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10 Thesen zum neuen Fachkonzept für Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB)

Die Autoren vermuten, das mit dem neuen Fachkonzept das Ende der Sozialpädaggogik in der Jugendarbeit eingeläutet wird. Die neuen Maßnahmen haben unter den Vorgaben von Hartz IV vor allem Markterfordernissen, wie Eingliederungsquote und unmittelbaren Vermittlungserfolgen, zu dienen. Der Druck auf die MitarbeiterInnen nimmt ernorm zu.

In der Stellungnahme schreiben die AutorInnen:

"In Anbetracht der zu erwartenden Einsparungszwänge und der gleichzeitig zunehmenden Leistungsanforderungen, scheint es kaum möglich, dass die betroffenen Träger und MitarbeiterInnen die von ihnen geforderten Arbeitsaufgaben tatsächlichen erfüllen können. Da aber bestimmte Leistungen erwartet werden und zudem das Primat der Kostenminimierung gleichzeitig mit einer ominösen Qualitätserfordernis flankiert ist, werden die Träger dies aber trotzdem behaupten müssen. Da scheint es kaum eine andere Lösung als die falscher Angaben zu geben. Da zunehmender Konkurrenzdruck dem Phänomen des Sozialmarketings sicherlich zu neuer Blüte verhelfen wird, werden viele Träger gegenüber der Arbeitsagentur und ihren TeilnehmerInnen Versprechen machen müssen, die sie faktisch nie einlösen können.

Auf diese Weise geraten die MitarbeiterInnen in diesen Maßnahmen in gleich mehrfacher Weise unter Druck. Sie werden sowohl von der Arbeitsverwaltung, als auch von ihren Trägern, als auch von den TeilnehmerInnen mit unerfüllbaren Erwartungen konfrontiert werden, denen sie unmöglich gerecht werden können. Dabei müssen sie hinsichtlich der Arbeitsagentur um ihren Arbeitsplatz fürchten, da dieser bei einer Nichtverlängerung der Maßnahme wegzufallen droht. Bezüglich der Träger dürfte eine ähnliche Angst berechtigt sein. Bei der vorauszusehenden Stellenknappheit wird das Gefühl der Entbehrlichkeit beidseitig des Arbeitsverhältnisses zunehmen, zumal insbesondere bei älteren KollegInnen Belastbarkeit und Arbeitsqualität mit den wachsenden Anforderungen abnehmen dürften.

Einer vielleicht noch wesentlicheren Belastung wird voraussichtlich jedoch die Arbeitsbeziehung zu dem Klientel der benachteiligten Jugendlichen unterworfen sein. Hier herrschte in der Vergangenheit einmal der Anspruch, sich gezielt diesem Klientel zuzuwenden und den Erfolg der eigenen Arbeit an den wachsenden Partizipationschancen genau dieser Jugendlichen zu bemessen. Dieser Anspruch dürfte sich allerdings spätestens mit der Einführung des " Neuen Fachkonzepts" endgültig überlebt haben. Denn abgesehen davon, dass die Beschäftigung mit genau diesen Jugendlichen naturgemäß wesentlich zeitaufwendiger und mühevoller sein muss, stellen sie auch ein permanentes Risiko für die eigene Vermittlungsstatistik dar. Gleichzeitig werden sich die Erwartungen der Jugendlichen kaum einlösen lassen. Die Außendarstellung der Maßnahmen wird zwangsläufig eine Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit in Aussicht stellen, was aber gerade bei benachteiligten Jugendlichen nur schwer zu realisieren sein wird. Man kann also davon ausgehen, dass viele Jugendlichen sehr bald spitz kriegen werden, dass für sie hier gar keine wirkliche Chance besteht. Ihre Enttäuschung und ihren Ärger werden sie aber mit ziemlicher Sicherheit auf Anleiter, Pädagogen und Lehrer projizieren, indem sie sich dem Qualifizierungsangebot widersetzen, mit Beschwerden bei der Arbeitsagentur drohen und die MitarbeiterInnen für ihre Situation verantwortlich machen. Für die einzelnen Beschäftigten wird es nicht viele Möglichkeiten geben, diese Situation psychisch zu verarbeiten: Eine besteht sicherlich darin, die Schuld bei sich selber zu suchen und den Versuch zu unternehmen, auch den benachteiligten Jugendlichen durch das Ableisten von Überstunden gerecht zu werden. Dieser Variante sind jedoch von vorn herein Grenzen gesetzt. Denn Überstunden werden diese Kolleginnen ohnehin machen müssen und auch durch Überstunden lassen sich die Vermittlungschancen benachteiligter Jugendlicher nicht immer verbessern. Darum liegt die zweite Möglichkeit der professionellen Übernahme der im " Neuen Fachkonzept" eingeschriebenen Leistungsideologie wesentlich näher. In vielen Fällen wird es wahrscheinlich die einzige Möglichkeit sein, sich vor dem Ausbrennen zu schützen, gerade die benachteiligten Jugendlichen für ihre eigene Situation verantwortlich zu machen. Es wird nur noch schwer möglich sein, gerade diese Jugendlichen in einem Klima wechselseitiger Anfeindungen, Vermittlungsdruck und Arbeitsüberlastung zu mögen. Damit besteht die Gefahr, dass der Beruf des/der SozialpädagogIn in der Funktion eines berufsbezogenen Leistungssiebes verkommt."

Erarbeitet von der AG Reha des Netzwerks „Lernende Region – Bildung 21 in Südniedersachsen“ unter Trägerschaft der Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen e.G. - Stand 15.12.2004
AG Reha im Sozialforum Göttingen

Quelle: Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen

Sie können die 10 Thesen hier als pdf-Datei herunterladen, weitere interessante Informationen finden Sie auf der Homepage des Bildungsnetzwerk in Südniedersachsen.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 03.02.2005

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 29.03.2024