Nachrichten-Archiv

Zurück zur Übersicht

Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats zu "Tarifautonomie auf dem Prüfstand"

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat sein neues Gutachten zu "Tarifautonomie auf dem Prüfstand" vorgelegt. Ausgangspunkt des Gutachtens ist die Auffassung des Beirates, dass die Tarifautonomie angesichts der Arbeitslosigkeit versagt habe und die institutionelle Ausgestaltung der geltenden Tarifordnung den Betrieben und ihren Mitarbeitern nicht ausreichend Spielraum für Flexibilität und Differenzierung lasse. Der Beirat schlägt im Wesentlichen eine weitgehende gesetzliche Öffnung der Tarifverträge vor, d.h. eine Ermächtigung an Betriebsleitung und Betriebsrat, durch Betriebsvereinbarung von einem Tarifvertrag abweichen zu können.

Die Bundesregierung lehnt aber trotz des Gutachtens weiterhin gesetzliche Öffnungsklauseln für Tarifverträge ab. Sie ist der Meinung, dass das auf längere Sicht das Ende der Flächentarifverträge und das Ende der Tarifautonomie wäre. Auch beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) stieß das Gutachten auf massive Kritik.

Die Wissenschaftler fordern in ihrem Gutachten eine durchgreifende Flexibilisierung der Tarifverträge. Sie verweisen darauf, dass die bisher übliche Praxis vor allem zu Lasten der mehr als vier Millionen registrierten Arbeitslosen gehe. Deshalb soll es für Unternehmensführungen und Betriebsräte eine gesetzliche Möglichkeit geben, vom Tarifvertrag abweichende Sondervereinbarungen zu schließen.

Der Vorsitzende des Beirats, der Tübinger Professor Wernhard Möschel, räumte allerdings ein, dass solche Klauseln angesichts der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kaum umsetzbar seien. Deshalb könnte die Öffnung der Tarifverträge an bestimmte Bedingungen geknüpft werden. Als wesentliche Voraussetzung für abweichende Betriebsvereinbarungen nennen die Experten eine hohe Zustimmung der Belegschaft. Möschel sprach von einer Quote von "50 Prozent plus x".

Zudem schlagen die Wissenschaftler zeitlich befristete "Experimentierklauseln" vor. Auf diese Weise könnten beide Seiten mit der Öffnung von Tarifverträgen Erfahrungen sammeln, bevor die Neuregelungen endgültig in Kraft träten. Möschel räumte jedoch ein, dass die Chancen für eine baldige Umsetzung der Empfehlungen gering sind: "Wir sind uns im Klaren darüber, dass unsere Vorstellungen von der aktuellen politischen Realität ein Stück weit entfernt sind."

Bundeswirtschafts- und -arbeitsminister Clement ist der Auffassung, dass es zu allererst Aufgabe der Tarifvertragsparteien sei, mehr Freiräume für Vereinbarungen auf betrieblicher Ebene unter dem Dach des Tarifvertrages schaffen, um Beschäftigung zu fördern und zu sichern. In der Praxis gebe es bereits eine Vielzahl erfolgreicher Beispiele für die Berücksichtigung betriebsspezifischer Belange. "Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften bleiben aufgefordert, ihrer Gestaltungsverantwortung aktiv und konstruktiv nachzukommen", so der Minister weiter. DGB-Chef Sommer warf den Wissenschaftlern vor, sich "trotz besseren Wissens" über verfassungsrechtliche Einwände hinweg zu setzen.

Das Gutachten können sie auf der Homepage des Bundesministeriums als pdf-Datei herunterladen.

Quelle:arbeitsrecht.de

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 03.12.2003

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024