Nachrichten-ArchivZurück zur ÜbersichtAuf dem Weg zu einem modernen Dienstleister? – Perspektiven und Probleme eines veränderten Steuerungsmodells in der Bundesagentur1 Der Umbau der BA - ein Kernstück der Hartz-GesetzgebungDer sogenannte „Vermittlungsskandal“ hatte den Weg geebnet: Mitten in der Schlussphase ihrer bis dahin größten Reform („Arbeitsamt 2000“) führte die Entdeckung überhöht ausgewiesener Vermittlungsquoten bei der damaligen Bundesanstalt für Arbeit zum Auftrag an die Hartz-Kommission, einen umfassenden Vorschlag für die Reorganisation der BA vorzulegen. Der avisierte Umbau war - daran bestand kein Zweifel - als Bruch mit der laufenden Reformumsetzung, die eine Stärkung professioneller Vermittlungskompetenz und eine ausgeprägte Mitarbeiterbeteiligung vorsah, gedacht. Selbst wenn im Kontext der Diskussion manches Argument und Bild – etwa das einer betulichen Arbeitsverwaltung - überstrapaziert wurde: Die auf die Bundesanstalt für Arbeit bezogenen Empfehlungen der Kommission für moderne Dienstleistungen griffen im Grunde eine ganze Reihe objektiv bestehender Probleme von arbeitsmarktpolitischem Verwaltungshandeln auf, hierzu zählen
Vor diesem Hintergrund empfahl die Kommission einen Umbau der Bundesagentur. Deren Kern sollte die Neuausrichtung der arbeitgeber- und arbeitnehmerorientierten Vermittlung mit dem Ziel bilden, bei durchgängiger Verbesserung der Servicequalität der Agentur Arbeitnehmer/innen auf der Grundlage einer kompetenten Beratung schneller und kostengünstiger zu vermitteln und Arbeitgeberbedarfe individuell und qualifiziert zu bedienen (iso: 153). Ebenfalls aus der Feder der Hartz-Kommission stammt der Vorschlag, die widerstreitenden Anforderungen von Massengeschäft (das eine Standardisierung der Leistungen nahe legt) und unterschiedlichsten Vermittlungs- und Beratungsbedarfen der Adressaten (was eine Individualisierung der Leistungen nahe legt) durch eine Segmentierung von „Kundengruppen“ mit jeweils auf deren Bedarf zugeschnittenen Leistungsangeboten zu begegnen. Damit war zwar ein Ideen-Rahmen für eine neue BA-Steuerungskonzeption vorgegeben. An der Ausformulierung der Konzeption hat jedoch nicht nur die Kommission gearbeitet. Die heute vorfindbare Steuerung ist nicht vorstellbar ohne den erheblichen Beitrag, den vor allem die Unternehmensberatung Mc Kinsey in der Umsetzung und Modifizierung der genannten Pläne gespielt hat. Mit welcher Konzeption aber ist man letztlich angetreten und hat versucht, auf die oben erwähnten Probleme eine Antwort zu geben? Und überzeugen diese Antworten oder haben sie Probleme nur verschoben oder gar neue erzeugt? Der vorliegende Kommentar versucht unter Rückgriff auf die parlamentarische Hartz-Evaluation hierauf eine Antwort zu geben. Mit der Reorganisation der BA haben sich vor allem zwei Vorhaben der parlamentarischen Wirkungsforschung beschäftigt: Das eine gehört als Modul 1a („Vermittlung“) zum Arbeitspaket 1 der Evaluation (WZB u.a. 2006), das sich auf die eingesetzten und teilweise neu geschaffenen Vermittlungs- sowie sonstigen arbeitsmarktpolitischen Instrumente, deren Implementierung und Wirkungen konzentriert. Das andere Vorhaben – dessen Ergebnisse hier zusammengefasst werden - bildet ein eigenes Arbeitspaket (Arbeitspaket 2) und konzentriert sich auf das Reorganisationsgeschehen in der BA und deren Umbau zu einem modernen Dienstleister: Diese vom iso Saarbrücken und Peter Ochs gemeinsam durchgeführte Evaluation (iso 2006) hat den gesamten Umbau bis zum Frühjahr 2006 begleitet. In der Zentrale, in fünf Regionaldirektionen und 15 Agenturen für Arbeit wurden in einem Methodenmix aus qualitativen Interviews mit Fach- und Führungskräften, Beobachtungen, Dokumentenanalysen, Gruppendiskussionen, repräsentativer Mitarbeiterbefragung und statistischer Sekundäranalyse umfangreiches Material zusammengetragen; allein 385 Interviews wurden realisiert. Die Studie leuchtet zentrale Gegenstände der neuen BA-Steuerung (Steuerung der internen Abläufe, neue Kundenprozesse und Produkteinsatzregeln, Standardisierung und Konzentration des Einkaufs von Arbeitsmarktdienstleistungen) aus und erörtert die Befunde unter dem Aspekt von Dienstleistungsqualität. 2 Zu den Ergebnissen der Studie 2.1 Ziel und Verlauf des Umbaus der BA Das angestrebte Ziel war der organisatorische Umbau der BA und ihrer Gliederungen nach Maßgabe eines Geschäftsmodells, in dem die Zentrale für die allgemeinen Strategien und Zielsetzungen (Vorgaben für Prozesse und Abläufe, Formulierung der Einsatzlogik von Produkten und Programmen), die Regionaldirektionen für die Steuerung der Agenturen und die örtlichen Agenturen für das operative Geschäft zuständig sein sollten. Dieser Umbau sah die Etablierung einer neuen Führungs- und Steuerungsorganisation (Steuerung nach Zielen mit Ausrichtung auf Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit) sowie die Einführung neuer Kundenprozesse (Implementation leistungsfähiger Kundenzentren und Infrastruktureinrichtungen wie Service Center und „virtueller Arbeitsmarkt“ zur Verbesserung des Serviceangebots) vor und wurde auf der Basis eines vierstufigen Masterplans (iso: 16), dessen zeitlicher Horizont bis 2005 reichte, begonnen. Im Ergebnis blieben – mit Ausnahme der erst Anfang 2006 begonnenen Einführung von VerBIS als dem Kernstück des virtuellen Arbeitsmarktes – alle Projekte im Zeitrahmen (iso: 16). Parallel dazu wurden weitere Veränderungen vorgenommen. Hierzu gehört etwa die Einrichtung von sieben regional angesiedelten Einkaufszentren (REZ) für nach dem Vergabeverfahren eingekaufte Maßnahmeleistungen wie z.B. Trainingsmaßnahmen (iso: 225f.). Die weitgehende Umsetzung dieser Konzeption bei Einhaltung eines derart straffen Zeitplans wird im Bericht als in der öffentlichen Verwaltung beispiellos bezeichnet und zwei Faktoren zugeschrieben: Einem systematisch angelegten und stringent umgesetzten Veränderungsmanagements einerseits als auch der aus der Sorge um den Fortbestand der BA getragenen Mitwirkung der Mitarbeiter/innen und Führungskräfte andererseits (iso: 18ff). Der Umbau bleibt nach Ansicht der Autoren gleichwohl in mehrfacher Hinsicht fragil. Hingewiesen wird an mehreren Stellen des Berichts auf Friktionen im Umsetzungsprozess, auf Passungsprobleme in der lokalen Konzeptumsetzung (iso: 19) und auf Kritik der Mitarbeiter an fehlenden partizipativen Elementen im Reformkonzept. Ob hier „Sollbruchstellen“ für den weiteren Umsetzungsprozess angedeutet werden, die auch zu einer (partiellen) Revision der bisherigen Konzeption bzw. der stillschweigenden Aufkündigung der Mitwirkung durch die Fachkräfte führen könnte, bleibt offen. Die Autoren verweisen an anderer Stelle darauf, wie sehr sich der gesamte Reorganisationsprozess im Fluss befindet und dass der Evaluationsgegenstand daher ein „bewegliches Ziel“ bildet, sich also permanent verändert. 2.2 Die neue Steuerung der internen Abläufe Mit der neu eingeführten Steuerungspraxis versucht die Bundesagentur die Effizienz und Wirksamkeit des Einsatzes personeller und materieller Ressourcen zu verbessern, indem sie die Steuerungsfähigkeit der Organisation erhöht und die Steuerung an neuen Kriterien ausrichtet. Früher – so der Bericht - hätte es ein „paradoxes Spannungsverhältnis zwischen der Weisungsflut verbindlicher Anweisungen an die Arbeitsämter und faktisch großen Spielräumen der Arbeitsämter für die Gestaltung ihrer örtlichen Geschäfts- und Arbeitsprozesse“ (iso: 65) gegeben. Zentrale Bestandteile der neuen Steuerungskonzeption interner Abläufe sind:
Soweit der konzeptionelle Rahmen des neuen Systems interner Steuerung. In der Realität scheinen jedoch laut Bericht eine ganze Reihe ungelöster Probleme bzw. Konzeptabweichungen auf:
2.3 Neue Kundenprozesse und Produkteinsatzregeln Die Einführung neuer Kundenprozesse und Produkteinsatzregeln verbindet sich vor allem mit zwei Neuerungen: Die eine Neuerung ist der Umbau der örtlichen Arbeitsagenturen zu Kundenzentren: In ihnen werden Standard- und Terminierungstätigkeiten auf eine Anlaufstelle konzentriert und Anliegen von Adressaten/innen telefonisch über ein Call Center (Service Center“) sowie in der Agentur (Empfang, Eingangszone) abgeklärt. Qualifizierte Vermittlungs- und Beratungstätigkeiten sowie die Leistungssachbearbeitung wurden – von diesen Aufgaben entlastet – in homogene Einheiten (Teams) zusammengefasst. Die andere Neuerung ist die Einführung der sogenannten Handlungsprogramme, in denen detaillierte Vorgaben für die Interaktion zwischen Vermittler/in und Adressat/in sowie genaue Regeln für Art und Zeitpunkte der Leistungserbringung festgelegt werden. In diesen für unterschiedliche Segmente von Kundengruppen (sowohl auf Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite) spezifizierten Programmen sind Vorgaben für Wirkungsziele, Leistungsformen, Leistungsumfang sowie Qualitätsstandards hinterlegt, deren Einhaltung nachgehalten wird. Im Bereich des Arbeitgeber/innen/services wird zwischen Zielkunden (größere Betriebe, Betriebe mit hoher Fluktuation) und Standardkunden (Klein- und Mittelbetriebe) unterschieden, die Handlungsprogramme sehen hier für Zielkunden einen größeren Ressourceneinsatz vor. Handlungsprogramme bestimmen – dies macht der Blick auf die Arbeitnehmer/innenseite deutlich – den gesamten Kundenprozess nach der ersten Kontaktaufnahme mit der Agentur und dem Erhalt eines Termins in der Vermittlung (iso: 155ff.): Im ersten Gespräch in der Vermittlung erfolgt idealtypisch eine informationstechnisch gestützte „Standortbestimmung“ (hier wird der Handlungs- und Interventionsbedarf in vier arbeitsmarktrelevanten Dimensionen festgelegt), die Zuordnung zu einer Kundengruppe (Marktkunden, Beratungskunde Aktivieren, Beratungskunde Fördern, Betreuungskunde), die Festlegung des arbeitsmarktbezogenen Ziels (z.B. Integration in den 1. Arbeitsmarkt, Übergang in Selbständigkeit, Übergang in Rente, Rückzug aus dem Erwerbsleben) und die Auswahl des darauf zugeschnittenen Handlungsprogramms (vgl. Übersicht 1). Sowohl der Gesamtprozess des Kundenkontakts als auch die Durchführung des Handlungsprogramms (im engeren Sinne) erfolgt nach vorgegebenen Kriterien, die weder den Adressat/inn/en transparent gemacht werden noch den Vermittlern große Handlungsspielräume zu lassen scheinen (iso: 221). Service- und Dienstleistungsqualität Vor dem Hintergrund der bis heute ungeklärten Frage, was genau die Aufgabe öffentlicher Arbeitsverwaltung sein soll, verhandelt der Evaluationsbericht an mehreren Stellen Kriterien für einen modernen Arbeitsmarktdienstleister und wendet diese Kriterien auf die neuen Formen der Kundenprozesssteuerung und ihre Wirkung auf die Qualität der erbrachten Agenturleistungen insgesamt wie speziell die von Vermittlung und Beratung an. Hierzu unterscheidet der Bericht Servicequalität auf der einen und Dienstleistungsqualität auf der anderen Seite und hat hierbei sowohl die Adressaten/innen/seite als auch die der Fachkräfte im Blick. Während es bei Servicequalität um Erreichbarkeit der Agentur, um kurze Wartezeiten und Zugangsmöglichkeiten der Kunden geht, beschreibt die verwendete Kategorie der Dienstleistungsqualität die bedarfsgerechte Leistungserstellung im individuellen Fall. Aus der Perspektive der Organisation zielt die Kategorie auf deren Fähigkeit, die Varianz individueller Bedarfe zu beherrschen und zu bearbeiten (Stichwort „Ressourcenbereitstellung“), aus der Fachkräfte-Perspektive um die Auslegung der Arbeitsprozesse, in denen sie diese Bedarfe bearbeiten (Stichwort „substanzielle Entscheidungsspielräume“), und aus der Kundenperspektive um die Art der Beziehung, die ihnen die Fachkräfte anbieten (i-so:153). Als positives Ergebnis der neuen Kundenprozesssteuerung hält der Bericht eine weitgehende Verbesserung der Servicequalität und eine damit einhergehende Konzentration der Fachkräfte auf ihr Kerngeschäft der „Vermittlung/Beratung“ fest: Kundenstromsteuerung und konsequente Terminierung in der Anlaufstelle hätten hierzu geführt; kritisch sei noch die Qualität der telefonischen Anliegensbearbeitung und – in Teilen – die Nutzerfreundlichkeit und Funktionalität der IT-Systeme für den virtuellen Arbeitsmarkt wie „Job-Roboter“, „Job-Börse“ und VerBIS (iso:5ff, 135ff). Auf der anderen Seite hebt der Bericht eine ganze Reihe <negativer bzw. kritischer Punkte hervor, die den Dienstleistungscharakter der angebotenen Leistungen in Frage stellen:
2.4 Standardisierung und Konzentration des Einkaufs von Arbeitsmarktdienstleistungen Seit 2004 sind sieben neugebildete Regionale Einkaufszentren (REZ) für den Einkauf von Arbeitsmarktdienstleistungen zuständig. Bis dahin waren die einzelnen Arbeitsagenturen für den Einkauf zuständig. Mit der Neuordnung der Einkaufsprozesse griff die BA sowohl die Kritik an der bisher fehlenden Trennung von Bedarfsträger und Vergabestelle und an einem wenig vergaberechtskonformen Wettbewerbsverfahren auf als auch ihr eigenes Interesse, durch bundesweite Ausschreibung und Bündelung der Einkaufsmacht Einsparungen zu realisieren. Das Verfahren eines solchermaßen zentralisierten Einkaufs beginnt mit einer Ausschreibung der Dienstleistung, der anschließenden formalen Prüfung eingegangener Angebote sowie ihrer zunächst fachlichen und dann preislichen Bewertung, bis dann das nach dem Preis-Leistungsverhältnis günstigste Angebot den Zuschlag erhält (iso: 228f). Die fachliche Bewertung nach insgesamt 14 gewichteten Kriterien enthält 3 K.O.-Kriterien: Null Punkte ziehen den Ausschluss aus dem Verfahren nach sich, ebenso ein Beurteilungswert, der nicht mindestens 85 % der anderen Vorschläge erreicht. Der Bericht stellt für das Jahr 2005 fest, dass trotz erheblicher erzielter Einsparungen nicht von einem generellen Preisdumping gesprochen werden kann. Im Gesamtpool der eingekauften Dienstleistungsangebote liegt die Quote der Fälle, in denen das billigste Angebot den Zuschlag erhalten hat, zwischen 30% und 70%. Häufiger auf das billigste Angebot zurückgegriffen wurde bei Beauftragung von Trägern mit Eingliederungsmaßnahmen und von Dritten mit Vermittlung, bei PSA und Trainingsmaßnahmen, deutlich seltener bei Berufsausbildungen in außerbetrieblichen Einrichtungen und bei ausbildungsbegleitenden Hilfen (iso: 229). Die Qualitätssicherung für eingekaufte Maßnahmen besteht aus vier möglichen Schritten: Hierzu zählen die Prüfung nach Aktenlage (von Unterlagen über Räumlichkeiten und Personal einer Maßnahme) und die anlassbezogene Prüfung (nach Bekannt werden von Mängeln und Verstößen gegen Vertragsinhalte) durch die Agenturen. Ein weiterer Schritt besteht in der Einschaltung des REZ (zur Nachbesserung oder Sanktionierung von Mängeln), ein anderer in der routinemäßigen, initiativen Prüfung von Trägern auf Qualität und Vertragseinhaltung durch das REZ. Dieses Vorgehen wird häufiger bei Trägern angewendet, die neu am Markt sind oder besonders günstige Preise angeboten haben (iso: 230). Insgesamt – so der Bericht - hat die BA in ihrer Einkaufspolitik Qualitätskriterien mit der Zeit wieder stärker gewichtet (iso: 228) und werden Qualitätsanforderungen über die Standardisierung vereinheitlicht. Für die Agenturen, die auf eine gute Zusammenarbeit mit Trägern zurückblicken können, führt dies zu einer Einschränkung ihrer Kooperationsfähigkeit; andere, die „ zuvor Probleme mit der Qualitätssicherung hatten, profitieren von den zentralisierten Verfahren“ (iso: 232). 3 Kommentar Das neue, sowohl auf die internen Abläufe als auch auf Kundenprozesse und Lieferbeziehungen (zu Trägern) gerichtete Steuerungsmodell der Bundesagentur greift ohne Zweifel bestehende Problemlagen und Aufgaben (Bewältigung eines Massengeschäfts, Sicherung von Qualitätsstandards, sparsamer Umgang mit Beitragsmitteln, Beschleunigung des Vermittlungsprozesses etc.) auf. Uneingeschränkt auf der „Haben-Seite“ kann die neue Steuerung eine Verbesserung der Servicequalität verbuchen. Schon etwas anders sind die erheblichen Einsparungen bei den Ausgaben für Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik einzuschätzen. Diese sind zum (kleineren) Teil auf Mengeneffekte eines zentralisierten Einkaufs von Arbeitsmarktdienstleistungen zurückzuführen, wobei auch hier schon Qualitätseinbußen nicht auszuschließen sind (Stichwort „Trainingsmaßnahmen“). Zum anderen (größeren) Teil basieren die Einsparungen auf einem restriktiven Budgetierungsansatz, der Maßnahmen vor allem für jene Personen und Regionen vorsieht, bei denen innerhalb des Zeitraums, an dessen Ende der Übertritt ins SGB II droht, eine Eingliederung in den 1. Arbeitsmarkt erwartbar ist. Abgewogen wird damit zwischen den Kosten der Integration und denen des Aussteuerungsbetrages. Mit der betriebswirtschaftlichen Investitions- und Sparlogik ist damit ein erstes aus der Reihe ungelöster bzw. neuer Probleme angesprochen, die auf der „Sollseite“ stehen:
Wenn wir es richtig sehen, gibt es zwei mögliche Deutungen des Steuerungsproblems: Die eine Deutung wird im Bericht sehr stark gemacht, während die andere zwar auch im Bericht angelegt ist, jedoch nicht weiter verfolgt wird. Doch wie verhält es sich mit der von den Autoren des Berichts hervorgehobenen Deutung: Liegt das Problem des Steuerungsmodells – wie sie andeuten - tatsächlich im Widerspruch zwischen zwei gleichzeitig wirkenden Steuerungsprinzipien? Diese Interpretation läuft praktisch auf eine „steuerungstechnische“ Kritik an der BA-Praxis hinaus, die demnach das neue Steuerungsmodell falsch anwendet. Betrachtet man nun die beschriebenen Steuerungsformen, so finden sich sowohl Elemente einer Ziel- oder Ergebnissteuerung (Steuerung durch Ziele) als auch einer Input- und Prozesssteuerung (Steuerung durch Pläne). Nun ist ein Nebeneinander beider Steuerungsprinzipien in anderen Kontexten (z.B. in der Berufsbildung) durchaus üblich. Und insbesondere Formen der Prozesssteuerung dienen in aller Regel der Sicherung von Qualitätsstandards auf dem Weg zu einem bestimmten Ergebnis; Prozesskennzahlen übernehmen dabei eine Ersatz- bzw. Ergänzungsfunktion für ein nicht oder nur schwer messbares Ziel. Insofern könnte man die im Bericht skizzierte Überlagerung von Ziel- und Prozesssteuerung auch damit erklären, dass man sich in der BA der Unvollständigkeit ihres Zielsystems bewusst ist und zumindest für einen Übergangsprozess, in dem neue Handlungsroutinen etabliert werden sollen, mit vergleichsweise detaillierten Vorgaben arbeitet. Ob es für eine solche Interpretation tatsächlich handfeste Anhaltspunkte gibt, bleibt gleichwohl offen. Die andere Lesart, die durchaus durch die Evaluationsbefunde gestützt wird, wäre die eines durch und durch gelungenen Umbaus der BA zu einer Aktivierungsmaschinerie. In dieser wird der „Zwangskunde“ (infas 2006: 71f), der die Agentur und die Vermittlungsfachkräfte aufsuchen muss, um nicht seiner Ansprüche an materielle Leistungen verlustig zu gehen, nach vorgegebenen Parametern bearbeitet und auf den ihm zugedachten „Aktivierungsweg“ gebracht. Die Überlagerung von Ziel- und Prozessteuerung in der von den Evaluatoren vorgefundenen Form wäre in dieser Lesart ebenso wenig ein problematischer Befund wie die drohende Deprofessionalisierung der Fachkräfte in der Vermittlung. Letztere wäre vielmehr die Voraussetzung dafür, dass der in Kundensegmentierung und Handlungsprogrammen aufscheinende Entmachtungsanspruch gegenüber den AdressatenInnen durchgesetzt wird und nicht an den Identitäten professioneller Beratungskräfte scheitert. Damit angesprochen ist letztlich die Bedeutung, die das Aktivierungsparadigma für die Steuerung von Prozessen und Abläufen in der Bundesagentur hat: Erfasst und „bearbeitet“ man alle Adressaten gleichermaßen unter dem Druckpotential sanktionsbewehrter Vermittlung oder lässt man bewusst operative Freiheitsgrade für das „Arbeiten“ mit den Adressat/inn/en zu, in denen die von den Fachkräften vorgenommene Segmentierung nach Fällen, mit denen sie intensiver oder weniger intensiv arbeiten, die eigentliche Sanktion darstellt? Ein solches Vorgehen würde zumindest erlauben, dass die für eine personale Dienstleistung unabdingbare Ko-Produktion d.h. ein aktives Mitwirken der Adressat/inn/en an der Formulierung des Auftrags tatsächlich stattfinden kann. Die Entscheidung darüber ist zugleich die über eine dem Dienstleistungs“versprechen“ adäquate Steuerung. Die BA kann schon deshalb das Ziel Arbeitsmarktintegration nicht steuern, weil sie den Arbeitsmarkt und die Arbeitgeber nicht „steuern“ kann. Sie versucht bislang stattdessen die Arbeitsuchenden zu steuern. Das geht aber nicht mit Kundenorientierung oder Dienstleistungsqualität zusammen, denn „Ko-Produktion“ bedeutet, dass die Ko-Produzenten mitsteuern müssen. Das oben skizzierte Steuerungsmodell geht daher nur auf, wenn man den Ko-Produzenten unter Kuratel stellt. Letztlich stellt sich doch die Frage, ob – und wenn ja bis zu welchem Grade – arbeits-marktpolitische Dienstleistungen im Hinblick auf dabei erreichte betriebswirtschaftliche Effizienz überhaupt bewertet werden können. Ein nach betriebswirtschaftlichem Kalkül durchaus nachvollziehbares „Aussteuern“ von Problemkund/inn/en steht dem sozialpolitischen Auftrag der BA entgegen. Was tut man in Regionen hoher Arbeitslosigkeit, wenn dort doch „wirkungstechnisch“ belegt ist, dass Investitionen (zumindest für die BA) keinen akzeptablen „return“ erbringen? Muss nicht Arbeitsmarktpolitik auch wieder stärker ihre nachfragestärkenden Funktionen ins Spiel bringen und sich dabei als Teil einer breit angelegten Beschäftigungspolitik (die parallel zu entwickeln wäre) verstehen? Wenn Arbeitsmarktpolitik als separierter Teilbereich umgesetzt wird, sich quasi am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen soll, droht sie zum Verwalter der Arbeitslosigkeit zu degenerieren – zu Lasten der Kunde/inn/en und zu Lasten des sozialen Ausgleichs in der Gesellschaft. Quelle: Volker Baethge-Kinsky Auf dem Weg zu einem modernen Dienstleister? – Perspektiven und Probleme eines veränderten Steuerungsmodells in der Bun-desagentur Kommentar zum Evaluationsbericht 2006 „Organisatorischer Umbau der Bundesagentur für Arbeit“ (Arbeitspaket 2) von iso Saarbrücken und Peter Ochs (als iso 2006 zitiert), Dezember 2007 Sie können den Artikel hier auch als pdf-Datei herunterladen. Verweise zu diesem Artikel:Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 27.12.2007 |
Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info Druckdatum: 25.04.2024 |