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Betriebliche Weiterbildung im europäischen Vergleich höchstens mittelmäßig

Die absoluten Zahlen bei der Weiterbildungsbeteiligung sehen eigentlich ganz gut aus. Immerhin 73 Prozent der deutschen Unternehmen berichten davon, dass sich Beschäftigte weiterbilden. Doch im europäischen Vergleich reicht das gerade einmal zu einem Platz im Mittelfeld.

Bei der Dauer und den direkten Kosten der betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen weisen nur ein bzw. zwei nord- und westeuropäische Länder geringere Werte als Deutschland auf. Bereits die Studie zur Weiterbildungsbeteiligung hatte herausgefunden, dass viele Weiterbildungsmaßnahmen maximal einen Tag dauern. Das betrifft anscheinend hauptsächlich die betriebliche Weiterbildung.

Doch die Unternehmen gewähren diese Schmalspur-Weiterbildung nicht immer aus freien Stücken. Für deutsche Unternehmen seien insbesondere kurze Anpassungsmaßnahmen charakteristisch. Zudem seien diese Weiterbildungen häufig gesetzlich vorgeschrieben. „Gesetzlich oder anderweitig vorgeschriebene Lehrveranstaltungen aus dem Bereich ‚Gesundheit und Arbeitsschutz‘ machen nämlich ein Fünftel der gesamten Teilnahmestunden an Lehrveranstaltungen aus.“ Im Vergleich mit 11 nord- und westeuropäischen Ländern liegt Deutschland bei diesen Weiterbildungen im oberen Drittel.

„Der Anteil der Lehrveranstaltungen, die dem Arbeitgeber nicht vorgeschrieben sind, hat also in Deutschland einen vergleichsweise kleinen Anteil am gesamten Stundenvolumen und engt damit den ‚Spielraum‘ möglicher innovativer Ansätze betrieblicher Weiterbildung ein.“ Weiterbildung scheint eher Pflicht denn Kür für die Unternehmen zu sein, auch wenn die offiziellen Verlautbarungen uns etwas anderes erzählen möchten.

Die Autoren vermuten, dass die von ihnen gefunden Ergebnisse auf grundlegende strukturelle Merkmale in der betrieblichen Weiterbildung hinweisen. Die betriebliche Weiterbildung habe dabei mit zwei Problemen zu kämpfen. Einerseits ist sie Bestandteil eines einzelwirtschaftlich aufgestellten Betriebes. In solchen Betrieben dienen alle Organisationseinheiten dazu, den reibungslosen Produktionsablauf zu organisieren. Auch die betriebliche Weiterbildung unterliegt grundsätzlich diesem Organisationsinteresse. Auf der anderen Seite soll sie die Interessen und Fähigkeiten der Beschäftigten unterstützen. Das muss nicht unbedingt zusammenpassen.

Die betriebliche Weiterbildung sei kein selbstverständlicher Teil des betrieblichen Produktionsprozesses. Sie muss das, was sie für die Beschäftigten leistet, in den betrieblichen Organisationszusammenhang bringen. Doch der Zweck des Betriebes ist eben nicht die Weiterbildung der Beschäftigten. Die betriebliche Weiterbildung sei lediglich eine „abgeleitete“ Funktion eines Betriebes.

Das führe zu strukturellen Unterschieden zwischen individueller und vom Betrieb geförderter beruflicher Weiterbildung. „Während langandauernde, der Karriere dienende und in der Regel zertifizierte Weiterbildungen eher in das betriebs-externe berufliche Umfeld verlagert werden, finden kurzzeitige, an betriebsspezifische Fragen der Arbeitsorganisation (…) angeschlossene Weiterbildungen eher im Betrieb und durch den Betrieb statt.“

Zu diesem Ergebnis passt die weiterhin starke selektive Weiterbildungsbeteiligung unterschiedlicher Beschäftigtengruppen. „Charakteristisch ist eine Konzentration der betrieblichen Weiterbildung auf die Fach- und Führungskräfte und weniger auf die un- und angelernten Beschäftigten. Mit der beruflichen Stellung steigt auch die Teilnahme an internen und externen Lehrveranstaltungen.“ Diese Situation habe sich in den letzten 20 Jahren in Deutschland nicht grundlegend geändert.

„Nach den Ergebnissen der CVTS4-Zusatzerhebung beteiligen 50 Prozent der Unternehmen Un- und Angelernte regelmäßig an Unterweisungen bzw. Einarbeitungen. Dies ist der höchste Wert unter den untersuchten Beschäftigtengruppen. Bei den anderen Lernformen sind die entsprechenden Werte für die Un- und Angelernten wesentlich niedriger, insbesondere bei externen Lehrveranstaltungen (18%) und beim selbstgesteuerten Lernen (5%). Bei drei der vier Lernformen konzentriert sich die 32
regelmäßige Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung vor allem auf die Führungskräfte sowie die Fachkräfte.“ Die positiven Zahlen der Weiterbildungsbeteiligung für Un- und Angelernte sind offensichtlich Ergebnis des technischen Wandels, der häufiger Einarbeitungen an neuen Maschinen usw. erfordert. Vermehrten Anstrengungen der Unternehmen in der betrieblichen Weiterbildung sind sie wohl nicht geschuldet.


Quelle:


Vollständige Studie

Schlagworte zu diesem Beitrag: Berufliche Weiterbildung, Qualifizierung, Ältere Beschäftigte, Betriebliche Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 16.05.2015