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Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen schlägt Alarm: Berufliche Förderung für behinderte Jugendliche reduziert sich auf ein Minimum

Wie bereits 2003 fragte die Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen auch in diesem Frühjahr bei den regionalen Schulen für Lernhilfe nach, welche Fördermöglichkeiten für behinderte SchulabgängerInnen zum Einstieg in die berufliche Ausbildung in 2005 vorhanden seien.

Das Ergebnis ist niederschmetternd. Von 122 SchulabgängerInnen erhalten ganze 3 einen Platz in einem Berufsbildungswerk (BBW), sechs Jugendliche gehen in die Werkstatt für Behinderte, ein Jugendlicher erhält einen betrieblichen Ausbildungsplatz. „Alle anderen werden eine der regionalen Berufsbildenden Schulen besuchen müssen, Schulen, die kaum über zusätzliche finanzielle und fachliche Ressourcen zur Betreuung von behinderten Jugendlichen verfügen,“ stellt Maria Lemmermöhle von der Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen fest, die die Befragung durchgeführt hat. Ähnlich sehen es auch die befragten Schulen für Lernhilfe, die für mindestens 59 ihrer SchulabgängerInnen eine besondere Unterstützung für notwendig halten.

Noch bis vor 3 Jahren konnten Jugendliche mit dem sogenannten „Rehastatus“ eine von der Bundesagentur für Arbeit finanzierte betriebliche oder überbetriebliche Ausbildung beginnen, die neben der fachlichen Ausbildung u.a. in HelferInnenberufen der Holz- und Metallbearbeitung und Hauswirtschaft, vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten bereit hielt. Besonders schwer behinderte Jugendliche konnten in speziellen Internaten (BBWs) eine berufliche Ausbildung beginnen. Ein an die Fähigkeiten der Jugendlichen angepasstes Lerntempo, Begleitung bei Behördengängen und der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten, Hilfe in Krisensituationen wurde von arbeits- und sozialpädagogischen Fachkräften angeboten. In vielen Fällen konnten Jugendliche mit diesen Hilfen eine Ausbildung abschließen und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.

Im Frühjahr 2003 wurde deutlich, dass diese Form der Förderung nicht mehr gewünscht war, eine damalige Befragung bei den Schulen für Lernhilfe zeigte, - von 34 durch das damalige Arbeitsamt bewilligten Förderungen wurden 23 wieder zurückgezogen – ein Signal für die Zukunft.

„Am 12.7.05 legen die letzten Helferinnen in Hauswirtschaft ihre Abschlussprüfungen ab, im Herbst 2005 wird es keine überbetriebliche und besonders begleitete HelferInnenausbildung in der Region mehr geben,“ berichtet Inge Wagner, Leiterin der Ausbildung im BBZ Göttingen. Die entsprechenden Werkstätten werden verkleinert oder ganz abgebaut, das Fachpersonal wird entlassen und die eh schon geringen Chancen behinderter Jugendlicher auf dem immer enger werdenden Ausbildungsmarkt einen Platz zu finden sinken gen null.“

Die Verantwortung für diese Misere wird seit Jahr und Tag zwischen verschiedenen Ämtern hin und her geschoben, die Agentur für Arbeit erklärte sich vorrübergehend als nicht mehr zuständig bzw. sah ihre Berufsberatungspflicht auch für diese Jugendlichengruppe mit dem Verweis auf betriebliche Ausbildungsplätze oder BBSen als erfüllt. Auch Integrationsämter und optierende Kommunen mögen sich nicht in eine Verantwortlichkeit einbinden lassen.

Was bleibt ist das nach wie vor existierende „Recht“ auf besondere Förderung gemäß Â§102 SGB III und die schwierige Aufgabe, diesem Recht im Einzelfall Geltung zu verschaffen.

Die Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen fordert gemeinsam mit der AG Reha und dem Behindertenbeirat Göttingen die örtliche Agentur für Arbeit und die optierende Kommune auf, die noch vorhandenen Fördermaßnahmen zu besetzen und sich dafür einzusetzen, dass überbetriebliche Ausbildungsmöglichkeiten vor Ort, aber auch in Berufsbildungswerken weiterhin erhalten bleiben.

Quelle: Pressemitteilung der Bildungsgenossenschaft zur Situation der beruflichen Ausbildung behinderter Jugendlicher vom 14. Juni 2005, erschienen am 27.7.05 im Göttinger Tageblatt.


Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 30.04.2006

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024