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Ausschreibung von Arbeitsmarktdienstleistungen für junge Menschen mit Behinderung

Im Zuge der Reformen der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurde beschlossen, dass Arbeitsmarktdienstleistungen zukünftig nach der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) ausgeschrieben werden können.

Nicht erfasst werden sollten hiervon die sog. besonderen Leistungen für Menschen mit Behinderung gemäß Â§ 102 Abs. 1 Nr. 1 a) SGB III, das heißt berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB) sowie Weiter- und Ausbildungsmaßnahmen, die in besonderen Einrichtung außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden können. Damit waren die Maßnahmen der Berufsbildungswerke, welche das Ziel verfolgen, jungen Menschen mit Behinderung mittels einer Ausbildung eine nachhaltige Integration in Arbeit und damit in die Gesellschaft zu ermöglichen, ausgenommen.

Die Praxis der BA zeigt jedoch ein anderes Bild. Zum einen weisen die psychologischen Gutachten der Agenturen für Arbeit (AfAs) zunehmend junge Menschen mit „Lern- und psychischen Beeinträchtigungen“ aus, die der besonderen Maßnahmen der BBWs nicht bedürften und damit ausgeschrieben werden könnten. Zum anderen ist es ausdrückliche Politik der BA, die reha-spezifischen berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen in BBWs zu reduzieren und stattdessen kostengünstiger via Ausschreibung einzukaufen.

Der nahtlose Übergang aus einer BvB Maßnahme in eine Ausbildung ist nicht mehr vordergründiges Ziel. Entscheidend ist vielmehr die Integration in den Arbeitsmarkt. Ob es sich bei dieser Integration um eine vorübergehende Eingliederung unqualifizierter Arbeitskräfte handelt, ist ohne Bedeutung. Die Tatsache, dass die hohen Arbeitslosenzahlen in Deutschland sich vor allem aus unqualifizierten Kräften zusammensetzen scheint hierbei ebenso ohne Belang wie die Bedeutung, die eine abgeschlossene Berufsausbildung für das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten eines jungen Menschen haben kann. Stattdessen wird auf kurzfristige kostengünstige Lösungen gesetzt.

Derzeit bemüht sich die BAG BBW durch einen konstruktiven Dialog mit der BA den Ausbildungsanspruch junger Menschen mit Behinderung sicherzustellen. Vornehmliches Ziel dieser Verhandlungen ist es durch eine klare Definition des individuellen Hilfebedarfs die Rechtssicherheit für junge Menschen mit Behinderung zu stärken.

Abgesehen von dem Problem, das junge Menschen mit Behinderung über ihre Rechtsschutzmöglichkeiten häufig nicht informiert sind, leiden sozialrechtliche Eilverfahren derzeit unter den ausschlaggebenden psychologischen Gutachten der AfAs. Die Erstellung von Gegengutachten ist für die betroffenen Menschen mit Behinderung mit erheblichen Kosten verbunden.

Gleichzeit gilt es der politischen Priorität der BA gerecht zu werden und eine wirtschaftliche und sparsame Mittelverwendung nachzuweisen. Diese wird im Rahmen der Pauschalpreisverhandlungen häufig nicht hinreichend deutlich, da der einfach lernbehinderte Mensch die gleichen Maßnahmekosten aufweist, wie der vielfach schwerstbehinderte.

In der zunehmenden mittelbaren Konkurrenz zu ausgeschrieben Maßnahmen ist darüber hinaus sicherzustellen, dass nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Inwieweit ausgeschriebene Maßnahmen erfolgreich in betrieblichen Ausbildungen münden, ist bislang gänzlich ungeklärt. Dies erscheint vor dem Hintergrund der ohnehin rückläufigen betrieblichen Ausbildungsstellen äußerst fraglich. Ebenso liegen keinerlei Erkenntnisse vor, inwieweit derartige betriebliche Ausbildungen seitens der jungen Menschen mit Behinderung erfolgreich abgeschlossen werden. Abschließend bliebe zu klären, was eine betriebliche Ausbildung kostet, in welcher alle individuell erforderlichen Unterstützungen des einzelnen jungen Menschen mit Behinderung bereitgehalten werden. Diese werden in BBWs gebündelt vorgehalten.

Die Ausschreibungspraxis der BA ist aus Gründen der Qualitätssicherung der Teilhabe junger Menschen mit Behinderung auch für die BAG BBW von Bedeutung. Der entstandene Preiswettbewerb hat zu zahlreichen Insolvenzen und zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bei den Weiterbildungsträgern geführt. Zudem haben zahlreiche Maßnahmen erheblich an Qualität eingebüßt. Man mag hier von einer bereinigenden Wirkung des Wettbewerbes sprechen, dies aber nur dann, wenn die Qualität der Maßnahmen sichergestellt wird. Mangelnde Qualitätskontrollen, die mögliche Beauftragung von Subunternehmern, kurze Vertragslaufzeiten und die Ablehnung von Mindestlöhnen für qualifiziertes Reha- und Ausbildungspersonal fördern hingegen einen Wettbewerb, in dem Marketing, Logistik und Preisdumping mehr zählen als Qualität.

Die Bemühungen der Gewerkschaften ver.di und GEW durch die Schaffung eines Branchentarifvertrages Weiterbildung dieser Entwicklung entgegenzutreten, stocken derzeit an der Frage der Arbeitsbedingungen. Ein derartiger Tarifvertrag könnte auch in die Vergabepraxis der BA einfließen.

Erste Zugeständnisse hat die BA im Bereich der Qualitätsprüfung und –kontrolle sowie hinsichtlich der Vertragslaufzeiten im Bereich BvB gemacht. Ferner hat die BA gegenüber der Bundesregierung gesetzliche Änderungen angeregt. So sollen die Möglichkeiten der freien Vergabe erweitert werden, der Ausschluss von Trägern bei einem Missverhältnis zwischen Preis und Maßnahme rechtssicher ermöglicht, vereinfachte Maßnahmebeschreibungen zugelassen werden, Abweichungen von der Teilnehmerzahl und damit von der festgelegten Vergütung möglich sein sowie Maßnahmen trotz Nachprüfungsverfahren beginnen können.

Es gilt auch weiterhin sicherzustellen, dass junge Menschen mit Behinderung trotz der Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ihren Weg in Arbeit und damit in unsere Gesellschaft finden. Dies kann am Besten durch eine konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten umgesetzt werden.

Quelle: Dr. Katja Robinson, Newsletter August der BAG Berufsbildungswerke, S. 4.

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Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 25.08.2006