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Bundesagentur für Arbeit

Keine Zeit für die Schwachen

Die Bundesagentur für Arbeit wird seit Hartz III auf Effizienz getrimmt. Arbeitsabläufe haben sich verbessert, bei der Vermittlungsstrategie aber verschärft sich der Widerspruch zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialem Auftrag. Das geht zu Lasten von schwer vermittelbaren Arbeitslosen, so eine Studie.

90.000 Beschäftigte, 650 Geschäftsstellen, ein Budget von über 50 Milliarden Euro - die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist die größte Behörde Deutschlands. In den drei Jahren mit Hartz III haben sich ihre Arbeitsweise und Zielsetzung stark verändert. Das iso-Institut Saarbrücken und die Organisationsberatung Peter Ochs evaluieren den Umbau der BA im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Ein Zwischenbericht, basierend auf 200 Interviews mit Beschäftigten und Führungskräften der Bundesagentur, erlaubt erste Aussagen über den Wandel.

Die Umstrukturierung, so die Zwischenbilanz, sei zumindest "unter dem Aspekt der Effizienzsteigerung und der Optimierung der Abläufe auf gutem Wege". Kern der Reform ist das neue Kundenzentrum: Standardanliegen werden jetzt nur noch in der Eingangszone und per Telefon im ServiceCenter aufgenommen. Dadurch können sich die Fachkräfte für Vermittlung und Leistungsvergabe ungestört um Spezialfälle kümmern. Jobvermittler beschreiben das als Verbesserung.

Die BA-Zentrale in Nürnberg wurde stark verkleinert, operative Aufgaben wurden ausgelagert. Ein aufwändiges Controlling soll dafür sorgen, dass die 178 Agenturen die Vermittlungsziele einhalten. Die Bundesagentur hat ihre Dienstleistungen für Arbeitslose und Arbeitgeber - ihre Kunden - standardisiert. Das ist effizient, bringt aber Nachteile für Hilfesuchende, deren Anliegen nicht zu den gängigen Mustern passen. Die Vermittlungskräfte der BA klagen über mangelnde Spielräume im Einzelfall. Zudem sorgte es für Enttäuschung, dass ihre Erfahrungen "für die Gestaltung der neuen Organisation schlichtweg nicht gefragt" waren.

Die Bundesagentur orientiert sich seit der Reform stärker an einer "betriebswirtschaftlich geprägten Versicherungslogik". Dadurch, beobachten die Forscher, verschärft sich der Zielkonflikt zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialpolitischem Auftrag, der weiterhin im Gesetz verankert ist. Mit begrenztem Aufwand soll die BA die Zahl der leistungsberechtigten Arbeitslosen möglichst rasch senken. Der so genannte Aussteuerungsbetrag erhöht den Druck: Für jeden Arbeitslosen, der keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld I hat und von dieser Versicherungsleistung zum steuerfinanzierten Arbeitslosengeld II übergeht, muss die BA fast 10.000 Euro an den Bund zahlen. Für die Bundesagentur birgt das ein erhebliches Haushaltsrisiko - und es ist ein Ansporn, diese Klippe möglichst zu umschiffen.

Die BA konzentriert daher ihre Qualifizierungs- und Vermittlungsangebote auf Arbeitsuchende, die zwar nicht aus eigener Kraft eine Stelle finden, aber noch vergleichsweise leicht zu vermitteln sind. Weit weniger Aufmerksamkeit bekommen die so genannten "Betreuungskunden" - jene Arbeitslose, die bei der Jobsuche erhebliche Hilfe benötigen. Deren Eingliederung ist kostspielig und damit "nicht rentabel". Volker Hielscher vom iso-Institut: "Faktisch werden Betreuungskunden, für die noch im Bericht der Hartz-Kommission die intensivste Unterstützung vorgesehen war, in Nicht-Betreuungskunden verwandelt." Ausgerechnet die Problemgruppe sei von "Leistungen der aktiven Arbeitsmarktförderungen weitgehend ausgeschlossen." Das Risiko der sich verfestigenden Arbeitslosigkeit steigt.

Auch gegenüber Arbeitgebern haben sich die Prioritäten verschoben. Die Handlungsanweisungen sehen eine Fokussierung auf "potenzialreiche Arbeitgeber" vor - Unternehmen mit großer Belegschaft oder hoher Fluktuation. Wo viel Personal bewegt wird, kann die Bundesagentur ihre Kandidaten gut ins Spiel bringen. Hier wäre eine Gelegenheit, schwächere Arbeitslose unterzubringen. Da die Vermittler aufgrund der Versicherungslogik jedoch rasch die Kosten der Arbeitslosigkeit reduzieren sollen, haben die am besten qualifizierten Arbeitslosen Vorrang. Zugleich vernachlässigt die Bundesagentur kleine Betriebe, denen Personalmanagement und Rekrutierungskompetenzen fehlen, so Hielscher. Dabei könnten dort möglicherweise größere Beschäftigungspotenziale erschlossen werden.

Quelle: Boeckler Impuls 06/2006
*Quelle: Volker Hielscher: Reorganisation der Bundesagentur für Arbeit: „Moderner Dienstleister“ für wen?, in: WSI-Mitteilungen 3/2006


Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 30.08.2006

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024