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Aufhellungen am deutschen Weiterbildungshimmel

Von der deutschen Weiterbildung gibt es im Frühjahr 2008 gute und schlechte Nachrichten zu vermelden. Die Entwicklungen lauten knapp zusammengefasst: Der Abwärtstrend der letzten Jahre bei Beteiligung, Angebot und Branchenstimmung ist gestoppt; entsprechende Kurven weisen seit 2005 wieder ins Plus. Wenig Hoffnung vermittelt indes die langfristige Betrachtung der Ausgaben für Weiterbildung, die absolut und relativ (Anteil am Bruttoinlandsprodukt) kontinuierlich sinken. Aktuelle Entwicklungsrichtungen der Weiterbildung hat das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (Bonn) in einer „Trendanalyse“ zusammengefasst, wofür Wissenschaftler/innen des Instituts das gesamte verfügbare statistische Material einer Sekundäranalyse unterzogen haben. DIE FAKTEN präsentiert die wichtigsten Ergebnisse.

Auf den ersten Blick stimmen die soeben veröffentlichen Zahlen zur Weiterbildungsbeteiligung froh: Laut „Berichtssystem Weiterbildung“, einer repräsentativen Befragung der bundesdeutschen Bevölkerung zwischen 19 und 64 Jahren, haben im Jahr 2007 mit 43 Prozent zwei Prozent mehr Menschen an Weiterbildung teilgenommen als bei der letzten Befragung 2003 (vgl. von Rosenbladt/Bilger 2008, S. 20). Auch entspricht es angesichts des demografischen Wandels der „sozialen Erwünschtheit“, dass sich Anstiege in der Teilnahmequote bei den älteren Befragtengruppen (Abb. 1)



Der Anstieg der Weiterbildungsbeteiligung zwischen 2003 und 2007 geht allein auf das Konto der Altersgruppen ab 35. Eine ergänzende Betrachtung der Teilnahmezahlen im speziellen Segment der Volkshochschulen zeigt: Personen über 50 Jahre – und besonders solche im Rentenalter – gehören zunehmend zur Klientel; Kursbelegungen von 18-34-Jährigen gehen zurück (Quelle: Volkshochschulstatistik am DIE). Diesen Umstand kann man begrüßen („Die Älteren zeigen eine hohe Lernbereitschaft“) oder mit Sorge sehen („Eine Institution verliert Boden bei Jüngeren“). und bei Menschen mit Migrationshintergrund namhaft machen lassen. Sowohl Deutsche mit Migrationshintergrund als auch Ausländer/innen verzeichnen zwischen 2003 und 2007 einen deutlichen Anstieg der Weiterbildungsquoten – vermutlich nicht zuletzt wegen der gesetzlichen Verpflichtung zu „Integrationskursen“, in denen Sprachkompetenzen und Grundkenntnisse in Gesellschaftskunde vermittelt werden.


„Wer hat, dem wird gegeben“

Diese Zahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutsche ohne Migrationshintergrund nach wie vor eine höhere Weiterbildungsquote haben. Setzt man die Weiterbildungsquote in Relation zu Schul- und Berufsabschluss, so bestätigt sich einmal mehr das „Matthäus-Prinzip“: Wer hat, dem wird gegeben. Die Wahrscheinlichkeit, an Weiterbildung teilzunehmen, ist für Personen mit Schulabschluss noch immer zwei- bis dreimal so hoch wie für Personen ohne Schulabschluss. Und: Je höher der Berufsabschluss, desto höher die Chance auf Weiterbildungsteilnahme. Ein Hochschulabsolvent kann mit fast achtmal so hoher Wahrscheinlichkeit eine Beteiligung an beruflicher Weiterbildung erwarten wie eine Person ohne abgeschlossene Berufsausbildung.

Im internationalen Vergleich rangiert Deutschland noch immer im unteren Mittelfeld. Eurostat hat für 2005 eine Weiterbildungsquote von 8,2 Prozent errechnet (EU-25-Durchschnitt:11,0; vgl. Europäische Gemeinschaften 2006, S. 10). Dass muss nicht prinzipiell gegen das deutsche Bildungssystem sprechen, denn ein Grund für eine niedrigere Weiterbildungsintensität kann auch eine solide Erstausbildung sein. Die Eurostat-Zahlen sind erheblich niedriger als die der nationalen Erhebung, weil in der europäischen Statistik nach einer Weiterbildungsteilnahme innerhalb der letzten vier Wochen gefragt wird, und die Befragtengruppe – die 25- bis 64-Jährigen – kleiner ist. Derzeit wird mit dem Adult Education Survey seitens der EU eine internationale Weiterbildungserhebung durchgeführt, die von der Anlage und dem Frageverhalten her höhere Quoten erzielen wird. Deutschland kann hier auf eine Quote von 44 Prozent verweisen (von Rosenbladt/Bilger 2008, S. 29) – die Werte anderer Länder werden mit Spannung erwartet.

Erfreuliche Signale erhält die DIE-Trendanalyse aus den Einrichtungen. Nach dramatischen Einbrüchen in den Jahren 2002 bis 2005, die politischen Umsteuerungen im Bereich der Förderung Arbeitssuchender (SGB-geförderte berufliche Weiterbildung) geschuldet waren, stabilisiert sich das Feld – wenn auch auf niedrigerem Niveau. 2005 erwartete erstmalig wieder eine Mehrheit der privaten Weiterbildungsanbieter Umsatzzuwächse (vgl. DIE 2008, S. 86 f.). Auch die Finanzierung der Volkshochschulen ist 2006 gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozent gestiegen. Da der Markt sehr unübersichtlich ist, sind Einschätzungen dieser Art nach wie vor nur in einzelnen Segmenten der Weiterbildung zutreffend. Für eine Gesamtsicht fehlen noch die statistischen Grundlagen. Aber: Mithilfe eines sogenannten Weiterbildungskatasters haben das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) und das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) größere Klarheit über die Dimensionen des Weiterbildungsmarktes bekommen. Während bisher nur mit Hochrechnungen gearbeitet werden konnte, gibt es nun die Bestätigung, dass es sicher mindestens 17.000 Einrichtungen im Lande gibt, denn die haben sich auf Anfrage „lebendig zu erkennen“ gegeben. Damit dürfte die vormals geschätzte Größenordnung von knapp 19.000 (vgl. WSF 2005, S. 24) in etwa stimmen. Über einen „wbmonitor“ befragen beide Institute Anbieter nach ihren Stimmungen; auch hier sind zuletzt vermehrt positive Einschätzungen erhoben worden.


Deutschland gibt sein Geld lieber anders aus

Allen Sonntagsreden zum Trotz ist die Finanzierungsbereitschaft für Weiterbildung über die letzten zehn Jahre rückläufig. Das ergibt eine Kalkulation des „Gesamtfinanzierungsvolumens“ für Weiterbildung, die für die Erstellung der Trendanalyse im DIE vorgenommen wurde. Zu diesem Volumen zählen alle direkten Ausgaben der verschiedenen öffentlichen Akteure (EU, Bund, Länder, Bundesagentur für Arbeit), der Betriebe und natürlich der teilnehmenden Personen. Diese Kalkulation ist aufgrund der Datenlage mit methodischen Unsicherheiten behaftet und sollte auf diesem Hintergrund vorsichtig belastet werden – darauf weist die Trendanalyse hin. Im Kern zeigt sich, dass das Volumen der Aufwendungen – relativ zum Bruttoinlandsprodukt – im Zeitraum 1996 bis 2006 von knapp 1,5 auf gut ein Prozent zurückgegangen ist – oder absolut von 27,8 auf 24,1 Milliarden Euro (Abb. 2).



Der beobachtete Rückgang geht fast ausschließlich auf das Konto der Bundesagentur für Arbeit, deren Ausgabenvolumen in einem Zeitraum von zehn Jahren etwa auf ein Sechstel zusammengeschnurrt ist. Um es positiv zu sagen: Unter den Investoren ragen Privatpersonen und Betriebe immer deutlicher heraus: Sie haben 2006 zusammen fast 90 Prozent der Aufwendungen getätigt. Während bis 2000 die Betriebe die größte Ausgabenlast getragen haben, sind es seither die Individuen. Sie legten 2006 nach den Berechungen des DIE gut elf Milliarden Euro für Weiterbildung auf den Tisch; die Betriebe zehn. Rechnet man „indirekte Kosten“ wie Lohnfortzahlungen, Steuerausfälle etc. mit, dann sind nach wie vor die Betriebe Spitzenreiter bei der Weiterbildungsfinanzierung. Sicher ist: Die Individuen sind mit steigender Tendenz an den Weiterbildungskosten beteiligt. Während 1996 jeder Bundesbürger durchschnittlich rund 105 Euro für Weiterbildungszwecke ausgegeben hatte, sind dies 2006 bereits knapp 140 Euro (Abb. 3). Das Engagement mag man für erfreulich halten; im Blick auf Teilhabe und Chancengerechtigkeit sind Anreizsysteme, wie sie die Bundesregierung z. B. mit der Weiterbildungsprämie vorbereitet, eine notwendige Begleitmaßnahme. Schließlich ist es erklärtes Ziel der Regierung, spätestens 2015 die 50-Prozent-Marke bei der Weiterbildungsbeteiligung zu knacken.




Quelle: Peter Brandt: Aufhellungen am deutschen Weiterbildungshimmel, DIE FAKTEN Mai 2008, DIE

Sie können diesen Artikel mit Literaturhinweisen auf der Homepage des Deutschen Institut für Erwachsenenbildung als pdf-Datei herunterladen.

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 22.05.2008