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DGB zur Pendlerpauschale: Einspruch per Musterbrief

Musterbriefe: Ans Finanzamt schicken

Auf einer Pressekonferenz am Montag, den 11. Dezember 2006 erläuterte Claus Matecki,
Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die Position des DGB zur Änderung der Pendlerpauschale:


"Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die nicht nur von der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer, sondern auch vom fiskalischen Mehraufkommen sowie von der Steuersystematik und vom Steuerrecht gesehen weitreichenste Maßnahme des Steueränderungsgesetzes 2007 ist die beschlossene Kürzung und Änderung der Entfernungspauschale.

Es handelt sich bei dieser Maßnahme nicht nur um eine bloße Kürzung der bisher gewährten Pauschale, sondern auch um einen grundlegenden Wechsel in der steuerlichen Berücksichtigung der Fahrtkosten als Werbungskosten.

Bis Ende 2006 können steuerpflichtige Arbeitnehmer/-innen für ihre Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte generell pro Entfernungs-km 0,30 Euro als Werbungskosten bis zu einem jährlichen Gesamtbetrag von 4.500 Euro von der Steuer absetzen. Über diese Grenze hinaus ist ein weiterer steuerlicher Abzug möglich, wenn der Arbeitnehmer als Fernpendler sein Auto tatsächlich nutzt oder andere höhere Kosten nachgewiesen werden.

Diese Regelung wird ab 2007 zunächst dahingehend geändert, dass für Fahrten bis zu 20 Entfernungs-km keinerlei Fahrtkosten mehr steuerlich anerkannt werden. Die Kostenpauschale von 0,30 Euro je Entfernungs-km soll nur noch für Strecken ab 21 Entfernungs-km berücksichtigt werden können. Die finanziellen Auswirkungen dieser Verschlechterung sind dabei nicht unerheblich. Ein Steuerpflichtiger mit 10 km Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte konnte bisher bei 220 Arbeitstagen im Jahr 660 Euro als Werbungskosten geltend machen. Bei einem Steuerpflichtigen mit 20 Entfernungs-km waren es schon 1.320 Euro, bei 30 Entfernungs-km 1.980 Euro und bei 50 Entfernungs-km 3.300 Euro. Wenn zukünftig die ersten 20 km Entfernung keine steuerliche Berücksichtigung mehr finden, ergeben sich für die Betroffenen je nach persönlichem Steuersatz jährliche Nettoeinkommensverluste von bis zu mehreren 100 Euro.

Allein diese Folgen sind für den DGB schon Grund genug, die beabsichtigte Kürzung der Entfernungspauschale deutlich abzulehnen. Hinzu kommt der politische Skandal, dass die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nun auch noch dafür bestraft werden sollen, dass sie zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit eine hohe Mobilitätsbereitschaft zeigen, was sie nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Anstrengung kostet.

Neben diesen Verschlechterungen sind weitere zu nennen: So konnten bisher Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sofern sie die insgesamt anzusetzende Entfernungspauschale überstiegen, zusätzlich berücksichtigt werden. Diese faire Regelung wurde jetzt ebenfalls gestrichen.

Auch die Berücksichtigung von Kosten von Unfällen, die auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte passieren, wird ab 2007 für die Steuerpflichtigen gestrichen, deren Wohnort weniger als 21 km von der Arbeitsstätte entfernt liegt. Diese Maßnahme kann im Einzelfall besonders bitter werden.

Der DGB hat in der Anhörung zum Steueränderungsgesetz 2007 am 1. Juni 2006 vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages u. a. geltend gemacht, dass die Neuerung zur Pendlerpauschale nach seiner Auffassung verfassungswidrig ist. Dies betrifft zum einen die unterschiedliche Behandlung von Fahrtkosten bis zum 20. und von solchen Kosten ab dem 21. Entfernungs-km. Zwei im Prinzip gleiche Sachverhalte werden hier unterschiedlich steuerlich bewertet.

Des Weiteren sind nach unserer Auffassung Fahrtkosten zur Arbeit keine Privatangelegenheit, sondern sie stehen im ursächlichen Zusammenhang mit der Arbeitsaufnahme. Deswegen kann man ihnen auch nicht den Status als Werbungskosten nehmen, wie es der Gesetzgeber als „Paradigmenwechsel“, der die US-amerikanische Systematik mit der Aussage „Die Arbeit beginnt am Werktor“ auf Deutschland übertragen soll, beschlossen hat.

Wir sind nun sehr froh darüber, dass die HBS einen Auftrag an Prof. Dr. Joachim Wieland vergeben hat, der die verfassungsrechtliche Problematik der geänderten Pendlerregelung überprüfen sollte.

Wir freuen uns sehr, dass Herr Prof. Wieland in seiner gutachterlichen Stellungnahme mit der abschließenden Feststellung, dass die beschlossenen Änderungen bei der Pendlerpauschale verfassungswidrig sind, unsere Auffassung voll bestätigt.

Es reicht dem DGB aber nicht aus, in dieser Frage lediglich Recht zu bekommen. Wir wollen dieses Recht auch umsetzen. Deswegen bieten wir den lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmern/-innen praktische Hilfe an. Herr Prof. Wieland hat in unserem Auftrag Musterbriefe entworfen, mit denen gegenüber den Finanzbehörden beantragt werden kann, die Entfernungspauschale wie bisher auch hinsichtlich der ersten gefahrenen 20 km steuerlich anzuerkennen. Diese Schreiben, die sich sowohl gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 aber auch bereits gegen die Ablehnung des Lohnsteuerermäßigungsantrages 2007 beziehen, liegen in diesen Unterlagen mit aus.

Es ist bekannt, dass u. a. der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine e. V. Berlin und der neue Verband der Lohnsteuerhilfevereine Musterverfahren in Hinsicht Pendlerpauschale durch alle Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht angekündigt haben. Deswegen enthalten die Musterbriefe abschließend die Formel, dass sich die Unterzeichner bis zur abschließenden Entscheidung über diese Streitfrage mit dem Ruhen des Verfahrens einverstanden erklären. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass im Falle eines abschließenden Urteilspruchs durch das Bundesverfassungsgericht, welches die ab 2007 geltende Regelung zur Pendlerpauschale für verfassungswidrig erklärt, ihren Anspruch auf die Rückerstattung zu viel gezahlter Lohnsteuer aufrecht halten. Es wird daher zu entsprechenden Urteilen kommen.

Wir hoffen und erwarten, dass viele Arbeitnehmer/-innen diesen von uns empfohlenen Weg beschreiten werden, um somit auf diese Weise die von der schwarz-roten Koalition begangene Verletzung des Lohnsteuerrechtes abzuwehren.


Meine Damen und Herren,

lassen Sie mich eine abschließende Bemerkung machen. Die von uns kritisierte Neuregelung zur Pendlerpauschale ist nicht der einzige steuerpolitische Beschluss, bei dem die Gewerkschaften mit der Bundesregierung im Konflikt stehen. Wir werden eine Steuerpolitik nicht akzeptieren, die, gerechnet seit dem Beginn der Regierungskoalition im Herbst vergangenen Jahres, die Arbeitnehmer/-innen mit Mehrwertsteuer, Versicherungssteuer, Verschlechterungen beim Lohnsteuerrecht sowie verschiedenen Anhebungen im Bereich der Sozialversicherungen und bei Hartz IV im Jahre 2007 mit rund 30 Mrd. Euro zusätzlich belastet, während die Unternehmen, die bereits 2007 von der Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages von 6,5 auf 4,2 % hälftig partizipieren, im Jahr
2008 noch einmal eine steuerliche Entlastung erfahren, die deutlich über 10 Mrd. Euro hinausgeht. Eine solche Politik, die nicht nur verteilungspolitisch unakzeptabel ist, sondern im nächsten Jahr zu einem kräftigen Abbremsen des Wirtschaftswachstums von wahrscheinlich längerfristiger Dauer und damit auch zu einem Wiederanstieg der Arbeitslosigkeit führen wird, kann von uns nicht hingenommen werden."



Sie können die Musterbriefe zum Widerspruch gegen den einkommensteuerbescheid 2007 hier als pdf-Dateien herunterladen. Formulierungen in den Musterbriefen sollen darüber hinaus sicher stellen, dass die ArbeitnehmerInnen nach einem möglichen abschließenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu viel gezahlte Steuern zurück erhalten.

Das steuerrechtliche Gutachten von Prof. Dr. Joachim Wieland kann auf der Homepage des Deutschen Gewerkschaftsbundes als pdf-Datei heruntergeladen werden.


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Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 01.01.2007