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Wohlfahrtsverbände schlagen Alarm:

Erfolgreiche Ausbildungs- und Förderprogramme für Alleinerziehende und Jugendliche werden gestrichen

Von Neuregelungen des Arbeitsministeriums und der Bundesagentur für Arbeit sind die Schwächsten der Gesellschaft betroffen

Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e.V., der Zusammenschluss der hessischen Wohlfahrtsverbände, schlägt Alarm.
„Wir fordern die Verantwortlichen im Bundesarbeitsministerium und bei der Bundesagentur für Arbeit auf, umgehend die Fortführung der Programme für Alleinerziehende und benachteiligte junge Menschen sicherzustellen! Nur durch eine weitere Kofinanzierung dieser Programme mit Mitteln aus dem SGB II §16 „Sonstige weitere Leistungen“ können diese und andere maßgeschneiderte Maßnahmen für Menschen ohne Schul- oder Ausbildungsabschluss weiter durchgeführt werden. Die Verantwortlichen in Berlin müssen aufhören, die Armuts- und Bildungsmisere in Deutschland zu beklagen und gleichzeitig erprobte und erfolgreiche Fördermaßnahmen für benachteiligte Zielgruppen zu stoppen und zu untersagen!“, so Peter Deinhart, Vorstand der Liga Hessen.

„Es ist grotesk, gerade den Menschen praxiserprobte, nachweislich erfolgreiche Förderangebote zu entziehen, durch die sie die Chance bekommen, aktiv an ihren beruflichen Perspektiven zu arbeiten. Dass dies im Falle von Alleinerziehenden in direkter Folge auch deren Kinder beträfe, ist eine Katastrophe“, so Deinhart weiter.


Die Finanzierung mit Mitteln aus dem SGB II § 16 Abs. 2 für "Sonstige weitere Leistungen" ist notwendig für sinnvolle, passgenaue und erfolgreiche Qualifizierungsmaßnahmen

Das Hessische Sozialministerium hatte z.B. über Jahre erfolgreich die Programme "Betriebliche Ausbildung Alleinerziehender" und „ Ausbildung statt ALG II (AstA)“ mit ARGEN und Optionskommunen durchgeführt. 163 Plätze in Teilzeit – Berufsausbildung für junge Alleinerziehende sind gerade in 2008 bewilligt worden. Doch jetzt stellen sich die Bundesagentur für Arbeit (BA) und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales quer: Die bisherigen Gelder nach dem SGB II § 16 Abs. 2 für "Sonstige weitere Leistungen" dürfen als Kofinanzierung zu den Landesmitteln nicht mehr eingesetzt werden. Mit der „Geschäftsanweisung Nr. 13“ der Bundesagentur für Arbeit werden bundesweit Maßnahmen gestoppt, die maßgeschneidert für Zielgruppen wie benachteiligte Jugendliche, alleinerziehende junge Mütter und Väter, Arbeitslosengeld II-Empfänger/innen mit Migrationshintergrund entwickelt worden waren. Damit werden bundesweit Maßnahmen und Programme beendet, die passgenau der Problematik der Zielgruppen und den regionalen Erfordernissen entsprochen haben und damit dem Ziel der individuellen Förderung gefolgt sind.

„Die Liga Hessen fordert deshalb die Rücknahme der „Geschäftsanweisung Nr. 13“ und eine Fortführung der Finanzierung über den §16 Abs. 2 „Sonstigen Weitere Leistungen“ mit dem passgenaue Maßnahmen für benachteiligte Zielgruppen durchgeführt werden können“, fordert Gila Gertz, vom PARITÄTISCHEN HESSEN. „Statt das Kind mit dem Bade auszuschütten, sollten die arbeitsmarktpolitischen Instrumente an der sozialintegrativen Zielsetzung des SGB II ausgerichtet und transparent und rechtssicher ausgestaltet werden. Insbesondere für junge Menschen mit Benachteiligungen ist es wichtig, dass Hilfen zur Ausbildung zur rechten Zeit am rechten Ort ankommen und ihnen helfen, sich sozial und beruflich in die Gesellschaft zu integrieren“, ergänzt Renate Lang vom Diakonischen Werk Hessen und Nassau.


In Berlin liegt der „Referentenentwurf zur Neuregelung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente“ zur Anhörung vor, der nur noch Standardmaßnahmen nach dem SGB III zulässt

Derzeit wird in Berlin ein "Referentenentwurf zur Neuregelung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente" diskutiert, der diese Politik fortsetzt und das Ende maßgeschneiderter Förderungen für spezielle Zielgruppen und Langzeitarbeitslose gesetzlich festlegen soll. In Zukunft sollen fast nur noch die Förderangebote der Bundesagentur für Arbeit realisiert werden. Das bedeutet auch, dass das Vergabeverfahren der BA zum Zuge kommt und alle Maßnahmen ausgeschrieben werden. Dies führt zu einer Ungleichbehandlung der Arbeitslosen, da Personenkreise mit unterschiedlicher Ausgangslage und unterschiedlichen Förderbedarfen gleiche normierte Standardinstrumente angeboten werden sollen.

„Bei einer so genannten Instrumentenreform dürfen nicht gerade die wirkungsvollsten Förderinstrumente wie der § 16 Abs. 2 über Bord geworfen werden! Wir brauchen weiterhin 20 - 30 % des Eingliederungstitels für passgenaue Fördermaßnahmen für benachteiligte Zielgruppen" fordert Gila Gertz, Vorstandsmitglied des PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverbands Hessen.

„Die Liga fordert deshalb die Beibehaltung des § 16 Abs. 2, Satz 1 SGB II, damit die bewährten Maßnahmen und Programme weiterlaufen können. Deshalb muss die Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente neu überdacht werden und der Referentenentwurf in der jetzigen Form eindeutig zurückgewiesen werden. Es erscheint notwendig, die Instrumente des SGB II und des SGB III vollständig zu entkoppeln, da unterschiedliche Problemlagen vorliegen, die mit abweichenden Instrumenten bedient werden müssen. Von der hessischen Landesregierung und den im Landtag vertretenen Fraktionen erwarten wir eine Unterstützung unserer Forderungen“, ergänzt Ulrich Schäferbarthold , 2.Vorsitzender der Caritas Landesarbeitsgemeinschaft Hessen.


Zum Hintergrund
In Hessen sind u.a. 282 Plätze für benachteiligte Jugendliche nicht mehr finanziert, die im Programm „Ausbildung statt ALGII (AstA)“ die Chance einer Berufsausbildung erhalten. Allein bei der Lehrerkooperative in Frankfurt fallen im September 70 Plätze für benachteiligte Jugendliche weg, die sich auf den Hauptschulabschluss vorbereiten. 163 allein erziehende Auszubildende in Hessen werden nicht mehr gefördert und unterstützt. Zahlreiche, über Jahre fortentwickelte Angebote, die gezielt individuelle Förderung für benachteiligte Menschen – Alleinerziehende, benachteiligte Jugendliche und Migrantinnen und Migranten – ermöglichen, finden keine weitere Finanzierung mehr.



Quelle: Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e. V., 26.6.08

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 23.09.2008