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Forschungsprojekt zur Anwendungspraxis des Qualifizierungsparagrafen

Tarifvertrag und Weiterbildung

Nur in etwa der Hälfte der Verwaltungen des öffentlichen Diensts finden Mitarbeitergespräche statt, in denen es auch um Qualifizierung geht. Dabei definiert der Paragraf 5 des TvöD/TvL einen klaren Anspruch der Beschäftigten. Vergangenes Jahr befragte das Forschungsinstitut Arbeit, Technik und Kultur (FATK) an der Uni Tübingen Führungskräfte und Personalräte zur Anwendungspraxis des Qualifizierungsparagrafen. Finanziert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Viele Erfahrungen gibt es noch nicht. Einige Verwaltungen allerdings nutzten die Chance, im Rahmen des Forschungsprojekts professionelle Umsetzungshilfe zu bekommen. So entstanden: eine Checkliste für Personalräte und Qualifizierungsverantwortliche sowie eine Best-Practice-Sammlung (erhältlich für 5 Euro bei verdi@ivb-gmbh.de).

Beispiel Köln. In den städtischen Kindertagesstätten, Kitas, arbeiten rund 3500 Erzieher/innen und so genannte Ergänzungskräfte, die oft in Kinderpflege oder Logopädie ausgebildet sind. Als das Land Nordrhein-Westfalen beschloss, ab 2013 nur noch Personalkosten für voll qualifizierte Erzieher/innen zu erstatten, sahen die Personalräte akuten Handlungsbedarf. Mit der Stadt wurde eine Dienstvereinbarung ausgehandelt, die sich auf Paragraf 5 TvöD "Qualifizierung zur Arbeitsplatzsicherung" stützt, berichtet der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats, Friedel Giesen-Weirich. Darin vorgesehen sind maßgeschneiderte Kurse für die Ergänzungskräfte, um den Abschluss Erzieher/in zu erlangen, sowie Vertretungen für sie in den Kitas während der Lernzeit. Trotz klammer Haushaltslage gab der Rat der Stadt Köln das Geld frei. "Die Tarifnorm hat überzeugt", sagt der Giesen-Weirich. Eine kluge Lösung für ein Problem, das den Kommunen vom Land eingebrockt wurde. Macht das Beispiel in NRW Schule? Giesen-Weirich bedauert: "Nein. Mit ist nichts Ähnliches bekannt."

Weiterbildung hing von Kassenlage ab

Beispiel Hannover. An der Fachhochschule (FH) arbeiten 380 Beschäftigte in Wissenschaft, Technik und Verwaltung den rund 600 Lehrenden zu. Viel hat sich für sie in kurzer Zeit verändert - sei es die Umstellung von der Kameralistik auf die doppelte Buchführung, seien es die Neuerungen in Werkstätten und Laboren, ausgelöst durch die Bachelor- und Masterreform. "Ob es aber Weiterbildung gab, hing von der Kassenlage der jeweiligen Abteilung ab", berichtet Personalrats-Vorsitzender Kai-Uwe Kriewald.

Dem Personalrat war klar: Ohne externe Unterstützung ist das Ziel, künftig Organisations- und Personalentwicklung zu verknüpfen, nicht zu erreichen. Da kam das Projekt der FATK gerade recht. Kriewald sagt: "Der Tarifvertrag allein war kein Impuls." Denn ein kleiner Personalrat könne nicht alle Themen selbst aufbereiten. Inzwischen haben Hochschule und Personalrat eine AG Personalentwicklung gebildet. Eines der Ziele: ein Prozent der jährlichen Personalkosten für Weiterbildung.

Warum lädt der Qualifizierungsparagraf im TvöD/TvL nicht mehr Personalräte zum Handeln ein? Im Vergleich zu Regelungen in der Metallindustrie, sagt FATK-Leiter Reinhard Bahnmüller, war der Paragraf 5 im öffentlichen Dienst zu wenig vordiskutiert. Er ist zu weich formuliert und es fehlen Unterstützungsstrukturen. "Jetzt muss ver.di nachlegen", sagt der Forscher.

Also: Beschäftigte fürs Thema Weiterbildung sensibilisieren, Personalräte bei der Umsetzung begleiten, mehr Verbindlichkeit im Tarifvertrag verankern. Dafür sieht Bahnmüller mehrere Ansätze, etwa die Verpflichtung, eine Dienstvereinbarung zur Qualifizierung abzuschließen, oder die Festschreibung eines bestimmten Anteils an den Personalausgaben für Qualifizierung oder die Eröffnung eines Branchendialogs zur Frage: Wo soll der öffentliche Dienst in zehn Jahren stehen?


Quelle: verdi news 5/2011


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Betriebliche Weiterbildung, Berufliche Weiterbildung, Qualifizierung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 12.04.2011

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 19.03.2024