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Regierungsbeirat fordert Pflicht zur Altersvorsorge

Der Sozialbeirat der Bundesregierung fordert, dem wachsenden Armutsrisiko bei Selbstständigen mit einer Versicherungspflicht entgegen zu wirken. Die Expertinnen und Experten im Beirat sehen dieses Risiko insbesondere bei Solo-Selbstständigen. In ihrem Gutachten zum "Rentenversicherungsbericht 2009" kommen sie zu dem Schluss, die Erwerbstätigkeit habe sich so deutlich verändert, dass sich der Gesetzgeber dem Problem "im Interesse der Betroffenen aber auch der Gesellschaft" nicht länger entziehen dürfe.

In seinem Bericht kritisiert der Beirat, dass die Einbeziehung aller Selbstständigen in ein System der Alterssicherung nicht auf der Agenda der neuen Koalition stehe. Es werde aber zunehmend dringender, "dass die Bundesregierung entsprechende Lösungen vorbereitet". Den Handlungsbedarf leiten die Beiratsmitglieder einerseits aus der hohen Zahl von inzwischen zwei bis drei Millionen ungesicherten Selbstständigen ab und andererseits aus dem Wandel der (selbstständigen) Erwerbstätigkeit in der Gesellschaft. Sie stellen unter anderem fest:
  • "Selbstständigkeit kann nicht mehr mit wirtschaftlicher Unabhängigkeit gleichgesetzt werden." Die meisten Selbstständigen seien wie alle Erwerbstätigen auf den Einsatz ihrer Arbeitskraft angewiesen und damit Risiken ausgesetzt. Fazit: "Ihre soziale Schutzbedürftigkeit ist mit der von Arbeitnehmern vergleichbar; ihre soziale Absicherung ist es allzu oft nicht."

  • "Die Erwerbstätigenstruktur hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verändert." Die Grenzen zwischen den Erwerbsformen seien zunehmend fließend geworden, und nur noch rund zwei Drittel der Erwerbstätigen seien im so genannten "Normalarbeitsverhältnis" tätig.

  • Zwischen 1991 und 2007 sei die Zahl der pflichtversicherten Beschäftigten um eine Million Personen gesunken, die Zahl der Solo-Selbstständigen dagegen um knapp 44 Prozent auf nunmehr zwei Millionen gestiegen.

  • Im Erwerbsverlauf von Personen mit niedrigem Netto-Alterseinkommen seien "bis zu dreimal längere Phasen der Selbstständigkeit zu finden", als bei jenen mit höheren Alterseinkommen.

  • Die Durchschnittsdauer der Selbstständigkeit im Laufe eines Berufslebens gehe zurück. Selbstständigkeit werde oft als Nebenerwerb ausgeübt und "in noch mehr Fällen wechseln sich selbstständige Tätigkeiten und abhängige Beschäftigungen ab" Es sei daher bei der sozialen Sicherung "ein Trugschluss, Arbeitnehmer und Selbstständige als zwei getrennte Personenkreise zu betrachten".

Aus diesen Fakten schließt der Beirat die Gefahr, dass künftig "immer mehr Erwerbstätige im Alter Versorgungslücken aufweisen" sowie einen "sozialpolitischen Handlungsbedarf" bei jenen Selbstständigen, die nicht anderweitig – etwa durch ein berufsständisches Versorgungswerk – abgesichert sind. Die Empfehlung, die Selbstständigen wegen der im Bericht diskutierten Vorteile des gesetzlichen Rentensystems in dieses einzubeziehen, fehlt im Bericht. Diese Aussage, so das 'Handelsblatt', wollten "die Arbeitgeber vermeiden". Nicht aber die grundsätzliche und deutliche Empfehlung es solle "dem wachsenden Armutsrisiko bei Selbstständigen – wie in den meisten Ländern Europas – mit einer Versicherungspflicht entgegen gewirkt werden."

Wohl ebenfalls aus Rücksicht auf die Arbeitgebervertreter im Sozialbeirat wird lediglich andiskutiert, dass eine Versicherungspflicht allein keine Garantie gegen Altersarmut bietet: Die vielfach geringen Einkommen erlauben eben keine effektive Vorsorge. Fest gestellt wird in diesem Zusammenhang immerhin, dass der Anteil Selbstständiger mit einem Monats-Nettoeinkommen unter 1.100 Euro bereits zwischen 1995 und 2005 um acht Prozent auf bereits knapp ein Drittel aller Selbstständigen angestiegen ist. – Nicht zuletzt deshalb fordert die Gewerkschaft ver.di schon lange, Solo-Selbstständige in das gesetzliche Alterssicherungssystem einzubeziehen und zugleich ein Modell zu entwickeln, wie Auftraggeber – insbesondere der abhängig Selbstständigen – an den Vorsorgezahlungen zu beteiligen sind. Zurzeit ist so etwas nur bei publizistischen und künstlerischen Berufen der Fall.


Quelle: mediafon


Weitere Informationen zum Thema und einen Link zum Gutachten finden sie auf der Homepage von mediafon.

Hier geht es zum Artikel aus dem Handelsblatt.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Freiberufler/Selbstständige, Prekäre Arbeit
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 23.12.2009

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 29.03.2024