Der Kommentar

Zurück zur Übersicht

Abstruse Argumente gegen den Mindestlohn in der Weiterbildung

Der Mindestlohntarifvertrag in der Weiterbildung gilt weiter – verbessert und mit Steigerungsstufen. Mit „Ach und Krach“ und auf den letzten Drücker wurde die Allgemeinverbindlichkeit verlängert. Doch einzelne Arbeitgeber versuchen weiter gegen den Tarifvertrag vorzugehen. Mehrere, auch namhafte Verbände unterstützen sie mit zweifelhaften Argumenten.

Damit ein Tarifvertrag nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) für allgemeinverbindlich erklärt werden kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. So muss ein öffentliches Interesse begründet und der betreffende Branchentarifvertrag repräsentativ sein im Hinblick auf die Tarifbindung und die Bandbreite der in der Branche tätigen Bildungsanbieter. In einem Urteil des Oberwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 31.1.2013 heißt es: „Die Konkretisierung des öffentlichen Interesses obliegt dem zu - ständigen Bundesminister, wobei ihm ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht.“

Aus unserer Sicht ist ein öffentliches Interesse an fairen Wettbewerbsbedingungen und angemessenen Mindestarbeitsbedingungen in dieser Branche unbestreitbar. Denn Lohndumping soll auch weiterhin mit einem Mindestlohn gestoppt werden.

Besonders listige Argumente ins Feld führt der Wuppertal Kreis e.V., ein Zusammenschluss von arbeitgebernahen Trägern der beruflichen Bildung. Da wird behauptet, der Mindestlohntarifvertrag „nützt nicht den Arbeitnehmern“ – obwohl eine beträchtliche Anzahl Beschäftigter eine Erhöhung ihrer katastrophal niedrigen Gehälter erhalten hat.

Außerdem wird vor „weiteren bürokratischen Eingriffen“ gewarnt. Tatsache ist: Die Branche ist so gut wie nicht reguliert, hier tobt der Markt in Reinkultur, so dass die durchschnittlichen Gehälter der akademisch gebildeten Belegschaften innerhalb eines Jahrzehnts um 30 bis 50 Prozent gesunken sind. Viele verdienen weniger als 2000 Euro für eine Vollzeitstelle, vor der Mindestlohnregelung mussten sich manche sogar mit 1500 Euro zufrieden geben.

Und weiter geht’s: „Eine Vereinheitlichung der durch hohe Kundenorientierung und unternehmensnahe Dienstleistungen geprägten Branche wäre kontraproduktiv für Marktnähe und letztlich auch für die Qualität in der Weiterbildung.“ Ja, die niedrigsten Gehälter auf ein einheitliches, akzeptables Niveau anheben – das ist gewollt. Und die Qualität? Die ist in der SGB II und III geförderten Weiterbildung in der Tat gefährdet, wie nicht zuletzt der Bundesrechnungshof bestätigt. Der Grund sind allerdings irrwitzige Vergabeverfahren, mangelnde Vorgaben der Auftraggeber, eine völlig unzureichende Finanzierung und daraus resultierend eine extrem hohe Fluktuation.

Weiteres Argument des Wuppertaler Kreises gefällig? „Aufgrund des flexiblen Einsatzes der Mitarbeiter ist eine Kontrolle zur Einhaltung des Mindestlohnes gar nicht möglich. Extrem hohe Kontrollkosten für Bund und Länder wären die Folge,“ so die Warnung vor Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit. Das wäre wirklich etwas ganz Bemerkenswertes: Die Eigenheiten der Branche würden eine Einhaltung des Mindestlohnes verunmöglichen. Also kalkulieren die Unternehmen bei der Abgabe von Angeboten nicht die Personalkosten ...? Auch die Sorge um die staatlichen Kontrollkosten ließe sich leicht ausräumen: Alle zahlen den Mindestlohn und die Arbeitszeitnachweise liegen parat, sollte der Zoll mal vorbeischauen.


Von Roland Kohsiek


Quelle: biwifo-report 2/2013

Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Mindestlohn
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 10.10.2013

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024