Der Kommentar

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Weiterbildung und freie Mitarbeit – Hungerlohn für professionelle Arbeit

Als selbstständige Trainerin suche ich immer wieder neue Aufträge und Auftraggeber. Ich bin Akademikerin habe mehrere Zusatzqualifikationen und Fortbildungen abgeschlossen und verfüge über dreißigjährige Berufserfahrung. Gern engagiere ich mich und gute Bildung liegt mir immer noch sehr am Herzen.

Folgende und ähnliche Anzeigen begegnen mir bei der aktuellen Suche (2014)

Wir suchen engagierte Mitarbeiter/innen, die als freiberufliche Lehrbeauftragte auf der Basis eines ganzheitlichen, humanistischen pädagogischen Ansatzes Schüler und Schülerinnen in den Schulfächern begleiten und unterrichten möchten. Wir bieten ein kreatives, lebendiges Team sowie einen überdurchschnittlichen Branchenlohn mit 9,50 Euro Std.

Dozent/in im Bereich Sprachunterricht Deutsch für Anfänger
Art der Beschäftigung Honorarbasis Lohn (in Euro): 11,50 Euro Std.

Dozent/in für Bildungsmaßnahmen im kaufmännischen Bereich gesucht
Art der Beschäftigung Honorarbasis Lohn (in Euro): 21,00 Euro Std

Jetzt komme ich doch ins Grübeln. Wie viele Stunden muss ich arbeiten, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen? Wie viel Geld brauche ich im Schnitt monatlich? Mit allen Posten wie Miete, Krankenkasse und anderen Versicherungsbeiträgen, der Altersabsicherung, Arbeitsaufwendungen / Werbung, Lebenshaltungskosten und den Steuern benötige ich durchschnittlich 2.200 Euro im Monat. Rücklagen kann ich damit aber nicht bilden.
Also vielleicht genügen mir drei Tage als Dozentin im kaufmännischen Bereich und zwei für Deutsch als Fremdsprache? Ich brauche mehrere Auftraggeber, damit ich nicht als scheinselbstständig gelte. Sechs Stunden am Tag (Pausen nicht mit eingerechnet), dann verdiene ich mit dreißig Unterrichtsstunden, knapp 2.000 Euro im Monat. Selbstverständlich unentgeltlich kommen noch mindestens fünfzehn bis zwanzig Stunden Vorbereitung und Planung und rund zwei Stunden Fahrzeit pro Tag hinzu. Es darf nichts ausfallen, ich darf nicht krank werden und, wenn Ferien oder Feiertage sind, gerät die Einnahmesituation schon ins Wanken. Und Urlaub oder Regenerationszeiten sind überhaupt nicht drin.

Was kann ich tun? Hartz IV beantragen, reich heiraten oder im Lotto gewinnen?
NEIN, mich dafür engagieren, dass professionelle Weiterbildungsarbeit auch adäquat bezahlt wird.

P.S. Stellen Sie sich mal folgende Anzeige vor:

Ingenieur/in für Projekt in der Wirtschaft gesucht
Art der Beschäftigung Honorarbasis Lohn (in Euro): 21,00 € Std
(überdurchschnittliche Bezahlung)

Was würde dann passieren?


ein Beitrag aus der ver.di-AG Freie und Honorarkräfte Hamburg


Schlagworte zu diesem Beitrag: Freiberufler/Selbstständige, Honorar
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 01.06.2015

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024