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Weiterbildungsverbände fordern Konsequenzen aus der PIAAC-Studie

Weiterbildungsoffensive 2013-2017

Die Ergebnisse der PIAAC-Vergleichsstudie (sog. „Erwachsenen-PISA“) zeigen, dass in Deutschland dringender Handlungsbedarf für verstärkte Investitionen in die Weiterbildung besteht. Die Kompetenzen Erwachsener müssen gestärkt und weiterentwickelt werden, damit sich Deutschland zu einer Bildungs- und Wissensgesellschaft auf internationalem Spitzenniveau entwickeln kann.

In Deutschland ist die Bildungsförderung bisher fokussiert auf Frühpädagogik, Schule, Ausbildung und Hochschule. Die neue Bundesregierung muss gerade angesichts der demografischen Entwicklung nun die Chance ergreifen, über eine breit angelegte Weiterbildungsoffensive die beträchtlichen Potenziale der Weiterbildung für Wirtschaft, Gesellschaft und jeden Einzelnen zu heben.

Damit eine Weiterbildungsoffensive Wirksamkeit entfalten kann, muss sie auf verschiedenen Eckpfeilern stehen. Die großen Verbände der Weiterbildung in Deutschland möchten der künftigen Bundesregierung hierfür die folgenden Anregungen unterbreiten:


1. Weiterbildung für alle sicherstellen

Die öffentlich geförderte Weiterbildung muss ihrer Aufgabe nachkommen können, der Bevölkerung überall in Deutschland wohnortnahe, niedrigschwellige und umfassende Bildungsangebote zur Verfügung zu stellen. Der Zugang zur Weiterbildung darf dabei weder an finanziellen, noch an regionalen oder kulturellen Barrieren scheitern.

Angesichts der zunehmenden strukturellen öffentlichen Unterfinanzierung der Einrichtungen mussten die Teilnehmerbeiträge in den letzten Jahren steigen. Dies hält zunehmend bildungs-benachteiligte Gruppen von einer Beteiligung an Weiterbildung ab. Dieser Trend muss gestoppt und umgekehrt werden.

Erreicht werden muss
  • eine bessere Unterstützung individueller Anstrengungen zur Weiterbildung durch den Aufbau einer gezielten Weiterbildungsförderung für Erwachsene (Erwachsenen BAföG) und den Aus-bau bestehender Instrumente (Bildungsprämie etc.),

  • eine flächendeckende trägerneutrale Bildungs- und Berufsberatung, die die Entwicklung der individuellen Bildungsbiografien unterstützt, über geeignete Angebote aufklärt und Qualitäts-transparenz herstellt,

  • die Sicherstellung einer verlässlichen und flächendeckenden Grundversorgung mit Angeboten zur beruflichen, politischen, gesundheitlichen, kulturellen und sprachlichen Weiterbildung durch die Einrichtungen der öffentlich verantworteten Weiterbildung und eine Stärkung der regional verankerten freien Trägerstrukturen sowie

  • die Anerkennung der Leistung der Beschäftigten in der Weiterbildung durch angemessene Mindestlöhne. Die von Bund, Land oder Kommune aufgelegten Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramme müssen ausreichend finanziert werden. Nur so können mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geschaffen und Lehrkräfte leistungsgerecht bezahlt werden. Im Sinne einer Ausweitung der Planungshorizonte sind längerfristige Beauftragungen erforderlich, um dauerhafte Arbeitsverhältnisse verantworten und realisieren zu können.

2. Weiterbildungsbeteiligung Geringqualifizierter erhöhen, Grundbildung sichern

Deutschland braucht ein Recht auf zweite und dritte Chancen durch nachholende Bildung für Menschen ohne Schulabschluss, ohne Berufsausbildung, mit gebrochenen Bildungsbiografien oder unzureichender Grundbildung. Die Angebote sollten allen Interessenten zeit- und ortsnah kostenlos zur Verfügung stehen. Ein besonderer Schwerpunkt muss hierbei auf einen substanziellen Ausbau der Grundbildung gelegt werden.

Um den Anteil Geringqualifizierter abzubauen, müssen öffentliche und von der Wirtschaft mit- geförderte Programme aufgelegt werden, die auf die Erhöhung der Bildungsbeteiligung und die Bedarfe geringqualifizierter Personen zugeschnitten sind und dabei lebensweltnahe Konzepte und aufsuchende Bildungsarbeit integrieren.

Die Bundesregierung sollte ein umfassendes Nachqualifizierungsprogramm auflegen, das gering qualifizierten Beschäftigten und Arbeitsuchenden in Verbindung mit der fachlichen Qualifizierung auch die notwendige Grund- und Allgemeinbildung vermittelt.

Um die Bildungschancen der 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten in Deutschland zu erhöhen, sollte die Nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung zu einer Nationalen Grundbildungsdekade weiterentwickelt werden.


3. Qualifikationen anerkennen

Bildungspolitik muss insgesamt die Bedeutung der in der Weiterbildung erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen anerkennen. So muss die Möglichkeit bestehen, die in Weiterbildungen ebenso wie in anderen Bildungsbereichen erworbenen Kompetenzen angemessen in den Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) einzuordnen. Es müssen Initiativen gefördert werden, die Ausbildung, Hochschule und Weiterbildung enger verzahnen; dies schließt auch die Anerkennung von in Weiterbildungen erworbenen Leistungen ein.

Die Bildungspotenziale von Zugewanderten sollten gezielter gefördert werden. In diesem Zusammenhang sollte das Anerkennungsgesetz für ausländische Berufsqualifikationen (BQFG) ausgebaut werden. Neben einer einheitlichen und unbürokratischen Anerkennung von im Aus-land erworbenen Berufsqualifikationen bedarf es eines Ausbaus und einer Anerkennung von Nachqualifizierungsangeboten.

Ein Rahmenprogramm zur Förderung der empirischen Weiterbildungsforschung soll dazu bei-tragen, die internationale Position Deutschlands in Weiterbildung und Forschung zu stärken.


4. Gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen ermöglichen: Kooperationsverbot aufheben

Der Bund muss in die Lage versetzt werden, sich im gesamten Bildungsbereich, insbesondere auch in der Weiterbildung, finanziell engagieren zu können. Bund und Länder müssen baldmöglichst durch eine Grundgesetzänderung die verfassungsmäßigen Grundlagen für eine Aufhebung des Kooperationsverbotes schaffen. Im Interesse einer gemeinsamen Wahrnehmung der gesamtstaatlichen Verantwortung müssen sich Bund, Länder und Kommunen an der Finanzierung der Weiterbildungsoffensive beteiligen.


Unterzeichnende

Prof. Dr. Rita Süssmuth, Präsidentin
Deutscher Volkshochschul-Verband e.V.

Thiemo Fojkar, Vorsitzender
Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband)

Matthias Anbuhl, 1. Vorsitzender
Bundesarbeitskreis ARBEIT UND LEBEN e.V.

Dr. Hans-Jürgen Luibl, Vorsitzender
Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung e.V.

Elisabeth Vanderheiden, Vorsitzende
Katholische Erwachsenenbildung Deutschland – Bundesarbeitsgemeinschaft e.V.

Prof. Dr. Aiga von Hippel, Vorsitzende
Rat der Weiterbildung – KAW

Petra Witt, Präsidentin
Verband Deutscher Privatschulverbände e.V.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 10.11.2013