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Zuweisungspraxis und Preispolitik der Bundesagentur für Arbeit bedrohen die Arbeit der beruflichen Rehabilitation

Bericht vom letzten Treffen des Arbeitskreises „berufliche Reha BBW/BFW.“

„Beschäftigt haben uns in erster Linie zwei Themen.
  1. Perspektive der Geschäftpolitik der Bundesagentur und die darauf basierende künftige Ausrichtung der Berufsbildungswerke und
  2. Die interne Arbeits- und Kommunikationsstruktur und die damit zusammenhängende Bildungsplanung für 2007.
Im Mittelpunkt des Meinungsaustauschs zu Punkt 1 stand die Frage, inwieweit die Bundesagentur das "persönliche Budget" auch für Maßnahmen der beruflichen Reha im Rahmen der Erstausbildung einsetzt. Fazit war, dass es zurzeit (noch) nicht vorstellbar ist, dass potentiellen Teilnehmern an Maßnahmen der beruflichen Erstausbildung im Reha-Bereich ein persönliches Budget angeboten wird. Bekannt ist jedoch zumindest ein Fall, indem einer Teilnehmerin an einer beruflichen Reha-Maßnahme aufgrund ihrer behinderungsspezifischen Einschränkungen ein persönliches Budget zur Finanzierung ihrer Fahrtkosten von und zur Ausbildungsstätte, einem Berufsbildungswerk, angeboten wurde.

Bezüglich der Maßnahmekosten gehen wir davon aus, dass nach aktueller Zuweisungspraxis die Genehmigung einer Maßnahme in einer stationären Einrichtung (z.B. Berufsbildungswerk) voraussetzt, dass die entsprechenden Fachdienste der Arbeitsagenturen besondere Hilfen in einer besonderen Einrichtung für notwendig erachten. Dies würde bedeuten, der Teilnehmer könnte mit einem persönlichen Budget zwischen verschiedenen Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen wählen. Die regionale Verteilung dieser Einrichtungen würde jedoch eine Wahl nach Kostengesichtspunkten in der Regel ausschließen.

Als bedrohlich sehen wir vielmehr die Zuweisungspraxis der Arbeitsagenturen und die Preispolitik der Bundesagentur. Bezüglich der Anmeldungen in Berufsbildungswerken für 2006 ist festzustellen, dass die Soll-Belegungszahlen in fast allen Berufsbildungswerken erreicht wurden. Da kann man ja eigentlich nicht Klagen. könnte man sagen. Aber.....Jahr für Jahr werden die Berufsbildungswerke im Unklaren gehalten, ob sie noch im Rahmen der einstmals festgelegten Planzahlen belegt werden. Der Kostendruck wird Jahr für Jahr erhöht. Wir haben folgende Tendenzen aus Sicht der Betriebsräte und Mitarbeitervertretungen festgemacht:
  • die Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke wird von der Bundesagentur hingehalten

  • die Berufsbildungswerke lassen sich gegenseitig ausspielen (gegenseitige Konkurrenz nimmt zu, man macht alles was Geld bringt)

  • das Klientel verändert sich, wird immer schwieriger (mangelnde Sozialkompetenz, Rehaberater haben keine Alternativen mehr, geben in die BBWs was geht, aber möglichst kostenneutral)

  • der Kostendruck wird nach unten weiter gegeben und auf die Belegschaften abgewälzt (Befristungen, Personalabbau, Tarifkündigungen - obwohl im Vertrag (1982 ?) zwischen der damaligen Bundesanstalt für Arbeit und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke eine Anlehnung an den BAT festgeschrieben war und offiziell noch nicht gekündigt ist.

  • Belastungen innerhalb der Belegschaften nehmen immer mehr zu. Vor allem ältere Arbeitnehmer/innen geraten immer mehr unter Druck. Der/die Teilnehmer/in als "Einnahmefaktor" wird in seinem/ihrem Schutzinteresse höher bewertet als der/die Mitarbeiter/in.

  • die Qualität der Ausbildung und die Qualität des Arbeitsplatzes sinken. Die qualitativen Stärken der Berufsbildungswerke werden ad absurdum geführt und somit graben sich die Berufsbildungswerke das "Wasser" selber ab.

  • einer möglichen Fallbudgetierung wird vorgegriffen. Ob sie für BBWs zur Anwendung kommt ist jedoch fraglich (s.o.)
Die Zeiten werden härter, aber Hoffnungslosigkeit ist nicht angesagt, wenn wir als Arbeitnehmervertretungen uns auf den Grundgedanken gewerk-schaftlicher Solidarität besinnen.

Solidarisch zu handeln setzt auch eine funktionierende Arbeits- und Kommunikationsstruktur voraus. Dieses Thema war der zweite Punkt auf der Sitzung des Arbeitskreises der BBW-"Fraktion".

Ergebnisse unserer Beratung sind:
  • Wir brauchen eine Plattform, auf der sich alle Berufsbildungswerke aktuell austauschen können. Den Versuch eine solche Plattform zu schaffen habt ihr gerade vor euch.

  • Wir brauchen einen starken Partner. Wir sehen darin die Gewerkschaft – Ver.di. Über Jahrzehnte hat sich diese Partnerschaft bewährt (die ÖTV soll hier auch erwähnt werden) und das soll so bleiben. Aber eine Gewerkschaft ist nur so stark wie ihre Mitglieder und die Mitglieder sind die Gewerkschaft.

  • Für uns, die in Ver.di organisierten Betriebsräte und Mitarbeitervertretungen aus Berufsbildungswerken bedeutet das, wir müssen uns verstärkt um Planung und Organisation von Seminaren selber kümmern. Dies wird der Arbeitskreis zukünftig auch tun. Unterstützt werden wir dabei von hauptamtlichen Mitarbeiter/innen von Ver.di und von Ver.di b+b (Bildung und Beratung).
Für 2007 haben wir zwei Schulungen für Betriebsräte und Mitarbeitervertretungen geplant Die erste soll in der 12. oder 13. Kalenderwoche 2007 stattfinden. Der frühere Termin lässt uns mehr Spielraum für Handlungsmöglichkeiten. Ein zweiter Termin wird dann im Spät-herbst festgelegt. Die Schulungen werden mit entsprechenden Inhalten nach BetrVG § 37,6 ausgeschrieben.

Als mögliche Themen sind bisher genannt:
  • Mitbestimmung in Tendenzbetrieben
  • Leistungsentgelt in TVöD-BBWs
  • Regelungen in befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen
  • Auswirkungen des Kostendrucks auf die Beschäftigten in Berufsbildungswerken
  • Integrationsperspektiven aus der Sicht der Arbeitnehmervertretungen in Berufsbildungswerken.
Zum Schluss dieses Tagesordnungspunktes wurde der nächste Sitzungstermin des AK-Reha BBW/BFW auf den 01.02.07 in Kassel festgelegt.

Nach einer guten Gulaschsuppe wurde die Sitzung dann gemeinsam mit den Betriebsräten der BFWs fortgesetzt.

Ein Tagesordnungspunkt war auch hier das persönliche Budget. Weitere Punkte waren die Vorbereitung der Fachtagung für Betriebsräte und Mitarbeitervertretungen von Bildungsträgern, Berufsbildungswerken und Berufsförderungswerken, und die Nutzung der Homepage "netzwerk-weiterbildung.info".

Bezüglich des persönlichen Budgets stellt sich die Situation für Berufsförderungswerke erheblich bedrohlicher dar.

Anzumerken ist, dass die Berufsförderungswerke in jüngster Vergangenheit durch gesetzgeberische Veränderungen und durch die Geschäftspolitik der Bundesagentur einen erheblichen Rückgang der Teilnehmerzahlen zu verzeichnen haben. Damit verbunden natürlich auch ein Personalabbau. Er bewegt sich in der Größenordnung von einem Drittel der Beschäftigtenzahl.

Wie bekannt, sind Berufsförderungswerke Einrichtungen zur Umschulung und Fortbildung behinderter Erwachsener, die in der Regel bereits berufstätig waren. Berufsförderungswerke führen Maßnahmen zur beruflichen Neuorientierung durch. Im Unterschied zum Berufsbildungswerk, das der beruflichen Ersteingliederung junger Menschen mit Behinderungen dient, liegt die Aufgabe des BFW in der beruflichen Wiedereingliederung.

Das bedeutet, dass sich im Hinblick auf ein persönliches Budget, mit eigener Suche des potentiellen Teilnehmers nach einer kostengünstigeren Maßnahme zur beruflichen Wiedereingliederung, eine Vielzahl von Möglichkeiten ergibt. Die Folge: Berufsförderungswerke geraten an den Rand der Wirtschaftlichkeit, sind in ihrer Existenz bedroht.

Beraten wurden politische Handlungsmöglichkeiten, um den Entscheidungsträgern die negativen Auswirkungen eines persönlichen Budgets für Wiedereingliederungsmaßnahmen zu verdeutlichen."


Quelle: betreff doppelpunkt No. 1, Oktober 2006. Newsletter für Beschäftigte in der beruflichen Rehabilitation in Berufsbildungswerken.

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Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 25.10.2006