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Arbeitsmarktpolitik: Nachsteuern oder neu orientieren?

Anstöße zu einer überfälligen Debatte

Seit Ende 2005 fördern die Hans-Böckler-Stiftung und die Otto Brenner Stiftung das „Wissenstransferprojekt“ Monitor Arbeitsmarktpolitik (MonApoli), das die Umsetzung der neuen Arbeitsmarktgesetze im Anschluss an die Empfehlungen der „Hartz-Kommission“ kritisch begleitet. In einer ersten Projektphase bis Ende 2007 versuchten Wissenschaftler/innen des Soziologischen Forschungsinstituts an der Georg-August-Universität Göttingen (SOFI), des Berliner Forschungsteams Internationaler Arbeitsmarkt (FIA, Berlin) und des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung (WSI, Düsseldorf) über eine internetbasierte Informationsplattform (www.monitor-arbeitsmarktpolitik.de), über Beiträge und Stellungnahmen sowie Workshops und Fachtagungen eine Brücke von der Arbeitsmarktforschung zur Meinungsbildung arbeitsmarkt- und mitbestimmungspolitischer Akteure/innen zu schlagen. Der vorliegende Projektbericht stellt wesentliche Einschätzungen und Bewertungen zur Diskussion, die in diesen zwei Jahren „wissenschaftsgestützter Transferarbeit“ entstanden sind. Das Papier war bereits fertiggestellt, bevor der in Reaktion auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 20.12.2007 entstandene und derzeit stark diskutierte Vorschlag des „kooperativen Jobcenters“ in die Öffentlichkeit kam; eine eingehende Auseinandersetzung mit diesem Vorschlag enthält es daher nicht.

Nach einer Einführung in die Fragestellungen des Projekts (Kapitel 1) behandelt der Projektbericht vier Themen, die aus Sicht der beteiligten Wissenschaftler/innen im Mittelpunkt einer arbeitsmarktpolitischen Reformagenda stehen müssten:
  • die materielle Absicherung von Beschäftigungslosigkeit und Arbeitssuche,
  • die Qualität der Arbeitsmarktdienstleistungen,
  • die Perspektiven geförderter Beschäftigung,
  • und die Qualifizierung in der Arbeitsmarktpolitik.

Diese vier Themen bilden auch die Schwerpunkte einer zweiten Projektphase, die bis zum Frühjahr 2009 geplant ist.


Arbeitsmarktpolitik nach „Hartz“ – Anstöße zu einer Debatte

Dieses Diskussionspapier wirbt – im sechsten Jahr „nach Hartz“ – für eine grundsätzliche Überprüfung und Neubewertung der arbeitsmarktpolitischen Ziele, Instrumente und Organisationsstrukturen. Damit steht es nicht allein: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erwartet, dass sich die neue Arbeitsmarktpolitik als „lernendes System“ bewährt, in dem sich Politikgestaltung „bewusst wissenschaftlicher Evaluation stellt“ und „gesetzliche Vorschriften (…) in der Praxis erprobt, wissenschaftlich überprüft und wenn nötig, angepasst oder abgeschafft“ werden (Deutscher Bundestag 2006: 10.) Dies bedeutet nicht, dass sich Arbeitsmarktpolitik „verwissenschaftlichen“ lässt. Einerseits hat die Arbeitsmarktforschung zur Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik beigetragen: Sie war an die Veränderung von Problemwahrnehmungen und an der Gestaltung von Organisationen und Instrumenten beteiligt. Andererseits bleiben die Festlegung von Forschungsaufträgen sowie die Interpretation und Verwendung wissenschaftlicher Ergebnisse eine eigenständige Leistung des politischen Systems. So können auch nach Auffassung des BMAS Schlussfolgerungen aus der Evaluation (Hartz I bis III – d. V.) erst im Zuge einer breiten politischen Diskussion der vorgelegten Ergebnisse gezogen werden (ebd.).

Die angemahnte Diskussion hat jedoch noch nicht wirklich begonnen. In den Debatten, die stattfinden, geht es stets um Ausschnitte und Teilwirklichkeiten. Häufig bleiben die Akteure unter sich, d. h. es diskutieren Wirkungsforscher/innen, Fachkräfte oder Betroffene untereinander. Korrekturen werden entweder für die Regelkreise des SGB II oder des SGB III erörtert oder es geht um Einzelfragen. Das von Hans-Böckler- und Otto-Brenner-Stiftung geförderte Projekt „Monitor Arbeitsmarktpolitik“ zeigt, dass sich diese Grenzziehungen mit vergleichsweise geringen Mitteln überwinden lassen. Doch trotz ihrer immensen gesellschaftlichen Reichweite fehlt der Arbeitsmarktpolitik und -forschung ein Diskussionsrahmen für eine Verständigung über ihre Ziele bzw. Ergebnisse.


Sie können das Arbeitsheft 55 der Otto Brenner Stiftung hier als pdf-Datei herunterladen.


Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 04.08.2008