Kritik am deutschen Bildungssystem wächst. Immer mehr Menschen erleben die Bildungssituation als ungerecht, demotivierend und ineffizient. Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, aber auch Wirtschaft und Wissenschaft drängen daher immer stärker auf grundlegende Veränderungen. Deshalb ist der Zeitpunkt für einen Kraftakt in der Bildungspolitik günstig. Bund und Länder zeigen sich jedoch bisher nicht in der Lage, diesen Erwartungen zu entsprechen. Ganz im Gegenteil haben Union und SPD unter Duldung der Kanzlerin mit ihrer Föderalismusreform 2006 eine gesamtstaatliche Bildungsstrategie sogar deutlich erschwert. Seitdem sind dem Bund zu enge Grenzen gesetzt, wenn es um Impulse oder finanzielle Investitionen für das Bildungssystem geht. Eine Initiative wie das Ganztagsschulprogramm ist heute aufgrund des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern rechtlich nicht mehr möglich.

Das alles wäre weniger bedenklich, wenn die Bundesländer tatsächlich ihrer gewachsenen Verantwortung für bessere Bildungschancen nachkämen. Doch dies ist nicht der Fall. Eine substanzielle und konkret messbare Verbesserung der Bildungssituation ist in den vergangenen Jahren nicht geschafft worden. In manchen Bereichen zeichnen sich sogar Verschlechterungen ab: So hat sich der unter Rot-Grün erreichte Aufwärtstrend bei der Studienanfängerquote nicht verstetigt, stattdessen stagniert sie nun wieder auf zu niedrigem Niveau. Hier machen sich Zugangshürden wie die flächendeckenden NCs und die Studiengebühren bemerkbar. Im internationalen Wettbewerb gewinnt die Quote der Hoch- und Höchstqualifizierten an Bedeutung. Doch Deutschland verliert bei den Studienanfängern den Anschluss.

Neuerdings hat auch die große Koalition die öffentliche Bedeutung des Bildungsthemas entdeckt. Die Kanzlerin hat einen Bildungsgipfel einberufen - zu befürchten ist eine reine Showveranstaltung. Die SPD will dahinter nicht zurückstehen und hat einen bildungspolitischen Forderungskatalog aufgestellt, der Gebührenfreiheit und Qualitätsverbesserungen für alle zugleich verspricht. Die bildungspolitischen Anstrengungen lassen aber auch in den SPD-regierten Ländern zu wünschen übrig: so bei den Verpflichtungen aus dem Hochschulpakt I oder bei durchdachten Verbesserungen im Schulbereich.

Wir brauchen dringend eine klare und eindeutige Prioritätensetzung für Bildung. Ohne sie können die strukturellen Probleme des deutschen Bildungssystems nicht behoben werden. Anstatt weiterhin unnötig Zukunftschancen zu riskieren und Potenziale zu vergeuden, muss sich die Politik endlich der anstehenden Aufgabe im Bildungssystem stellen: Wir brauchen grundlegende strukturelle Reformen und mehr finanzielle Anstrengungen für Bildungsgerechtigkeit.

Was wir brauchen, ist ein echter qualitativen Durchbruch. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie den Bildungsgipfel als Chance für eine Gesamtstrategie nutzt. Nur konkrete und verbindliche Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern ermöglichen den notwendigen Kraftakt. Die Handlungsfelder einer solchen Gesamtstrategie reichen von einer besseren Frühförderung über eine gerechtere Schule, Ausbildung und Hochschule bis zu einer Offensive für die Weiterbildung. Wer jetzt nicht die richtigen Weichen stellt, vernachlässigt eine der zentralen Gerechtigkeitsfragen und verkennt die Bedeutung der Bildung für die Zukunft.


Zum Bereich der Weiterbildung fordert der Beschluss:

Weiter bilden – weiter kommen!

Die Bedeutung des Lebenslangen Lernens wird in Sonntagsreden gerne beschworen. Im politischen Alltag hat die schwarz-rote Regierung das Thema jedoch sträflich vernachlässigt: Eine Weiterbildungsstrategie ist nicht erkennbar. Nach drei Jahren großer Koalition gibt es nur ein Modell zum Weiterbildungssparen. Finanziell schlecht ausgestattet und daher von geringer Reichweite, wird der dringend notwendige Bewusstseinswandel für mehr und bessere Weiterbildung eher ausgebremst als gefördert. Auch die betriebliche Weiterbildung, für die die Unternehmen selbst die Verantwortung tragen, ist in den letzten Jahren zurückgegangen.

Dabei stehen wir vor immensen Herausforderungen. In Folge der demografischen Entwicklung werden Fachkräfte knapp, während zu viele Menschen ohne ausreichende Kompetenzen die Bildungseinrichtungen verlassen. Zugleich steigen die Lernanforderungen: Eine spezialisierte, passgenaue Erstausbildung reicht nicht mehr aus, kontinuierliche Weiterqualifizierung in allen Lebensphasen ist gefragt. Andere Länder sind hier schon viel weiter, bei uns liegen noch viele Potenziale brach. Ältere, Geringqualifizierte, Frauen mit Kindern, aber auch Migrantinnen und Migranten – sie alle nehmen viel zu selten an Weiterbildung teil. Das muss sich ändern!

Wir wollen eine weiterbildungsaktive Gesellschaft. Unser Ziel ist, die Beteiligung an Weiterbildung auf skandinavisches Niveau zu bringen, d. h. bis 2020 auf 70%. Das kann nur gelingen, wenn wir sowohl die individuelle Beratung und die Beratung für kleine und mittlere Unternehmen als auch die finanzielle Unterstützung für Weiterbildung verbessern. Wir fordern deshalb eine flächendeckende, unabhängige Bildungsberatung, die bei den Verbraucherzentralen angesiedelt ist. Außerdem wollen wir das sog. Meister-Bafög zu einem echten Erwachsenen-Bafög ausbauen. Denn bei Bildung braucht jeder eine zweite Chance. Mit dem Erwachsenen-Bafög würde das Nachholen von Schul- und Berufsabschlüssen grundsätzlich staatlich gefördert. Außerdem würden mehr Fortbildungsgänge als heute und auch berufsbegleitendes Studieren mit einem Mix aus Zuschüssen und Darlehen unterstützt.


Quelle: Fraktionsbeschluss der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 11. September 2008


Den vollständigen Fraktionsbeschluss zum Bildungsgipfel können sie hier als pdf-Datei herunterladen.

Weitere Stellungnahmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN finden sie auf deren Homepage.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Meister-BAföG, Betriebliche Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.04.2009