Selbstständige in der Weiterbildung

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Honorare in Integrationskursen reichen weiterhin zum Leben nicht aus

In einer kleinen Anfrage aus dem September 2011 (Drucksache 17/6924) bezifferte die Bundesregierung das durchschnittliche Honorar in Integrationskursen mit 18,24 Euro je Unterrichtsstunde. In einer neuen Anfrage vom Dezember 2013 (Drucksache 18/160) sollen es jetzt durchschnittlich 20,20 Euro sein. Damit bewegt sich das durchschnittliche Honorar genau an der Grenze, bei der die Träger eine mehrjährige Zulassung erhalten können.

Ganz offensichtlich ist vielen Trägern der Mehraufwand einer jeweils einjährigen Antragsstellung zu aufwendig. Da geben sie lieber den DozentInnen ein paar Cent mehr die Stunde. Auskömmliche Honorare sind das weiterhin nicht.

Vergleicht man die Antworten aus beiden Bundestagsdrucksachen, ergibt sich folgendes Bild:



In 2011 streuten die Honorare noch relativ breit um den Durchschnittswert von 18,18 Euro. Allein im Bereich von 15 bis unter 20 Euro befanden sich damals 877 Träger oder fast 72 Prozent aller Anbieter. Dieser Bereich schrumpft jetzt merklich zusammen. Es sind nur noch 83 Träger oder 6,3 Prozent der Anbieter.

Leider war der Honorarbereich von 20 bis 25 Euro in der Anfrage von 2011 nicht unterteilt worden. Die relativ hohe Zahl von fast 25 Prozent der Träger, die damals in diesen Bereich fielen, sind wohl eher dem jetzt eingeführten Bereich von 20 bis 22 Euro zuzuordnen.

Der in den Zulassungsbedingungen eingeführte Schwellenwert bildet nicht die Untergrenze des Honorars, das gezahlt wird. Es ist offensichtlich ein Richtwert, an den sich die Träger in der Regel penibel halten. Das betrifft sowohl Abweichungen nach unten wie auch nach oben. Wenn die Bundesregierung der Meinung ist, das diese Vergütungsuntergrenze „die erwartete Wirkung entfaltet hat“, dann wird es Zeit, diese Grenze weiter in Stufen zu erhöhen. Damit endlich angemessene Honorarsätze gezahlt werden.


Wie bewertet die Bundesregierung die Wirkung der Mindesthonorargrenze?

In ihrer Antwort auf die Frage 15 schreibt sie:

„In der Gesamtbewertung kann festgestellt werden, dass die Maßnahme der Erhöhung der Vergütungsuntergrenze für Honorarlehrkräfte auf 20 Euro als Voraussetzung für eine mehrjährige Trägerzulassung die erwartete Wirkung entfaltet hat.

Insgesamt haben rund 70 Prozent der Träger ihr Lehrkräftehonorar zum 1. März 2013 erhöht. Davon haben rund 5,8 Prozent der Träger ihr Honorar erhöht, obwohl sie bereits vor dem 1. März 2013 mindestens 20 Euro an Honorarlehrkräfte gezahlt hatten. Rund 64,1 Prozent der Träger lagen vor der Neuregelung bei einer Honorarvergütung von unter 20 Euro und haben zum 1. März 2013 ihr Honorar erhöht, um die ihnen erteilte mehrjährige Zulassung zu erhalten. Damit haben 97,8 Prozent der Träger, für die eine Nichterhöhung des Honorars zu einer Verkürzung der Zulassungsdauer geführt hätte, auf die Neuregelung positiv reagiert. Während die Bandbreite der Honorarerhöhungen von 17 Cent bis 7 Euro reicht, beträgt der Mittelwert der Honorarerhöhungen 1,87 Euro. Im Schnitt haben die Träger, die auf die Neuregelung positiv reagiert haben, damit 1,87 Euro der Stundensatzerhöhung vom 1. Januar 2013 an die Lehrkräfte weitergegeben.“



Auch diese Antwort bestätigt die Annahme, dass die sogenannte Untergrenze des Honorars sich inzwischen als Richtwert für das Honorar festgesetzt hat. Nur 5,8 Prozent der Träger haben ihr Honorar erhöht, wenn sie bereits über dieser Schwelle lagen. Allerdings lagen über 25 Prozent der Träger über dieser Schwelle. Etwa jeder fünfte Träger, der bereits 2011 ein Honorar von 20 und mehr Euro bezahlt hat, hat sich die Erhöhung der Kostensätze für eine Unterrichtsstunde komplett in die eigene Tasche gesteckt. Obwohl die Erhöhung doch den DozentInnen zu besseren Vergütungen verhelfen sollte. Dazu schweigt die Bundesregierung.

Stattdessen verkündet sie mit Stolz, dass die Träger, die mit Dumpinghonoraren unter dem Schwellenwert lagen, mit 97,8 Prozent „auf die Neuregelung positiv reagiert“ haben. Im Schnitt haben die Träger die Honorarsätze um 1,87 Euro die Unterrichtsstunde erhöht. Vorher lag das geforderte Mindesthonorar bei 18 Euro die Stunde, jetzt bei 20 Euro. Die Träger haben damit im Schnitt ziemlich genau das an die DozentInnen weitergegeben, was sie vor zusätzlichem Aufwand (sprich einer jährlichen Antragsstellung) schützt. Aber keinen Cent mehr. Ein einfaches betriebswirtschaftliches Rechenspiel. Was kostet mehr? Die jährliche Antragstellung? Oder die paar Cent für die DozentInnen? Offensichtlich sind es die Kosten der jährlichen Antragsstellung.

Nur zur Erinnerung. Die Stundensätze je TeilnehmerIn wurden vom Bund von 2,54 Euro auf 2,94 Euro erhöht. Das sind 40 Cent pro TeilnehmerIn. Wenn die Träger im Gegenzug die durchschnittlichen Honorare gerade einmal um 1,87 Euro anheben, entspricht dies einer durchschnittlichen Teilnehmerzahl von 4,675 Personen je Kurs. Mit so einer geringen Zahl wird kein Kurs durchgeführt. Aber alles, was darüber hinaus geht, landet automatisch in den Taschen der Träger und nicht in den Geldbörsen der DozentInnen. Angenommen, der Kurs wird mit 14 TeilnehmerInnen durchgeführt. Der Träger erhält dann 5,60 Euro je Unterrichtsstunde mehr vom Bund überwiesen. An die DozentInnen reicht er lediglich 1,87 Euro weiter. Macht für ihn einen Schnitt von 3,73 die Stunde.

Und das läppert sich. Denn so ein Kurs ist üblicherweise auf 600 Unterrichtstunden ausgelegt. Dann kommen pro Kurs 2.238 Euro an zusätzlichen Reinerträgen für den Träger dabei heraus. Die Träger beantworten dies gerne mit „gestiegenen Gemeinkosten“. Hübsch, aber was da plötzlich die Kosten je Kurs um über 2.000 Euro in die Höhe treibt, dazu hüllen sie sich in schweigen.

„Das die Kostenträger keine konkreten Vorgaben mit Regelungswirkung in Bezug auf die genaue Höhe des Honorars der Lehrkräfte machen können, heißt andererseits nicht, dass die Zuschussempfänger nach eigenem Gusto über die öffentlichen Gelder verfügen und sie ggf. für die Aufstockung des allgemeinen Budgets nutzen können. (…) Das BAMF hatte vor dem Hintergrund der ungenügenden Bezahlung der Honorarkräfte, die in den Jahren zuvor bereits Gegenstand politischer Auseinandersetzung war, in seinem Trägerschreiben vom 07.12.2012 allerdings deutlich gemacht, dass mit der Anhebung des Kostenerstattungssatzes die Erwartung verknüpft sei, dass sich die Lehrkräftevergütung verbessere.“ (Aus einem Schreiben des MdB Dr. Mathias Middelberg an die VHS Osnabrück)

Die Erhöhung der Stundensätze sollte den Honorarkräften zu einer verbesserten Vergütung verhelfen. Das ist, wenn überhaupt, häufig nur im Rahmen der Mindesthonorargrenze erfolgt. Den Löwenanteil haben sich die Träger in die Tasche gesteckt. Es fehlt offensichtlich an Regelungen, die den Trägern konsequente Vorgaben im Bereich der Honorare vorgibt. Die Mindestgrenze allein wird es nicht richten. Denn spätestens bei 25 Euro die Stunde als Vorgabe schlägt wieder die Betriebswirtschaft durch. Dann sind die Aufwendungen für die jährliche Antragsstellung plötzlich niedriger als die Honorarerhöhung. Und schon fällt die Honorarerhöhung in’s Wasser.


Wo kommen eigentlich die 2,94 Euro her?

Bleibt die Frage, wie die Bundesregierung auf ihren Stundensatz von 2,94 Euro gekommen ist. Es gab ja Berechnungen, um wieviel die Stundensätze für TeilnehmerInnen steigen müssten, damit die Honorare der DozentInnen auf z. B. 30 Euro die Unterrichtsstunde angehoben werden könnten. Diese Berechnungen gehen von einem direkten Zusammenhang zwischen schlechten Honoraren und zu niedrigen Stundensätzen aus. Was in der Realität zutrifft. Doch die Bundesregierung hat einen völlig anderen Weg eingeschritten, um an den Stundensatz heranzukommen. Es benutzte ein „Preisermittlungsverfahren des Statistischen Bundesamtes, das Preise von Gruppensprachkursen zum Vergleich herangezogen hat“ (Plenarprotokoll 17/222, S. 27716). Auf die entsprechende Frage, wie das denn funktioniert haben soll, schreibt die Bunderegierung:

„Grundlage des Preisermittlungsverfahrens des Statistischen Bundesamtes bildete die Preiserhebung der Verbraucherpreisstatistik für den Berichtsmonat Juni 2012. Verwendet wurden die Einzelangaben der Erhebungsposition „Lehrgangsgebühr einer Volkshochschule, Preis für eine Doppelstunde eines Sprachkurses von gängiger Anzahl von Doppelstunden (z. B. Englisch, Grundkurs)“. Die Preismeldungen der Verbraucherpreisstatistik umfassen Eingangstests, Lehrmaterial und Prüfungen bzw. Zertifizierungen, soweit diese Bestandteil des Kurses sind. Erfasst werden die Preise so wie sie von den Kursteilnehmern zu bezahlen sind. Aus den Daten errechnete das Statistische Bundesamt Durchschnittspreise für eine Unterrichtseinheit (Gruppenunterricht) à 45 Minuten.

Die Auswertung wies schließlich für 16 Bundesländer das durchschnittliche Preisniveau für eine Unterrichtseinheit (45 Minuten) in einem Gruppensprachkurs aus. Der Median lag bei 2,94 Euro. Hierauf basiert der am 1. Januar 2013 neu eingeführte Kostenerstattungssatz.“



Jetzt wird’s gar nicht mehr lustig. Die Bundesregierung lässt sich einen durchschnittlichen Preis einer Unterrichtsstunde einer Volkshochschule im Bereich Englisch ausrechnen. Und schwupps weis sie, welche Kostensätze in Integrationskursen angemessen sind. Dumm nur, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Klingt erst einmal ganz einfach. Da haben wir einen Marktpreis. Und wenn der im Durchschnitt genommen wird, dann nehmen wir ihn auch.

Dummerweise kann das System nicht klappen. Zum einen müsste nachgewiesen werden, dass der Markt für „Englisch an Volkshochschulen“ identisch ist mit dem Markt „Integrationskurse“. Ist er aber nicht. Im einen Fall handelt es sich in der Regel um staatlich bezuschusste VHS-Kurse, die dem Bereich Grundversorgung der Bevölkerung mit Weiterbildungsangeboten zuzuordnen ist. Der andere Markt, der gar keiner ist, betrifft staatlich verordnete Angebote im Bereich der Integration. Identisch ist da wenig.

Richtig schrägt wird der Vergleich, wenn man sich die jeweils eingesetzten Honorarkräfte anschaut. Der Bereich Fremdsprachen in Volkshochschulen lebt weiterhin von echten nebenberuflichen Lehrkräften. Lehrkräften, die im normalen Tagesgeschäft anderen Tätigkeiten nachgehen und sich mit den Kursen ein gutes Nebeneinkommen erwirtschaften. Denn bei ihnen gilt: Brutto gleich Netto! Was sie als Honorar erhalten, fließt üblicherweise ohne größere Abzüge auch in ihre Geldbörsen. Bei den Integrationskursen sieht es völlig anders aus. Schon die Art der Veranstaltung (600 Kursstunden in kurzer Zeitfolge, festes Lehrpersonal) macht es nötig, hier hauptberuflich lehrende DozentInnen einzusetzen. Bei denen jedoch gibt es kein Brutto gleich Netto! Im Gegenteil. Da können schnell 50 Prozent der Honorare für Sozialversicherung und Steuern draufgehen.

Die Bundesregierung liegt mit ihrer „Markthörigkeit“ schwer neben der Realität. Wer alles den Markt regeln lassen will, der muss das Soziale zwangsläufig vergessen. Denn für Marktgläubige fällt die Forderung nach August von Hayek „nicht in die Kategorie des Irrtums, sondern in die des Unsinns, wie der Ausdruck ‚ein moralischer Stein‘“. Daher gebe es keinen gerechten Lohn. Wenn der Markt ihn zwinge, „eine ihm widerwärtige Beschäftigung für einen sehr geringen Lohn anzunehmen“, sei das in Ordnung. Solange er frei sagen kann. Lieber verhungere ich als diese Arbeit zu diesen schlechten Bedingungen anzunehmen. Die Bundesregierung scheint dieser neoliberalen Position blind zu folgen. Das macht ihre beständige Weigerung deutlich, die doch so angeblich wichtige Integrationsarbeit nicht weiter unter unwürdigen Lohnbedingungen einzukaufen.


Peter Schulz-Oberschelp
Netzwerk Weiterbildung


Schlagworte zu diesem Beitrag: Honorar, Freiberufler/Selbstständige, Integrationskurse
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 18.02.2014

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 29.03.2024