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Nationaler Qualifikationsrahmen für Deutschland – Auswirkungen auf Bremen

Bericht des Bremer Senats

1. Politisches Ziel:

Durch das engere Zusammenwachsen Europas wachsen auch die Arbeitsmärkte und Bildungsräume der Mitgliedstaaten enger zusammen. Neue gesetzliche Regelungen eröffnen die Möglichkeit, im europäischen Ausland zu arbeiten. Die europaweite Arbeit von Firmen und Institutionen bringt Menschen unterschiedlicher Herkunft in Kontakt und auch in Konkurrenzen. Erworbene Kompetenzen müssen immer häufiger so nachgewiesen werden, dass auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber außerhalb des eigenen Mitgliedstaates sie beurteilen und einordnen können.


2. EQR

Es besteht Einigkeit unter den EU-Mitgliedstaaten, dass der angestrebte grenzüberschreitende Arbeits- und Bildungsraum eine Abstimmung und Einordnung der Abschlüsse und Qualifikationen nötig macht.
Dementsprechend hat die EU einen Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) entwickelt, ein „Übersetzungsinstrument“, das die nationalen Qualifikationen europaweit vergleichbar und verständlich machen soll um so die Mobilität von Beschäftigten und Lernenden in Europa zu fördern.

Am 23.04.2008 trat die Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats zur Einrichtung des EQR in Kraft. Der EQR umfasst die Bereiche allgemeine Bildung, berufliche Bildung, Erwachsenenbildung sowie Hochschulbildung.
Mit dieser Empfehlung werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, bis zum Jahr 2010 ihre Qualifikationen auf nationaler Ebene mit dem EQR in Bezug zu setzen. Weiterhin wird den Mitgliedstaaten empfohlen, dafür Sorge zu tragen, dass bis 2012 alle neuen Qualifikationsnachweise / Abschlüsse und Europass-Dokumente einen Verwies auf das entsprechende EQR-Niveau erhalten.

Das Kernstück des EQR bilden 8 Referenzniveaus, mit denen Lernergebnisse (learning outcomes) beschrieben werden. Lernergebnisse bezeichnen, was Lernende nach Abschluss eines Lernprozesses wissen, verstehen und in der Lage sind zu tun, unabhängig davon, wo diese Qualifikationen erworben wurden. Lernergebnisse werden als Kombination von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen definiert. Kompetenzen werden im Sinne von Handlungskompetenzen wie Übernahme von Verantwortung und Selbständigkeit verstanden.
Die 8 Referenzniveaus des EQR decken sämtliche Qualifikationen ab, vom allgemeinen und beruflichen Pflichtschulabschluss bis zu Qualifikationen, die auf der höchsten Stufe akademischer und beruflicher Aus- und Weiterbildung erworben werden.

Mit der Beschreibung von Lernergebnissen wird eine Abkehr vom traditionellen Ansatz verfolgt, bei dem der Lerninput – Lerninhalte, Dauer einer Lernerfahrung, Art der Einrichtung – im Vordergrund steht.

Die Verschiebung der Gewichtung auf die Qualität der Lernergebnisse stellt einen radikalen Umbruch für die europäischen Bildungssysteme dar. Es kommt immer mehr darauf an, was die Menschen können und über welche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Fach-, personalen und sonstigen Kompetenzen sie verfügen, und nicht mehr ausschließlich darauf, wie viel Wissen sie wo und auf welche Weise erworben haben.

Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits drei EU-Mitgliedstaaten – das Vereinigte Königreich, Irland und Frankreich – einen nationalen Qualifikationsrahmen erarbeitet.


3. DQR – Gremien und Aufträge

Die 187. Amtschefkonferenz hat sich am 21.09.2006 dafür ausgesprochen, auf der Ebene der Kultusministerkonferenz (KMK) einen Vorschlag für einen Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) zu erarbeiten und mit dem Bund abzustimmen. Mit dieser Arbeit wurde die KMK-AG EQR beauftragt, die auch andere Fachministerkonferenzen beteiligt hat.


Mit dem Bund wurde am 16.10.2006 vereinbart, eine gemeinsame Koordinierungsgruppe (Bund-Länder-Koordinierungsgruppe) einzurichten, der Vertreter/innen der KMK-AG EQR für die Bereiche Schule, berufliche Bildung, Hochschule und lebenslanges Lernen angehören. Diese hat sich am 24.01.2007 konstituiert. Zunächst galt es, vor dem Hintergrund der bestehenden innerstaatlichen Zuständigkeiten den Prozess der Erarbeitung zu steuern und Akteure aus der allgemeinen, der Hochschulbildung, der beruflichen Bildung, Sozialpartner/innen und weitere Expert/inn/en aus Wissenschaft und Praxis zu beteiligen.

Die Amtschefkonferenz und Fachausschüsse der KMK werden durch ihre Vertreter/innen in den DQR-Gremien regelmäßig über den Sachstand informiert.


4. DQR–Inhalte

Im Februar 2009 haben die Bund-Länder-Koordinierungsgruppe und der Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen, dem Akteure aus der allgemeinen Bildung, der Hochschulbildung, der beruflichen Bildung, Sozialpartner/innen und weitere Expert/inn/en aus Wissenschaft und Praxis angehören, gemeinsam den „Diskussionsvorschlag eines Deutschen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen“ vorgelegt – siehe unter www.deutscherqualifikationsrahmen.de.

Bereits am 13.10.2006 hatte der Bundesrat betont, dass der EQR keine europäischen Qualifikationen generieren könne und sich seine Funktion auf die Rolle eines Übersetzungsinstruments ohne legislativen Charakter – ohne normierende Wirkung nach außen – zu beschränken habe. Dies wird im Einführungstext des Diskussionsvorschlags unterstrichen. Ziel des DQR ist nicht die Veränderung des deutschen Bildungssystems, sondern einen Beitrag zur angemessenen Bewertung und zur Vergleichbarkeit in Europa zu leisten. Die Zuordnung des deutschen Bildungswesens zu den Niveaustufen des DQR ersetzt nicht das bestehende System der Zugangsberechtigungen.

Dieser Diskussionsvorschlag beinhaltet, angelehnt an den EQR, acht Niveaustufen.
Die acht Referenzniveaus des EQR decken sämtliche Qualifikationen ab, vom allgemeinen und beruflichen Pflichtschulabschluss bis zur akademischen Aus- und Weiterbildung.

Für jede der acht Niveaustufen werden die Kompetenzen beschrieben, die für die Einordnung in das jeweilige Niveau erforderlich sind (Niveauindikatoren).

Der für jede Niveaustufe verwandte Kompetenzbegriff unterscheidet zwei Kategorien: die Fachkompetenz und die personale Kompetenz.

Die Kategorie Fachkompetenz wird unterteilt in Wissen – Tiefe und Breite des Wissens – und Fertigkeiten – instrumentelle und systemische Fertigkeiten, Beurteilungsfähigkeit –.
Die Kategorie Personale Kompetenz wird unterteilt in Sozialkompetenz – Team-/Führungsfähigkeit, Mitgestaltung und Kommunikation – und Selbstkompetenz – Selbstständigkeit/Verantwortung, Reflexivität und Lernkompetenz (Vier-Säulen-Struktur).

Hinsichtlich der Vier-Säulen-Struktur weicht der DQR-Diskussionsvorschlag von der EQR-Empfehlung ab. In der EQR-Empfehlung werden „Lernergebnisse als Kombination von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen definiert“. Die Amtschefs der Länder haben eine Anpassung des DQR-Entwurfs an den EQR mit dem Ziel einer Drei-Säulen-Struktur geltend gemacht. Eine solche Umstrukturierung war mit den Sozialpartner zum Zeitpunkt Februar d.J. nicht mehr verhandelbar. Die Amtschefs der Länder haben jedoch auf der Prüfung der Einführung der Drei-Säulen-Struktur für die nächste Phase der DQR-Erarbeitung beharrt.


Bei der Zuordnung von Qualifikationen zum DQR sollen zunächst alle formalen Qualifikationen des deutschen Bildungssystems, die der allgemeinen Bildung, der Hochschulbildung und der beruflichen Bildung, einbezogen werden. Darüber hinaus sollen Ergebnisse des informellen Lernens berücksichtigt werden. Konsens ist, sich erst einmal auf die Zuordnung formaler Abschlüsse zu konzentrieren, um sich zu einem späteren Zeitpunkt den nonformal und informell erworbenen Kompetenzen zuzuwenden.

Bei der Gestaltung der Matrix wurde berücksichtigt, dass jedes Qualifikationsniveau grundsätzlich auf verschiedenen Bildungs- und Karrierewegen erreichbar sein sollte und dass Qualifikationen in der Regel sowohl auf die Fortsetzung des Bildungsweges als auch auf die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit ausgerichtet sind.

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden sowohl die niedrigste und als auch die höchste der acht Niveaustufen ansatzweise beschrieben:

In der Niveaustufe 1 soll die Person über Kompetenzen zur Erfüllung einfacher Anforderungen in einem überschaubar und stabil strukturierten Lern- oder Arbeitsbereich verfügen. Die Erfüllung der Aufgaben erfolgt unter Anleitung. Entsprechend werden die Kompetenzbereiche beschrieben. Wissen umfasst elementares allgemeines Wissen; Fertigkeiten werden mit kognitiven und praktischen Fertigkeiten beschrieben, um einfache Aufgaben nach vorgegebenen Regeln auszuführen usw.

In der Niveaustufe 8 soll die Person über Kompetenzen zur Gewinnung von Forschungserkenntnissen in einem wissenschaftlichen Fach oder zur Entwicklung innovativer Lösungen und Verfahren in einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen. Die Anforderungsstruktur ist durch neuartige und unklare Problemlagen gekennzeichnet. Entsprechend werden die Kompetenzbereiche beschrieben. Wissen beinhaltet hierbei umfassendes, spezialisiertes und systematisches Wissen auf dem neuesten Erkenntnisstand in einem oder mehreren Spezialgebieten; Fertigkeiten beinhalten umfassend entwickelte Fertigkeiten zur Identifizierung und Lösung neuartiger Problemstellungen in Forschung, Entwicklung oder einem beruflichen Tätigkeitsfeld usw.

In den Niveaustufen werden 32 Deskriptoren formuliert, die sich einerseits auf einen Lernbereich oder ein wissenschaftliches Fach beziehen oder andererseits auf einen Arbeitsbereich oder ein berufliches Tätigkeitsfeld. Damit ist die Matrix des DQR-Entwurfs so aufgebaut, dass auf allen Niveaustufen auch berufliche Bildung angesiedelt werden kann.


5. Unterschiedliche Positionen in der Zuordnung der Kompetenzen

Bei der Zuordnung der Kompetenzen zu den Niveaustufen gibt es unterschiedliche Interessen.
Im allgemeinbildenden Bereich wurde durch einen Beschluss der Amtschefkonferenz der KMK festgelegt, den Förderabschluss auf Stufe 1 anzuordnen.

Bereits am 21.04.2005 hat die KMK einen Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse verabschiedet. Darin sind die Abschlüsse Bachelor, Master und Promotion den Stufen 6, 7 und 8 zugeordnet. Kompetenzen, die in beruflichen Tätigkeiten erworben wurden, werden für diese Niveaustufen zurzeit beraten.

Diskutiert wird, die erworbenen Abschlüsse im Bereich der dualen Berufsausbildung den Stufen 3 bis 5 zuzuordnen und die Abschlüsse zweijähriger Fachschulen auf Stufe 5 oder 6 zu setzen.

Für Abschlüsse im Bereich Weiterbildung ist die Zuordnung ebenfalls kontrovers. Für die Fortbildungen Meister/innen, Fachwirte, technische Betriebswirte etc. sind derzeit Zuordnungen zu den Niveaustufen 4, 5 und 6 im Gespräch.


6. Nächste Schritte

Seit Anfang Februar 2009 wird der Diskussionsvorschlag für einen DQR auf seine praktische Anwendung hin analysiert; die Analyse soll bis Anfang 2010 abgeschlossen werden.

Dazu wurden Expert/inn/en aus den vier Berufs- bzw. Tätigkeitsfeldern Metall/Elektro, Handel, Gesundheit und IT-Bereich beauftragt, Zuordnungen ausgewählter Qualifikationen aus allen Bildungsbereichen unter Einbeziehung aller Niveaustufen exemplarisch zu diskutieren und zuzuordnen. Die systematische Einbeziehung informell erworbener Kompetenzen ist noch nicht Gegenstand dieser ersten Phase.

Anschließend werden diese Ergebnisse in den genannten Gremien bewertet und weitere Schritte festgelegt, um den o.g. Zeitplan einzuhalten.


7. Bewertung des Senats

Bremen hat auf der Ebene der Länder-Gremienbefassung den Prozess von Beginn an begleitet. Der Senat hat sich insbesondere über die KMK-Gremien, aber auch über die Wirtschaftsministerkonferenz und ihre Gremien, eingebracht und wird dies auch während der Erprobungsphase in diesem Jahr weiterhin tun. Personell ist Bremen in unterschiedlichen EQR- und DQR-Erarbeitungsgremien vertreten.
Auch was die endgültige Beschlussfassung und das dann anstehende Bundesratsverfahren betrifft, wird der Senat alle Möglichkeiten nutzen, um an der Gestaltung des DQR mitzuwirken. Zur Meinungsbildung des Senats ist insbesondere eine Abstimmung der Ressorts Bildung, Arbeit und Wirtschaft notwendig, um Landesinteressen in den nationalen Entscheidungsprozess einzubringen.

Der Senat sieht den Deutschen Qualifikationsrahmen als Chance, das deutsche Qualifikationssystem transparenter zu machen und damit einen Beitrag zur Mobilität in Europa zu leisten. Er wird diesen Prozess daher weiterhin unterstützen und zum Ende der jetzt laufenden Analysephase im Sommer 2010 erneut über den Sachstand berichten.


Quelle: Mitteilung des Senats an die Bremische Bürgerschaft (Landtag) vom 27.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Lebenslanges Lernen, Deutscher Qualifikationsrahmen
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 28.10.2009

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024