Nachrichten-ArchivZurück zur ÜbersichtZukunft der BildungChancengleichheit und BildungWer die Programme der im Bundestag vertretenen Parteien liest, der findet eine hohe programmatische Übereinstimmung in bildungspolitischen Fragen. Alle setzen sich darin für mehr Chancengerechtigkeit im Bildungswesen ein. Was aber ist unter Gerechtigkeit zu verstehen? Wer Gerechtigkeit will, der hat die Interessen der am wenigsten Begünstigten als erstes bei Entscheidungen zu berücksichtigen, so Prof. Ehmann in seinem Eingangsreferat. Soweit die Theorie. Was wir jedoch in der Realität vorfinden, ist das, was die Gesellschaft für gerecht hält. So klafft eine große Lücke zwischen dem geforderten Postulat von Chancengerechtigkeit in der Bildung und den tatsächlich vorhanden Chancen, an Bildung ausreichend teilnehmen zu können. Beispiel Kita’s: Alle betonen die Notwendigkeit der frühkindlichen Bildung und der ausreichenden Versorgung mit Kindertagesstätten. Bis heute sind die Kindertagesstätten beitragspflichtig. Das führt dazu, dass Familien mit niedrigem Einkommen ihre Kinder nicht in die Kita schicken. Relativ hohe Beiträge und geringe Möglichkeiten, bei der Einkommenssteuer entlastet zu werden, hält sie davon ab. Beispiel Schule: Die allgemeine Schulgeldfreiheit ist inzwischen unbestritten. Durch die Absetzbarkeit von Schulgeldern bei Privatschulen fördert der Staat die Spaltung der Schüler in Privatschüler und in „Schmuddelkinder“, die öffentliche Schulen besuchen. Die Übernahme der Kosten für Lernmittel bei Gymnasiasten, die häufig aus Familien mit höherem Einkommen kommen, begünstig die, die sich die Ausbildung der Kinder auch privat leisten könnten. Beispiel Bafög: Der deutsche Staat fördert über das Steuersystem alle gleich, unabhängig davon, ob sie zu Hause wohnen oder auswärts eine eigenen Wohnung finanzieren müssen. Auch diese Förderpraxis führt zu einer Bevorzugung von Kindern aus reicheren Familien. Im Bildungsbereich verwirklicht sich der soziale Bundesstaat nicht! Der Föderalismus führt zu einer völligen Zersplitterung der Bildungsausgaben. Die verschiedenen Akteure schieben sich die Aufgaben und damit die finanziellen Lasten gegen zu. Das führt zu extremen Ausgaben für Ersatzmaßnahmen für Kinder, die im normalen Bildungssystem gescheitert sind. Ersatzmaßnahmen bei gescheiterten Bildungskarrieren Der Staat lässt sich die Förderung stigmatisierter Gruppen im Bildungssystem viel kosten. Ca. 20 % der Bevölkerung sind inzwischen von Bildungsmaßnahmen betroffen, die außerdem des regulären Schulwesens stattfinden (Förderschule). Die davon betroffenen Schüler werden auf ein Leben im Prekariat vorbereitet. Das ist politisch so gewollt, so Ehmann. Mit dem Dogma der Lernhomogenität von Gruppen, das nötig sei, um Leistungshomogenität zu erreichen, finde gezielt soziale Selektion in der Schule statt. Um pädagogisch homogene Gruppen zu erreichen, gebe es die Mittel:
Der Slogan vom „Aufstieg durch Bildung“ schließt die „Absteiger“ von Bildung aus. Wer Bildung unter den Begriff des Aufstiegs stellt, fördert gewollt die soziale Selektivität von Bildung. Die Homogenitätsideologie sei völkisch begründet und geprägt. Wer Aufstieg durch Bildung fordert, fördert soziale Selektion und verhindert Chancengerechtigkeit in der Bildung. Forderungen an Politik und Gewerkschaften Wissen ist Macht. Das Nutzen die Herrschenden, um ihre Stellung zu bewahren. Der Ausschluss von Bildung ist damit ein Herrschaftsinstrument priviligierter Schichten. Die Frage, ob Bildung der Weg zur Freiheit ist oder eher der Weg zur Befreiung, sei dagegen eine akademische Frage, so Professorin Miethe in ihrem abschließenden Beitrag. In zehn Thesen fasste sie ihre Forderungen an die Politik und die Gewerkschaften zusammen.
Peter Schulz-Oberschelp Netzwerk-Weiterbildung Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.09.2009 |
Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info Druckdatum: 29.03.2024 |