Selbstständige in der Weiterbildung

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Beschäftigung in der Weiterbildung

Prekäre Beschäftigung als Ergebnis einer Polarisierung in der Weiterbildungsbranche

Die Ergebnisse der Befragung belegen, dass sich die Beschäftigungsbedingungen zwischen der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung entgegengesetzt entwickeln. Insbesondere in der allgemeinen Weiterbildung hat sich ein Ausmaß an prekärer Beschäftigung breit gemacht hat, das den öffentlichen Bekundungen über die gesellschaftliche Bedeutung des Lebensbegleitenden Lernens diametral entgegensteht. Dabei konnte das Segment der öffentlich geförderten beruflichen Weiterbildung in den Interviews nur unzureichend berücksichtigt werden.

Besonders von einkommensprekärer Beschäftigung sind die Selbständigen in der allgemeinen Weiterbildung betroffen, während die Vergleichsgruppe in der privatfinanzierten, beruflichen/betrieblichen Weiterbildung relativ hohe Einnahmen erzielt. Einkommensprekarität und instabile Beschäftigung stehen in einem deutlichen Zusammenhang zu den jeweilig zu betreuenden Adressatengruppen, den Maßnahmezielen und den beauftragenden Arbeitgebern. Während die prekär „Beschäftigten“ vornehmlich in öffentlich geförderten Maßnahmen mit sehr heterogenen, eher geringqualifizierten Zielgruppen arbeiten und neben der (sozial-)pädagogischen Betreuung auch sozialpolitische (integrative) Funktionen und Aufgaben übernehmen müssen, arbeiten die weitaus besser bezahlten Selbstständigen in der beruflichen/betrieblichen Weiterbildung mit zumeist homogenen, höherqualifizierten Adressatengruppen in fachlich profilierten Inhaltsbereichen.

Die Nähe zur staatlich finanzierten Weiterbildung mit öffentlichen Hauptauftraggebern (Bundesagentur für Arbeit, BAMF, Bund, Land, Kommunen) und einem eher sozialpolitischen Inhaltsprofil der Maßnahmen führt zu unverantwortbaren prekären Einkommens- und Beschäftigungsverhältnissen mit hohen und unvertretbaren Risiken des individuellen sozialen Abdriftens aufgrund einer hochgradig beruflich-erwerbsbezogenen Instabilität.

Besonders problematisch ist aus der Sicht der Befragten der beschleunigte Wandel in den Arbeits- und Aufgabenfeldern. Der – in der Regel durch eine akademische Ausbildung - erworbene berufliche Abschluss wird als unzureichend für die anfallende Aufgabenerledigung empfunden. Der permanente Wechsel der Aufgaben und Funktionen, die Ausdünnung pädagogischer Kompetenzfelder durch Verbreiterung und Anreicherung mit anderen Einsatzbereichen, für die erst die nötigen Kompetenzen erworben werden müssen, produziert einen enormen Arbeitsdruck mit hohen zeitlichen und psychischen Belastungen infolge der dauerhaften Arbeitsverdichtungen und den Flexibilitäts- und Mobilitätsansprüchen.

Während besonders die prekär Beschäftigten in der allgemeinen Weiterbildung unter ihren Bedingungen einen besonderen Leidensdruck spüren, begreifen die Festangestellten wie auch die Selbstständigen in der (privatwirtschaftlich finanzierten) beruflichen/betrieblichen Weiterbildung den Druck als potenziellen Entwicklungskorridor, um ihre Handlungsbasis, ihr Kompetenzrepertoire und ihr Autonomiespektrum in den abgesicherten institutionell-organisatorisch-kommunikativen Strukturen zu verbreitern. Zugespitzt formuliert: Während die Beschäftigten in der privatfinanzierten, beruflichen/betrieblichen Weiterbildung dies aufgrund ihrer sozialen und beruflichen Lage als Professionalisierungschancen nutzen können, droht den Honorarkräften in der allgemeinen Weiterbildung aufgrund fehlender Einbindung in entsprechende Strukturen eher eine Deprofessionalisierung und damit womöglich eine dauerhafte Destabilisierung im Erwerbslauf, da sie sich nur in losen Arbeitsbeziehungen in einer Zone austauschbarer pädagogischer „Jedermannstätigkeit“ befinden. Trotz der Erkenntnis ihrer fatalen Beschäftigungslage trauen die Beschäftigten den Gewerkschaften als Interessenvertretung wenig politischen Gestaltungseinfluss zu.


Quelle: Beschäftigung in der Weiterbildung,
Prekäre Beschäftigung als Ergebnis einer Polarisierung in der Weiterbildungsbranche:
Rolf Dobischat / Marcel Fischell / Anna Rosendahl,
Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Bildungswissenschaften, Institut für Berufs- und Weiterbildung IBW)
im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung


Sie können die vollständige Studie hier als pdf-Datei herunterladen. Wir danken Herrn Dobischat für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung.

Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Freiberufler/Selbstständige, Berufliche Weiterbildung, Volkshochschule
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 06.04.2010

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024