Lebenslanges Lernen

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Die Weiterbildung ins Zentrum

Möglichkeiten des Bundes zur Förderung der Weiterbildung stärken und nutzen

In dem Papier werden ausführliche bundespolitische Handlungsmöglichkeiten und konkrete Schritte zur Förderung der Weiterbildung gemacht, die wir im folgenden dokumentieren.


a) Mentalitätswandel pro Weiterbildung und politische Steuerung
  1. Es wird ein gesamtstaatliches Bündnis für Weiterbildung aus Vertretern von Bund, Ländern, Kommunen und den Tarifpartnern gegründet, nach dem Vorbild des Bündnisses für Ausbildung etc., um zu konkreten kurz-, mittel- und langfristigen Vereinbarungen über die Steigerung der Anstrengungen für Weiterbildung und die jeweiligen anteiligen Leistungen der Partner hieran zu kommen. Das Bündnis für Weiterbildung wird eingeleitet über einen Gipfel für Weiterbildung, analog der anderen langfristigen Projekte der Bundesregierung.

  2. Die Minister für Arbeit und Soziales, für Bildung und Forschung, für Wirtschaft und Technologie, für Familie, Jugend, Frauen und Senioren und für Finanzen bilden ein Weiterbildungskabinett, das einen Aktionsplan Weiterbildung 2015 der Bundesregierung zusammenstellt und regelmäßig in Umsetzung und Weiterentwicklung überprüft. Im 4-Jahres-Zeitraum bis 2011 ist insbesondere das Unterstützungsprogramm für gute Arbeit im höheren Erwerbsalter und die Erhöhung von Weiterbildungsfähigkeit und -beteiligung anzugehen.

  3. Im Benchmark mit anderen Staaten in Europa, die führend in der Förderung von Weiterbildung sind, wird als verbindliches Ziel eine Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung auf ein Mindestniveau von 75 % bis 2020 nach Eurostat-Kriterien angestrebt mit nachweisbaren Zuwachsraten von mindestens 2-3% pro Jahr. Hierfür ist die Weiterbildungsstatistik durch den Bund zu optimieren und für eine jährliche Berichterstattung operationell zu machen.

  4. Die Bundesregierung ergreift Initiativen zur Verstärkung der Weiterbildungsförderung auf EU-Ebene über einen Ausbau der EU-Bildungsprogramme und speziell den Ausbau der GRUNDTVIG-Programme (aktuell nur 4% Anteil am EU-Aktionsprogramm LLL in Höhe von insg. 7 Mrd. Euro von 2007-2013), über die Implement ierung von Weiterbildung in den EQR-Prozess und die Gewährleistung der Anschlussfähigkeit, die Intensivierung der institutionellen Kooperation und des personellen Austausches sowie die Verbesserung der EU-Weiterbildungsstatistik.

  5. Der Bund setzt sich dafür ein, dass in einem Nationalen Bildungsbericht die Weiterbildung zum Schwerpunktthema erklärt wird, u.a. zu Fragen der Benachteiligtenförderung, der Verstärkung betrieblicher und beruflicher Fortbildung für Niedrigqualifizierte und der Fort- und Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer. Der Nationale Bildungsbericht ist dabei um Landesbildungsberichte und landesbezogene bzw. regionale Bündnisse für Weiterbildung zu erweitern, deren Erfahrungen in die Nationale Bildungsberichterstattung einbezogen werden können.

  6. Im Rahmen des Bund–Länder–Programms zur Ausweitung der Bildungsforschung wird ein Sonderprogramm Weiterbildungsforschung zu den einschlägigen Fragestellungen aufgelegt. Es werden zwei Sonder–Panel für die Alterskohorten zwischen 18 (Berufsbildungsphase) und 30 bis 35 (Etablierung im Beruf) sowie zwischen 35 und 55 (Einstieg in die letzte Berufsphase) aufgebaut, um zeitnah Informationen für Bildungsverläufe im Lebenslangen Lernen unter der Fragestellung von Weiterbildungsbereitschaft, -fähigkeit, -beteiligung und -wirkung zu erhalten.


b) Die Finanzierungssysteme der Weiterbildung
  1. Das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) ist um die Bildungsprämie zu erweitern. Der aktuelle Vorschlag liegt hierbei bei maximal 154 Euro Staatsprämie jährlich, mindestens 30 Euro Eigenleistung und bis zu 154 Euro persönlicher Zusatzleistung. Es ist anzustreben, dass Arbeitgeber diese Bildungsprämie durch steuer- und sozialversicherungsfreie Aufstockungsbeiträge bis zu Höhe von 154 Euro zusätzlich erhöhen können.

  2. Es ist im AFBG (dann Weiterbildungsförderungsgesetz) ein Rechtsanspruch für eine Alphabetisierungsbildung und einen nachgemachten Schulabschluss zu begründen, bei dem die Maßnahmenkosten analog der Einkommensprüfung nach BAföG und AFBG bis zu 90% als Zuschuss übernommen und die möglichen Unterhaltskosten je nach Alter nach BAföG und AFBG hälftig als Zuschuss und Darlehen finanziert werden (Rechtsanspruch auf eine Zweite Chance).

  3. Das Vermögensbildungsförderungsgesetz wird um die Möglichkeit des Bildungssparens erweitert. Dazu müssen Anreize geschaffen werden, den angesparten Betrag bevorzugt für Weiterbildungszwecke einzusetzen, z.B. durch einen zusätzlichen Sparzuschlag auf den Arbeitnehmeranteil als staatliche Prämie im Umfang von bis zu 10%.

  4. Der Erhöhung der Bildungsprämie ist grundsätzlich der Vorrang vor einer Ausweitung der steuerlichen Absetzbarkeit von individuellen Weiterbildungskosten als Werbungskosten zu geben. Es wird angestrebt, die Bildungsprämie kontinuierlich zu erhöhen bis zu einem Wert, mit dem die Kosten von 95% der Angebote für Weiterbildung erfasst werden.

  5. Das Kreditprogramm der KfW ist um das Angebot von Krediten für Weiterbildung zu erweitern.Es ist auch die Möglichkeit von Kleinkrediten vorzusehen.

  6. Die Arbeitslosenversicherung SGB III ist zu einer Beschäftigungsversicherung weiter zu entwickeln. Prinzipiell ist ein bundesweiter Rechtsanspruch jedes Arbeitnehmers auf eine Weiterbildungvon jährlich mindestens 5 Tagen mit Verblockung von bis zu 3 Jahren für berufliche Weiterbildung einzuführen, die über den jetzigen SGB III § 77 (1) 1 hinausgeht und nicht in Arbeitslosigkeit, Bedrohung durch Arbeitslosigkeit oder fehlenden Berufsabschluss begründet ist. Dieser Anspruch auf eine Woche ist auf bis zu 3 Wochen (entsprechend verblockt) auszuweiten, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusätzlich je 1/3 der Kosten bzw. der Arbeitnehmer 2/3 der Kosten übernimmt. Die jährliche Anspruchszeit von 5 Tagen ist schrittweise dahin auszuweiten, dass eine prinzipielle Lebensweiterbildungszeit bis zum Regelumfang einer qualifizierten Erstausbildung besteht.

  7. Die Altersteilzeit ist nicht mehr in verblockter Form wahrzunehmen, sondern nur in echter Altersteilszeit mit verpflichtenden angemessenen Qualifizierungsanteilen zu Beginn der Altersteilzeitphase.

  8. Die Verordnungsermächtigungen für Maßnahmen der Weiterbildung nach SGB II und SGB III werden im Sinne einer Hartz/Clement–Revision so verändert, dass so genannte Erfolgskriterien von Maßnahmen, wie z.B. das 70%-Kriterium, prinzipiell flexibilisiert werden. Das Ausschreibungsverfahren muss Qualitätskriterien zur Tarifierung der Mitarbeiter enthalten. Die Ausschreibungszeiträume sind bis auf 3 Jahre plus Option auf Verlängerung zu erweitern. Die regionale Erfahrung und Vernetzung ist zum verbindlichen Ausschreibungskriterium zu machen.

  9. Die Aussetzung des Aussteuerungsbetrages der BA an den Bundeshaushalt ist solange vorzunehmen, wie der Betroffene an einer anerkannten Maßnahme der Weiterbildung teilnimmt.

  10. Die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme im Regelkreis des SGB III darf nicht den zeitlichen Anspruch auf den Bezug von Arbeitslosengeld I mindern (SGB III, § 128 (1) Nr. 8 und (2) Satz 3).

  11. Im Rahmen vom SGB II soll es eine Freistellung von vorhandenen Einkommen und Vermögen für Zwecke der Weiterbildung geben in Bezug auf Anrechnungen und Heranziehungen, wenn der Betroffene an Maßnahmen der Weiterbildung teilnimmt und hierbei im vertretbaren Rahmen zusätzliche Aufwendungen geltend machen kann (siehe SGB II, § 12).

  12. In einem Weiterbildungsgesetz des Bundes sind Fragen der Freistellung, der Zertifizierung von Maßnahmen und Anerkennung von Trägern, der Qualitätssicherung etc. zu regeln.


c) Organisatorische Umsetzung des Ausbaus der Weiterbildung
  1. Das Berufsbildungsgesetz ist derart zu überarbeiten, dass eine anschlussfähige Liste von nach Berufsbildern normierten Weiterbildungen zwingende Voraussetzung für die Anerkennung eines Berufsbildes ist.

  2. Für die Anerkennung von Weiterbildungen im formalen und informellen Bereich werden geeignete Formen der Zertifizierung entwickelt, die dann in einem bundeseinheitlichen Weiterbildungspass dokumentiert werden können.

  3. Vor dem angekündigten Verfall von Bildungsgutscheinen nach SGB III erfolgt eine Initiativberatung zur Nutzung des Bildungsgutscheins, die vom Empfänger des Bildungsgutscheins verpflichtend wahrzunehmen ist.

  4. Der Aufbau einer ausreichenden Bildungsberatung wird immer wichtiger. Der Aufbau eines Beratungsnetzes bei den Verbraucherzentralen als Trägern von Bildungsberatung ist genauso über ein Musterprogramm des Bundes (zusammen mit den Ländern) anzuschieben wie eine ausreichende Qualifizierung der Mitarbeiter in der BA bzw. bei den ARGEs über Fragen der Qualifizierung und Weiterbildung sicher zu stellen ist. Das Berufsbild des Beraters für Weiterbildungist zu entwickeln und abzusichern.

  5. Die Tarifpartner sind über betriebsnah eingerichtete Personalentwicklungsbüros und Kooperationsprojekte in den Betrieben in der gemeinsamen Verantwortung von Betriebsrat bzw. Gewerkschaft und Firmenleitung bei der Umsetzung von Qualifizierungs–Tarifverträgen und -maßnahmen des Bundes nach SGB III - wie der Initiative 45plus etc. – zu unterstützen. Hierzu wird aus Mitteln des SGB III ein Sonderprogramm für Weiterbildungsberatung und –entwicklung zusammen mit den Tarifpartnern aufgelegt.

  6. Die Tarifpartner werden im Rahmen der Forschungs- und Transferprogramme des Bundes bei der Implementierung und der Evaluation ihrer Qualifizierungs–Tarifverträge unterstützt. Es sind spezielle Förderprogramme zur Schulung von Betriebsräten für Fragen der Weiterbildung und der Personalentwicklung mit Unterstützung des Bundes aufzulegen.

  7. Das Betriebsverfassungsgesetz wird mit dem Ziel novelliert, dass sich § 92 a nicht nur auf das Vorschlagsrecht des Betriebsrates für Maßnahmen der Beschäftigungssicherung durch Qualifizierung bezieht, sondern auch Initiativrechte, Vorschlags- und Anhörungsrechte zur Personalentwicklung durch Weiterbildung für die Beschäftigten durch den Betriebsrat wahrgenommen werden können. Das Unternehmen wird hierbei ab einer Unternehmensgröße von 10 Vollzeitbeschäftigten verpflichtet, einen alle 2 Jahre fort zu schreibenden Qualifizierungsplan für die Mitarbeiter den Betroffenen und dem Betriebsrat vorzulegen und mit diesen zu erörtern.

  8. Das Gesetz zum Insolvenzschutz wird um die Sicherung der Ansprüche auf Arbeitszeit- und Lernzeitkonten erweitert.

  9. Das Bundesprogramm „Lernende Region“ wird fortgeführt mit einer neuen Schwerpunktsetzung insbesondere im Hinblick auf die Regionalisierung von Bündnissen für Weiterbildung sowie auf die Vernetzung von betrieblichen und beruflichen Weiterbildungsstrukturen mit den Trägern der allgemeinen und politischen Weiterbildung. Ein weiteres Schwerpunktthema wird gesetzt bei dem Aufbau von Weiterbildung in Regionen mit einem hohen Zuwanderungsanteil.

  10. Der Bund engagiert sich weiterhin bei der Sicherstellung besonders qualifizierter Weiterbildungs-Testsysteme mit nationalem Wirkungsgrad. Die Erfahrungen mit dem Testsystem Weiterbildung der Stiftung Warentest sind für die Qualifizierung regionaler Agenturen zur Qualitätssicherung zu nutzen.


d) Zielgruppen und besondere Initiativen
  1. In einer Kooperation von Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen wird ein Netzwerk Akademische Weiterbildung aufgebaut. Der Bund unterstützt über die BA gezielte Förderprogramme für die entsprechenden Akademiker-Bedarfsgruppen (z.B. Nachqualifizierung von Ingenieuren etc.)

  2. Der Bund initiiert ein Sonderprogramm „Bonus für Basisbildung – bis 30 zum Erfolg“ mit dem Ziel, dass von dem Programm U25 nicht erfasste junge Erwachsene eine zweite Chance bekommen, einen Schulabschluss bzw. Berufsabschluss zu erwerben.

  3. Unter dem Leitgedanken „Lernwelten verbinden“ wird für Migranten im Rahmen des Bündnisses für Integration ein Bund-Länder-Kommunalprogramm aufgelegt, dass speziell zugewanderte Frauen und ältere Menschen ansprechen soll. Der Zusatzkurs für staatsbürgerliche Bildung im Rahmen der Sprachförderung wird erhöht und flexibilisiert.

  4. Zusammen mit den Tarifparteien wird speziell für die Beschäftigten in der Leiharbeitnehmerbranche ein Qualifizierungskonzept entwickelt, das mit einer Zusatzabgabe über einen Branchenfonds finanziert wird und mit Mitteln aus der Beschäftigungsversicherung abgesichert wird.

  5. Die Altersbildung in der Phase nach dem Berufsleben wird zu einem Schwerpunkt von gemeinsamen Förderinitiativen aus dem Bildungs- sowie aus dem Familien- und Seniorenministerium gemacht. Bildung im Alter wird zu einem Forschungsprogramm des BMBF. Unter dem Leitgedanken vom gemeinsamen Lernen im Alter werden Modellprogramme von den Hochschulen (Senioren- bzw. Mehrgenerationenuniversität) bis hin zu Kirchen und Sportvereinen etc. entwickelt.



Quelle: Diskussionspapier der AGBF der SPD-Bundestagsfraktion vom 25.4.2007

Sie können das vollständige Diskussionspapier hier als pdf-Datei herunterladen.


Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 02.12.2007