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Der Bachelor-Professional muss kommen

wap: Worum geht es eigentlich bei der Auseinandersetzung um den Bachelor Professional?

Reinhard Böckl: In der beruflichen Bildung muss es möglich sein auch einen Bachelor-Grad zu erwerben. Es ist nicht akzeptabel, dass die Hochschulen diesen Titel für sich alleine beanspruchen. Ein Bachelor von der Hochschule erhält seinen Titel nach drei Jahren also mit sechs Semestern bzw. mit 180 Leistungspunkten, wobei ein Leistungspunkt einer Arbeitsbelastung von ca. 25 bis 30 Stunden entsprechen soll. Wer einen „Bachelor Professional“ erreichen will, muss nach seiner mind. 3-jährigen Regelausbildung in einem annerkannten Beruf eine Berufspraxis von mind. zwei Jahren nachweisen und anschließend eine ca. 600 Unterrichtseinheiten umfassende Weiterbildung erfolgreich abschließen. In Summe ist ein Nachweis an beruflicher Praxis von mind. fünf Jahren erforderlich, um den Titel „Bachelor Professional“ zu erhalten.


wap: Die Hochschulen haben ein ausgewiesenes System zur Qualitätssicherung. Bei den Kammern gibt es dies aber nicht. Wer sichert die Qualität beim beruflichen Bachelor-Abschluss?

Reinhard Böckl: Ein absolutes Muss für die Vergabe des Titels „Bachelor Professional“ ist die Sicherstellung der Qualität und zwar bei den Inhalten sowie bei der Prüfung. Ein entsprechendes Qualitätsmanagement muss aufgebaut werden. Insbesondere das Niveau der Prüfungen muss bundes- bzw. landesweiten einheitlichen Standards und entsprechen und die Aufgabenerstellungsauschüsse sind von den Sozialpartnern entsprechend zu berufen. Ebenso gehört dazu ein zwischen den Sozialpartner verbindlich abgestimmter Rahmenlehrplan mit entsprecheder Taxonomie. Eine Vergabe des Titels „Bachelor Professional“ für alle Meister- und Fachwirtabschlüsse ohne Einhaltung entsprechender Qualitätsvorgaben findet meine Zustimmung nicht.


wap: Die Hochschulen behaupten, dass der Abschluss Bachelor rechtlich geschützt sei?

Reinhard Böckl: Die rechtlichen Bedenken gegen die Bezeichnung „Bachelor Professional“ sind vom Bundeswirtschaftsministerium geprüft worden, Ergebnis: es gibt keine rechtlichen Hindernisse gegen die Einführung des Titels „Bachelor Professional“. Auch die von der BDA geäußerten Vorbehalte, dass es zu Verwechsellungen bzw. Irritationen kommt, sind unhaltbar. Nehmen wir nur das Beispiel, Abschlüsse zum Betriebswirt. An Hochschulen, Fachschulen, Akademien und Kammern wurde der Abschluss in mehr als 50 Varianten vergeben wie z. Beispiel: Betriebswirt (FH); Staatlich geprüfter Betriebswirt; Betriebswirt (VWA), Betriebswirt (BA), Betriebswirt im Handwerk, Betriebswirt (IHK),Technischer Betriebswirt (IHK).


wap: Wie sieht die Entwicklung in Europa aus?

Reinhard Böckl: Derzeit setzen sich auch andere Länder in der Europäischen Union mit der Graduierungsproblematik für Arbeitnehmer, die nur über die berufliche Weiterbildung die Chance zum beruflichen Aufstieg haben, auseinander. Schon jetzt kooperieren private Weiterbildungsinstitutionen in Deutschland mit ausländischen Universitäten und zertifizierten Institutionen bei der Vergabe von Bachelor- und Mastergraden und unterlaufen damit die Vergabemonopolstellung der Hochschulen. Wir sollten nicht warten, bis die Weiterbildungsinstitutionen in der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der beruflichen Weiterbildung sich die "Bachelor-Graduierung" in anderen Staaten der Europäischen Union anerkennen lassen. So bietet beispielsweise das EU Mitglied Irland für Absolventen der beruflichen Weiterbildung eine "Bachelor-Graduierung" an.


wap: Werden die deutschen Arbeitnehmer benachteiligt?

Reinhard Böckl: Die Internationalisierung und Globalisierung der letzen Jahre, auch auf dem Arbeitsmarkt, machen es erforderlich, dass die Wertigkeit deutscher, beruflicher Fortbildungsabschlüsse von ausländischen Entscheidungsträgern eingeordnet werden können. Andernfalls sind Arbeitnehmer aus Deutschland, insbesondere gegenüber amerikanischen, oftmals weniger gut qualifizierten Beschäftigten, chancenlos. Für die Transparenz sind Bachelor und Master erforderlich, weil sie international bekannt und aussagekräftig sind.


wap: Wie sieht die Praxis der Bachelor-Ausbildung in Europa aus?

Reinhard Böckl: In anderen Ländern erwerben Fachkräfte ihren beruflichen Abschluss in der Regel an einer Hochschule, in Deutschland an einer Berufsfachschule oder im dualen System der Berufsausbildung. Weder die jeweilige Dauer der Ausbildung noch deren Inhalte begründen Unterschied bei der Bewertung. Denn es ist wohl eher eine Frage der Tradition, an welcher Institution eine solche Ausbildung angesiedelt ist. Dabei bin ich mir keineswegs sicher, ob ich mir von einem akademischen „Bachelor of Hairdressing“ oder „Master of Hairdressing and Salon Management“, wie sie in Großbritannien angeboten werden, lieber die Haare schneiden lassen würde als von einem deutschen Friseur-Gesellen oder einer deutschen Friseurmeisterin.


Quelle: Weiterbilden - Ausbilden - Prüfen, Homepage der IG Metall, 27.7.2007

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 27.07.2007