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Qualität beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen unzureichend geprüft

"Die Bundesagentur für Arbeit hat ihren gesetzlichen Auftrag, die Qualität beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen zu prüfen, nur unzureichend erfüllt. Sie kann keine verlässlichen Aussagen zur Qualität dieser Maßnahmen treffen. Die Bundesagentur für Arbeit legte keine Kriterien und Verfahrensregeln zur Qualitätsprüfung fest und überwachte nicht die Umsetzung durch die Agenturen für Arbeit. Dadurch konnte sie Mängel bei der Durchführung der Maßnahmen nicht frühzeitig erkennen, fachlichen Fehlentwicklungen nicht entgegenwirken und dem unwirtschaftlichen Einsatz von Ressourcen nicht rechtzeitig begegnen.

58.1

Seit dem Jahre 2003 gelten geänderte gesetzliche Vorschriften für die Förderung beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen. Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) kann die Kosten unter folgenden Voraussetzungen übernehmen:
  • Die Teilnehmerin oder der Teilnehmer muss durch einen von der zuständigen Agentur für Arbeit (Agentur) ausgestellten „Bildungsgutschein“ nachweisen, dass die Fördervoraussetzungen erfüllt sind.

  • Die Maßnahme und deren Träger müssen jeweils von einer privaten Zertifizierungsstelle zugelassen sein.

  • Die private Zertifizierungsstelle muss von der Bundesagentur förmlich anerkannt werden, die dabei von einem „Anerkennungsbeirat“ unterstützt wird.
Die Bundesagentur ist dazu verpflichtet, die Qualität der laufenden Weiterbildungsmaßnahmen zu überprüfen und deren Erfolg zu beobachten (§ 86 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III). Dazu können die Agenturen von den Trägern Auskunft über den Verlauf und den Eingliederungserfolg der Maßnahmen verlangen und Einsicht in Unterlagen nehmen. Stellen die Agenturen bei einer Überprüfung Mängel fest, können sie deren Beseitigung verlangen oder in bestimmten Fällen die Geltung des Bildungsgutscheins für diesen Träger ausschließen. Außerdem haben die Agenturen der verantwortlichen Zertifizierungsstelle die Ergebnisse ihrer Qualitätsprüfungen mitzuteilen.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2005, ob und wie die Bundesagentur ihren gesetzlichen Auftrag zur Qualitätsprüfung laufender Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung wahrnimmt. Er stellte Folgendes fest:
  • Die Bundesagentur hatte die Qualitätskontrollen nicht den veränderten Strukturen in der beruflichen Weiterbildung angepasst. Sie regelte insbesondere nicht, ob die Agentur am Wohnort, am Maßnahmeort oder eine überregionale Stelle für die laufenden Qualitätsprüfungen zuständig sein soll. Außerdem fehlten verbindliche Qualitätskriterien, Bewertungsschemata und Verfahrensregeln für die Durchführung der Qualitätskontrollen. Die zuständigen Fachkräfte wurden weder über die Verpflichtung zu Qualitätskontrollen informiert noch geschult, wie sie diese vornehmen sollten.

  • Die Bundesagentur überwachte nicht, ob, in welchem Umfang und mit welchen Ergebnissen die Agenturen Qualitätsprüfungen vornahmen. Ein entsprechendes Fachcontrolling gab es nicht. Die Umsetzung blieb weitgehend der Eigeninitiative einzelner Personen überlassen und war damit zufällig.

  • Soweit die Agenturen Weiterbildungsmaßnahmen prüften, deckten sie teilweise erhebliche Mängel auf, z. B. fehlende Qualifikationsnachweise der Lehrkräfte, eine unzureichende Betreuung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern während des Betriebspraktikums, fehlende Lehrpläne oder eine unzulängliche technische Ausstattung der Lehrstätten.

  • Die Agenturen informierten die Zertifizierungsstellen nicht über die Ergebnisse ihrer Qualitätskontrollen. Es gab auch keine Vereinbarungen, wie bei festgestellten Mängeln zu verfahren ist.
58.2

Die Bundesagentur ist ihrem gesetzlichen Auftrag, die Qualität der beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen zu prüfen, nur unzureichend nachgekommen. Daher konnte sie keine verlässlichen Aussagen zur Prozessqualität der beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen treffen. Sie war nicht in der Lage, Mängel in der Durchführung der Maßnahmen frühzeitig zu erkennen, fachlichen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken und den unwirtschaftlichen Einsatz von Ressourcen zu vermeiden.

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesagentur aufgefordert, ihre Handlungsempfehlungen zur Qualitätsprüfung der geänderten Rechtslage anzupassen. Sie hat Kriterien und Verfahren festzulegen, die die Ergebnisse der Qualitätskontrollen bundesweit vergleichbar machen. Die Bundesagentur muss im Rahmen ihrer Fachaufsicht sicherstellen, dass alle Agenturen ihrem Kontrollauftrag gleichermaßen nachkommen. Der Bundesrechnungshof hält es außerdem für erforderlich, dass die Bundesagentur die mit den Qualitätsprüfungen beauftragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schult und ihnen die notwendige Fachkompetenz vermittelt. Darüber hinaus ist es aus seiner Sicht unverzichtbar, dass die Bundesagentur mit den Zertifizierungsstellen ein Verfahren zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch vereinbart.

58.3

Die Bundesagentur hat eingeräumt, dass sie auf Regelungen zum Verfahren der Qualitätsprüfungen und auf ein Fachcontrolling verzichtet habe. Zur Begründung hat sie auf ihren neuen Steuerungsansatz verwiesen. Danach sei eine Steuerung vornehmlich über die Ziele der Arbeitsförderung, aber nicht über Detailregelungen zu deren Umsetzung vorgesehen. Es ist nach Auffassung der Bundesagentur die Aufgabe der Regionaldirektionen bzw. der einzelnen Agenturen, Regelungen über Inhalte, Häufigkeit und Umfang von Prüfungen zu treffen.

Die Bundesagentur hat darauf hingewiesen, dass sie eine elektronische Informationsplattform plane. Diese könnte z. B. Informationen über Teilnehmerbefragungen und Eingliederungsquoten bei beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen enthalten und damit dem Austausch zwischen Bundesagentur und Zertifizierungsstellen dienen. Solange dies nicht umgesetzt sei, sollen die Agenturen und Zertifizierungsstellen den Informationsaustausch eigenverantwortlich regeln. Zudem erarbeite eine Projektgruppe derzeit Standards für die Qualitätssicherung arbeitsmarktpolitischer Dienstleistungen. Deren Ergebnisse wolle sie auch zur Qualitätssicherung beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen nutzen.

Im Übrigen könne sie die vom Bundesrechnungshof geforderte Umsetzung der ihr obliegenden Qualitätskontrollen nicht zusichern. Die gesetzlich festgelegte Aufgabenverteilung zwischen den Zertifizierungsstellen und den Agenturen erlaube es den Agenturen nicht, bei gravierenden Qualitätsmängeln Trägern und Maßnahmen die Zulassung zu entziehen. Eine mögliche Lösung dieser Problematik sieht die Bundesagentur in einer Gesetzesänderung.

Für den Umgang der Zertifizierungsstellen mit Maßnahmemängeln komme außerdem dem Anerkennungsbeirat, der die Bundesagentur bei der Zulassung der Zertifizierungsstellen unterstützt, eine Schlüsselfunktion zu. Die Zertifizierungsstellen seien verpflichtet, fachliche Empfehlungen des Anerkennungsbeirates zu beachten.

58.4

Der Bundesrechnungshof sieht in der Einrichtung einer Projektgruppe in der Bundesagentur einen ersten Schritt zur Qualitätssicherung arbeitsmarktpolitischer Dienstleistungen. Damit die Ergebnisse der Projektgruppe Wirkung zeigen, müssen sie allerdings für berufliche Weiterbildungsmaßnahmen konkretisiert, an die Agenturen weitergeleitet und mit verbindlichen Handlungsempfehlungen zur Umsetzung verbunden werden. Ob und wann dies geschieht, ist derzeit ungewiss.

Einheitliche Verfahren und die Vorgabe transparenter Qualitätsmaßstäbe sind aus Sicht des Bundesrechnungshofes unverzichtbar, um die Verbindlichkeit und Verlässlichkeit der Qualitätsprüfungen zu gewährleisten und die Ergebnisse vergleichbar zu machen. Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Forderung, umgehend das Verfahren für die Qualitätskontrolle beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen festzulegen und die Umsetzung im Rahmen eines fachlichen Controllings sicherzustellen. Der neue Steuerungsansatz darf nicht dazu führen, dass sich die Bundesagentur dieser Aufgabe entzieht. Vielmehr muss sie ihr Steuerungssystem so gestalten, dass es eine einheitliche Anwendung der Gesetzesnormen unterstützt.

Zur Sicherung der Qualität laufender Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung hält es der Bundesrechnungshof nicht für erforderlich, dass die Bundesagentur selbst Maßnahmen und Trägern die Zulassung entziehen kann. Die Frage nach einer entsprechenden Gesetzesänderung stellte sich erst dann, wenn die bislang noch nicht erprobte Zusammenarbeit zwischen Agenturen und Zertifizierungsstellen nicht erfolgreich wäre. Es ist im Übrigen nicht überzeugend, wenn die Bundesagentur drei Jahre nach der gesetzlichen Neuordnung der Qualitätssicherung der Förderung der beruflichen Weiterbildung lediglich über Pläne zum Informationsaustausch mit diesen Stellen verfügt. Da die Bundesagentur selbst für die Anerkennung der Zertifizierungsstellen verantwortlich ist, könnte sie bereits im Anerkennungsverfahren Regeln für die Zusammenarbeit vereinbaren. Außerdem sollte die Bundesagentur mit dem Anerkennungsbeirat erörtern, wie bei festgestellten Maßnahmemängeln zu verfahren ist."


Quelle: Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof

Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2006 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2005), S. 215 – 217.

Deutscher Bundestag, Drucksache 16/3200, 13. 11. 2006

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 16.11.2006

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 19.03.2024